Die Wiederbelebung der klassischen Straßenbahn
in moderner Form als umweltfreundliches, städtisches Nahverkehrsystem erfolgt in den
meisten Fällen durch Wiedereinführung der Tram in Städten, die dieses Verkehrsmittel
in vergangenen Jahrzehnten schon einmal hatten. Nicht so im südschwedischen
Lund: Innerstädtischen Schienenverkehr hat es hier in der Vergangenheit nie
gegeben – die heutige Eröffnungsfeier bringt den Bürger also etwas ganz Neues
nahe.
Die Stadt mit ihren 85.000 Einwohnern (105.000 im Großraum) ist vor allem durch ihre innovative Universität und ihre verschiedenen Wissenschaftseinrichtungen geprägt. Auch das European Spallation Source (ESS) als modernes Forschungszentrum befindet sich hier. Pläne zur Verbesserung des öffentlichen Verkehrsangebots in der Stadt führten vor Jahren schon zur Einführung eines Bus Rapid Transit (BRT)-Systems, das auf einem wesentlichen Teil der Streckenführung eigene Trassen nutzt. Die BRT-Strecke vom Stadtzentrum zum Universitätsviertel und darüber hinaus wurde bereits 2003 eingeweiht, und bemerkenswerterweise war sie bei ihrem Bau bereits für eine mögliche spätere Umstellung auf Straßenbahnbetrieb vorbereitet worden. Dies geschah dann tatsächlich auch rund 15 Jahre später.
Um die Attraktivität des ÖPNV weiter zu steigern und der erwarteten, steigenden Fahrgastnachfrage gerecht zu werden, wurde das Projekt einer neuen Straßenbahn schließlich konkreter. Es kann geradezu als Glücksfall bezeichnet werden, das es am Ende aus tatsächlich Wirklichkeit werden konnte – anders als ähnliche Projekte in zwei anderen, größeren Städten der Region, Helsingborg und Malmö, die sich langfristig für ein BRT-Modell mit Hybrid- oder Elektrobussen entschieden.
Das Straßenbahnprojekt
Lund plante und baute eine 5,5 km lange, zweigleisige Strecke auf Normalspur, mit allen Merkmalen einer modernen, barrierefreien Niederflurstraßenbahn. Sie beginnt am Hauptbahnhof neben dem Clemenstorget Marktplatz, führt durch verschiedene Universitätseinrichtungen und Fakultäten einschließlich des Universitätskrankenhauses, unterquert eine Autobahn, bindet das neue, noch im Bau befindliche Wohnviertel Brunnshög an und endet am schon erwähnten ESS. Weitere 700 Meter eingleisige Strecke werden nur für dienstfahrten von und zum neu errichteten Betriebshof genutzt, der hier, im nordöstlichen Teil der Stadt, angesiedelt wurde. Es ist bemerkenswert, dass ein Teil der Strecke fast wie eine Überlandstraßenbahn durch Gebiete führt, in denen die neuen Wohngebiete erst noch entstehen müssen. Den Menschen, die dort in naher Zukunft leben werden, wird schon jetzt ein hochwertiges öffentliches Verkehrsangebot in unmittelbarer Nähe zur Verfügung gestellt – ein Stadtentwicklungsprojekt, das alle Attribute eines integrierten, umwelt- und benutzerfreundlichen Wohn- und Lebenskonzepts aufweist.
Die Straßenbahn wird von der Stadt Lund gemeinsam mit der Region Skane gebaut und betrieben, die Schieneninfrastruktur ist im Besitz der Stadt, Depot und Rollmaterial gehören der Regionalverwaltung. Betreiber ist Nettbus, der Busbetreiber der Stadt, bis 2023, wenn ein Ausschreibungsverfahren in Bezug auf einen langfristigen Betriebsvertrag für die Jahre danach eingeleitet wird.
Die Fahrzeuge
Die spanische CAF-Gruppe erhielt einen Liefer- und Servicevertrag über sieben Niederflur-Zweirichtungs-Straßenbahnwagen ihres bekannten Modells URBOS. Darin enthalten sind Optionen für drei weitere Straßenbahnen sowie für eine optionale Verlängerung der Trams von fünf auf sieben Module. Dadurch würde sich die Gesamtlänge der Fahrzeuge von derzeit 32 Metern auf 40 Meter erhöhen. Die Bahnen haben sechs Türen auf jeder Seite, davon zwei Einfach- und vier Doppeltüren, und bieten eine Fahrgastkapazität von max. 200 Passagieren. Die erste Straßenbahn wurde im Spätsommer 2020 ausgeliefert und nahm kurz darauf den Probebetrieb auf.
Einweihung heute!
Die offizielle, in Cororna-Zeiten virtuelle Eröffnungsfeier fand heute, am 12. Dezember 2020 um 11 Uhr, statt, der Linienbetrieb wird einen Tag später, am 13. Dezember 2020, aufgenommen. Die anfängliche Frequenz auf der Linie ist recht beschränkt, da nur drei Fahrzeuge auf der Strecke unterwegs sind, die tagsüber alle 20 Minuten verkehren. Eine Ausdehung wird schon bald erwartet, ein 10-Minuten-Takt während des Tages mit einer Verstärkung auf 7-8 Minuten während der Hauptverkehrszeiten ist vorgesehen ab 1.2.2021. Bei einer Gesamtreisezeit von 15 Minuten werden maximal 5 Fahrzeuge für den Wagenauslauf benötigt werden.
Die Gesamtinvestitionskosten belaufen sich auf ca. 1,26 Mrd. SEK (ca. 123 Mio. EUR), darin eingeschlossen sind die Infrastruktur, die Umgestaltung der Straßen, die neuen Depotanlagen und die sieben Züge. Nationale und regionale Fördergelder halfen bei der Finanzierung des gesamten Projekts, das zu einer Art Vorzeigeprojekt für andere Städte in Skandinavien werden sollte.
Für die Zukunft wird eine Verlängerung der Straßenbahn in Richtung Süden, beginnend am Clemenstorget über die Altstadt, als realistische Option in Betracht gezogen. Bleiben wir optimistisch, dass das neue Angebot gut angenommen wird – alle Voraussetzungen dafür sollten gegeben sein.
12.12.2020
Ein sehr informativer Artikel. Und eine vorbildliche Eigentümerstruktur. Ich finde, alles richtig gemacht! Mal sehen, ob es im Jahr 2021 möglich ist den Betrieb zu besuchen.