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130 Jahre Motor-Linienbus

© Christian Marquordt

Am 18. März 1895 wurde die erste Linie dieser Welt eröffnet, die nicht mit einer Postkutsche, sondern mit einem „Motor-Omnibus“ betrieben wurde. Und das geschah nicht in einer der Metropolen dieser Erde, sondern in der „Provinz“. Denn der erste Motor-Linienbus verkehrte im Süden Westfalens zwischen den Orten Deuz und Netphen und der Kreisstadt Siegen. Deuz und Netphen bilden heute – zusammen mit anderen Orten – die Stadt Netphen, und man sollte Deuz auch nicht verwechseln mit dem bekannten Kölner Stadtteil Deutz.

Erstaunlich: Der erste Motor-Linienbus dieser Welt war also in der Provinz unterwegs. Wie kam es dazu? Nun, sowohl in Deuz als auch in Netphen hatten sich Ende des 19. Jahrhunderts erste Industriebetriebe angesiedelt. Die hatten Waren zu transportieren, und deren Mitarbeiter waren an ihre Arbeitsplätze und wieder nach Hause zu bringen. Also forderte man den Anschluss an die Staatsbahn – den es nie gegeben hat. Als später tatsächlich eine Eisenbahn nach Netphen und Deuz gebaut wurde, war das die „Siegener Kreisbahn“.

Vier junge Unternehmer aus Deuz und Netphen stellten mit Sorgen fest, dass die Staatsbahn den Bau einer Strecke in ihre Orte ablehnte. Also suchten sie eine andere Lösung. Sie gründeten eine Omnibus-Gesellschaft. Da sie wussten, dass 1885 – also zehn Jahre zuvor – Carl Benz seinen „Benz Patent-Motorwagen“ gebaut hatte, wandten sie sich an Benz und bestellten einen „Omnibus“.

Benz lieferte einen Bus, dem er den Typennamen „Landauer“ gab. Der sah aus wie eine Postkutsche (ohne Pferde), und er konnte – wie eine Postkutsche – auch nur acht Fahrgäste befödern. Der Fahrer saß – auch das wie bei einer Kutsche – vor dem Fahrgastraum im Freien, immerhin nach oben durch ein Dach geschützt. Die Fahrt von Deuz über Netphen nach Siegen dauerte eine Stunde und zwanzig Minuten, was dazu führte, dass der Bus fünf Mal am Tag hin und her fahren konnte, während die Postkutsche die Verbindung hin und zurück nur ein Mal am Tag geboten hatte. Kuriosität am Rande: Obwohl es ja nun den Motorbus gab, erhielt die Post ihre Kutschverbindung aufrecht.

Nachbau des Benz Landauers von 1895 | © Christian Marquordt

1995 wurde „100 Jahre Siegen – Netphen – Deuz“ zum ersten Mal mit einem großen Corso gefeiert, zu dem rund 80 historische Busse aus Deutschland, Großbritannien, Luxembourg, den Niederlanden, Österreich, Schweden und der Schweiz angereist waren. 2020 sollten die 125 Jahre entsprechend gefeiert werden, doch Corona machte solche Pläne zunichte.

Na gut, sagte man bei der Stadt Netphen, dann verschieben wir die Feier auf den nächsten halbwegs runden Termin, 130 Jahre nach der Fahrt des ersten Motorbusses, im Jahr 2025.

Und so wurde am Wochenende 13. bis 15. Juni 2025 in Netphen groß gefeiert. Es gab wieder einen Corso mit historischen Bussen – die höchste Startnummer lautete 107. Der Corso begann in Deuz, umrundete die Stadt Netphen mit einem Rundkurs durch das Rothaargeirge entlang ihrer Stadtgrenzen und endete im Zentrum von Netphen vor dem Rathaus. Er führte auch an den Quellen von Lahn, Sieg und Eder vorbei – die alle drei im Abstand von wenigen Kilometern auf dem Gebiet der Stadt Netphen entspringen und in ganz unterschiedliche Richtungen fließen: die Eder nach Nordosten, die Lahn zunächst nach Osten und die Sieg nach Westen.

Die Busse des Corsos konnten ansonsten auch auf „Festmeilen“ in Netphen und Deuz besichtigt werden. Dort präsentierte sich auch die Region, das „Netpherland“.

Moderner Anhängerzug aus einem MAN Lion’s City NL 363 und einem Lanz & Marti/Hess APM 5.6-13 (ex Verkehrsbetriebe Luzern) | © Christian Marquordt
Dieser Berna ist ein typischer Schweizer Postbus aus den vierziger Jahren | © Christian Marquordt
Nach dem Ende der Neissebus aus Guben verschlug es diesen ungarischen Ikarus 630 ins Siegerland | © Christian Marquordt
Zum Abschluss ihres Studiums an der Hochschule für Fahrzeugbau in Hamburg konstruierten vier Studenten, unter ihnen Erhard Steib von der Karosseriefabrik Steib in Siegen, diesen ansprechenden Aufbau auf dem Fahrgestell eines Mercedes-Benz O 302 | © Christian Marquordt
Der Magirus-Deutz O 3.500 von Firma Adorf aus Düsseldorf zog einen Anhänger der Fahrzeugwerke Recklinghausen | © Christian Marquordt
Mercedes-Benz O 6600 aus den frühen fünfziger Jahren | © Christian Marquordt
Schindhelms O 6600 zog diesen Faka-Anhänger vom Typ „OA 40“ (Faka = FAhrzeugwerke KAnnenberg, Salzgitter | © Christian Marquordt
Schmuckstück aus der Schweiz: Willi Rollins FBW Car Alpin aus dem Jahr 1925, 100 Jahre alt | © Christian Marquordt
Georges Carbon aus Luxembourg kam mit diesem Saurer/Ramseier & Jenzer 3 C-H aus dem Jahr 1951 | © Christian Marquordt
IFA H 6 B/L aus dem Jahr 1959 | © Christian Marquordt
Schnuckeliger Däne: Opel Blitz aus dem Jagr 1938 mit dänischem Aufbau | © Christian Marquordt
Größer geht es bis heute nicht: von diesem Doppeldecker-Gelenkreisebus vom Typ Neoplan N 138/4 Jumbocruiser sind nur elf Wagen gebaut worden | © Christian Marquordt
15 Meter langer Doppeldecker vom Typ Neoplan N 128/4 Megaliner | © Christian Marquordt
Tut so, als sei er ein Bonner: Mercedes-Benz O 405 G vom Jahrgang 1996, damals in Dienst gestellt vom privaten Stadtverkehrsbetrieb Pfleger in Böblingen | © Christian Marquordt
Brennabor Bus aus den zwanziger Jahren aus Bad Rothenfelde | © Christian Marquordt
Erst kürzlich musterte Berlins BVG ihre MAN-Doppeldecker vom Typ „Lion’s City DD ND 313“ aus | © Christian Marquordt
04.07.2025