• de
  • en

Drei auf einen Streich: Brandenburg, Halle/Saale und Würzburg erhalten neue Straßenbahnen

Drei neue Straßenbahnen für Würzburg (links), Brandenburg/ Havel (mitte) und Halle/ Saale (rechts) I © WVV, VBBr, Stadt Halle/ Saale (UTM Collage)

Zur Weihnachtszeit gab es in diesem Jahr nicht nur Geschenke unter dem Baum, sondern auch auf den Schienen: Pünktlich zur festlichen Jahreszeit wurden neue Straßenbahnen nach Brandenburg an der Havel, Halle an der Saale und Würzburg ausgeliefert. Es handelt sich dabei um um drei verschiedenen Typen und Hersteller: Brandenburg erhält neue ForCity Plus 48T Trams von Škoda Group, Halle/ Saale neue TINA’s von Stadler und Würzburg den neuen GT-F von Heiterblick.

Diese modernen Fahrzeuge sind ein echter Grund zur Freude – nicht nur für die Verkehrsbetriebe, sondern auch für die Fahrgäste, die von den Verbesserungen profitieren werden – in allen drei Städten werden die neuen Fahrzeuge ältere Fahrzeuge, die teilweise noch über Hochfluranteile verfügen, ersetzen. Ein Überblick.

Beim Vergleich der technischen Fahrzeugdaten, fällt auf, dass es sich bei den drei Fahrzeugen um meterspurige handelt. Der GT-F für Würzburg sticht mit einer Lieferzeit von genau fünf Jahren heraus. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass es sich um eine Neuentwicklung handelt, während es sich bei der Forcity Plus für Brandenburg, Cottbus und Frankfurt als auch die TINA für Halle/ Saale (und andere Städte) um Plattformfahrzeuge mit einem relativ hohen Standardisierungsanteil handelt. Dementsprechend fallen auch die Fahrzeugkosten niedriger aus.

Übersicht der technischen Daten und einiger Lieferdaten der drei neuen Straßenbahnen für Brandenburg, Halle und Würzburg (n.b. = nicht bekannt)

Vier weitere ForCity Plus 48T für Brandenburg

Der 18. Dezember war ein aufregender Morgen für die Verkehrsbetriebe Brandenburg an der Havel GmbH (VBBr) und die Bürger der Stadt. Um ca. 04:00 Uhr rollte der Tieflader auf die Zufahrt zur Magdeburger Straße und brachte die erste neue Straßenbahn vom Typ Škoda ForCity Plus – 48T nach Brandenburg. Nach kurzzeitigen Unstimmigkeiten mit der Genehmigung des Transportweges erreichte das Gespann schließlich immernoch pünktlich um 06:20 Uhr den Abladeort in der Magdeburger Straße. Das Ereignis lockte zahlreiche Schaulustige an, die die Ankunft des modernen Fahrzeugs beobachteten. Um ca. 07:30 Uhr begann die Entladung, begleitet von Oberbürgermeister Steffen Scheller und VBBr-Geschäftsführer Jörg Vogler.

Der erste von der acht neuen Škoda ForCity Plus 48T Niederflurstraßenbahnen traf am 18. Dezember 2024 in Brandenburg/ Havel ein I © VBBr

Um 08:20 Uhr war es schließlich soweit: Die neue Straßenbahn hatte erstmals vollen Kontakt zu den Brandenburger Gleisen. Im Rahmen einer feierlichen Begrüßung verkündete Oberbürgermeister Scheller eine erfreuliche Nachricht: Die Stadt wird weitere 4 Straßenbahnfahrzeuge bestellen und somit insgesamt 8 Straßenbahnen bekommen.

Im Anschluss an die Begrüßung wurde die Straßenbahn durch unseren Betriebsleiter Christian Schiller und Werkstattmeister Patrick Brauer in das Straßenbahndepot in der Upstallstraße überführt. Hier beginnt nun die wichtige Phase der Zulassung und Erprobung. Gleichzeitig wird unser Fahrpersonal in unserer hauseigenen Straßenbahnfahrschule intensiv auf den neuen Fahrzeugtyp geschult.

Die Abladung der Škoda-Tram fand im Morgengrauen statt I © VBBr

Die VBBr rechnen damit, die neue Straßenbahn im Laufe des 2. Quartals 2025 in den Liniendienst zu integrieren. Die acht Fahrzeuge für Brandenburg sind Teil einer Sammelbestellung, die gemeinsam mit den anderen brandenburgischen Verkehrsbetrieben in Cottbus und Frankfurt/ Oder ausgeführt wurde. Das erste Fahrzeug für Cottbus wurde im Juni 2024 vorgestellt. Wir berichteten hier:

Wir hatten hier über die Fertigstellung im Werk berichtet: https://www.urban-transport-magazine.com/vor-der-fertigstellung-die-neuen-strassenbahnen-fuer-frankfurt-oder-brandenburg-cottbus/.

TINA für Halle/ Saale

Am Morgen des 6. Dezember wurde die erste von 56 neuen TINA Straßenbahnen an die HAVAG in Halle/ Saale ausgeliefert und kurz darauf der Öffentlichkeit vorgestellt. Die HAVAG bestellten die neuen Straßenbahnen im August 2022. Wir berichteten hier

Im Beisein von Dr. Lydia Hüskens, Ministerin für Infrastruktur und Digitales Sachsen–Anhalt und Egbert Geier, Aufsichtsratsvorsitzender der HAVAG sowie weiteren Vertretern der HAVAG und Stadt Halle wurde das Fahrzeug kurz darauf der Presse und Öffentlichkeit vorgestellt.

Halle (Saale) investiert 168 Millionen Euro in neue Straßenbahnen: Die Hallesche Verkehrs-AG (HAVAG) hat 56 Fahrzeuge des Typs TINA vom Schweizer Unternehmen Stadler bestellt. TINA steht für „Total integrierter Niederflurantrieb“. Die ersten Fahrzeuge sollen im Sommer 2025 in Halle eintreffen, und ab September 2025 sollen die neuen Tramzüge im regulären Betrieb rollen.

Bei der Abladung der neuen Stadler TINA Tram in Halle/ Saale waren zahlreiche Pressevertreter und Schaulustige anwesend I © Halle.de (Stadt Halle)

Mit der neuen Straßenbahn werden auch neue Maßstäbe in punkto Komfort und Kundennutzen gesetzt. Die hundertprozentig niederflurige Straßenbahn (statt wie bisher 70 Prozent) ist vollständig stufenlos begehbar und dadurch komplett barrierefrei mit breiteren Durchgängen, ganz ohne Querstufen und mit bequemsten Sitzen. Große Panoramafenster sorgen für ein offenes Raumgefühl und einen freien Ausblick.   

Das Design der TINA

Auch von außen besticht TINA durch ein einzigartiges und supermodernes Design, welches vom Fahrzeughersteller für Halle (Saale) weiterentwickelt wurde. Es wurden Zweirichtungsfahrzeuge mit zwei unterschiedlichen Längen bestellt, die je nach Erfordernis eingesetzt werden können. 39 Fahrzeuge des Typs MGT-M werden auf rund 30 Metern Fahrzeuglänge Platz für 167 Fahrgäste, 64 davon auf Sitzplätzen, haben. Der mit 45 Metern längere Fahrzeugtyp MGT-XL wird 17 Mal gebaut und bietet 269 Fahrgästen Platz, davon 96 auf Sitzplätzen. 

Für den Transport wurde die erste TINA Tram in Schutzfolie eingewickelt I © HAVAG

Neu ist der klimatisierte Fahrgastraum. Die moderne Klimaanlage regelt automatisch und energiesparend, entsprechend der Besetzung des Fahrzeuges, als auch entsprechend der Innen- und Außentemperaturen. Im Sommer wie im Winter ist eine angenehme Temperatur im Fahrzeug gewährleistet.

TINA soll auch für mehr Sicherheit im Verkehr und für Fahrgäste sorgen, zum Beispiel mit den modernen LED-Leuchten und dem Türtaster mit Leuchtkranz. Statt Außenspiegel werden Kameras und Monitore genutzt, die mehr Möglichkeiten zur Beobachtung des Ein- und Ausstiegs der Fahrgäste bieten. Innovative Fahrassistenzsysteme helfen zukünftig, Unfälle zu vermeiden. Für einen besseren Halt sind im Deckenbereich beidseitig sowie an den Wagenübergängen zusätzliche Festhaltemöglichkeiten vorgesehen. Für kleinere Fahrgäste werden die Festhaltemöglichkeiten im Deckenbereich in einzelnen Wagenteilen durch zusätzlich angebrachte Halteschlaufen verbessert. Die neuen Bahnen werden also die ÖPNV-Qualität weiter ausbauen sowie die Klimaneutralität und die Mobilitätswende in Halle (Saale) weiter vorantreiben. 

Die Präsentation der neuen TINA Tram kurz nach der Anlieferung I © HAVAG

Auch der Fahrerarbeitsplatz wurde weiterentwickelt. So wurde dieser nach neuesten ergonomischen Erkenntnissen gebaut, die Fahrerkabine ist größer als die bisherige, hat Platz für Lehrfahrpersonal und verfügt über eine separate Einstiegstür. Die klassischen Außenspiegel werden durch ein Kamera-/Monitorsystem ersetzt, was über die Spiegelfunktion hinaus Fahrbedienstete bei der Beobachtung des Fahrgastwechsels viel mehr als bislang unterstützt.

Die neuen Straßenbahnen sollen im gesamten Streckennetz der HAVAG zum Einsatz kommen. Die HAVAG hat zurzeit insgesamt 101 Straßenbahnen auf 14 Linien in der Saalestadt Halle im Einsatz. Im Jahr 2023 beförderte die HAVAG 54 Millionen Fahrgäste, wobei zu erwarten ist, dass im ablaufenden Jahr 2024 diese Zahl nochmals deutlich übertroffen wird. 

Bei der Entwicklung der Anforderungen an die neuen Fahrzeuge war auch der Fahrgastbeirat der HAVAG von Anfang an mit eingebunden und hat die HAVAG dankenswerter Weise hervorragend bei der Herleitung entscheidender Fahrzeugmerkmale aus der Fahrgastperspektive beraten.

GT-F für Würzburg

In der Nacht vom 17. auf den 18. Dezember 2024 ist die erste Straßenbahn der Baureihe GT-F in ihrer neuen Heimat Würzburg angekommen. Mit einem Tieflader wurde sie vom Hersteller Heiterblick in Leipzig nach Würzburg transportiert. Am Heuchelhof wurde das Fahrzeug dann in der Nacht auf die Schiene gesetzt.

Der erste Heiterblick GT-F kurz vor der Auslieferung auf dem Schwerlasttransporter I © Mit freundlicher Unterstützung von www.wuerzburgerleben.de

Die nächtliche Aktion ging planmäßig und ohne Verzögerung über die Bühne. Die neue Straßenbahn wird nun auf Herz und Nieren getestet und für die speziellen Bedürfnisse in Würzburg eingerichtet. Bis sie auf den Würzburger Schienen unterwegs sein wird, dauert es allerdings noch geraume Zeit. Die nächsten Schritte sind die Inbetriebnahmegenehmigung durch die Technische Aufsichtsbehörde sowie der Testbetrieb. Dies dauert ca. 9 bis 15 Monate.

Drehgestelltechnik des GT-F

Die 18 neuen Stadtbahnwagen erhalten die Typbezeichnung GT-F und die Betriebsnummern 215 bis 232. Aufgrund der engen Kurvenradien im Netz entschied man sich für fünfteilige Fahrzeuge mit einer Länge von 36 Metern und einer Breite von 2,40 Metern. Der kleinste Gleisradius beträgt lediglich 17,5 Meter.

In den technischen Daten gibt es kleinere Unterschiede zwischen den Angaben der Würzburger Straßenbahn GmbH (WSB) und des Herstellers Heiterblick: Die Motorleistung wird mit 760 kW (WSB) bzw. 800 kW (Heiterblick) angegeben, das Leergewicht mit ca. 51 t (WSB) bzw. 49,4 t (Heiterblick). Das Platzangebot umfasst laut WSB 74 Sitze, 6 Klappsitze und 140 Stehplätze, während Heiterblick 76 Sitze, 6 Klappsitze und 147 Stehplätze nennt. Die elektrische Ausrüstung stammt von Voith Digital Solutions Austria in St. Pölten, während Heiterblick für den mechanischen Teil inklusive Drehgestelle und Fertigung verantwortlich ist.

Der fünfteilige GT-F weist zwei Drehgestelle an den Wagenenden sowie zwei feste Fahrgestelle auf I © Mit freundlicher Unterstützung von www.wuerzburgerleben.de

Die GT-F werden barrierefrei gestaltet und verfügen über zwei große Sondernutzflächen, die ausreichend Platz für Rollstühle, Kinderwagen und Fahrräder bieten. Allerdings sind sie nicht vollständig niederflurig, da die Drehgestelle unter der ersten und letzten Sektion Teile des Innenraums beanspruchen. Die Fußbodenhöhe variiert daher zwischen 360 mm über Schienenoberkante in den Niederflurbereichen und 660 mm über den Drehgestellen.

Die Auslieferung der ersten neuen GT-F Tram in Würzburg I © WVV

Die Verwendung von Drehgestellen sorgt für ein komfortables Fahrgefühl, insbesondere in Kurven, und reduziert den Verschleiß von Rädern und Schienen. Dies stellt einen Vorteil gegenüber den GT-N-Zügen dar, die auf Drehgestelle verzichten.

Fahrzeugmangel in Würzburg

In Würzburg warten Verkehrsbetriebe und Fahrgäste dringend auf den Einsatz der neuen Bahnen. Die alten Düwag GT-D Straßenbahnen der Baujahre 1967 – 68 und 1975 werden in Würzburg weiterhin eingesetzt, um den aktuellen Fahrzeugengpass zu überbrücken. Ende Oktober 2022 wurde bei einer Straßenbahn der neueren Baureihe GT-N ein technischer Defekt an einer Radschwinge festgestellt. Aus Sicherheitsgründen wurden daraufhin alle Fahrzeuge dieses Typs vorübergehend aus dem Betrieb genommen.

Um den öffentlichen Nahverkehr aufrechtzuerhalten, reaktivierte die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) die betagten GT-D Bahnen. Diese Fahrzeuge wurden ursprünglich nur zu Stoßzeiten eingesetzt, um den Andrang von Fahrgästen, insbesondere Schulkindern, zu bewältigen. Aufgrund des Ausfalls der GT-N Flotte sind die GT-D Bahnen jedoch seit Anfang November 2022 wieder im regulären Betrieb und fahren nach einem angepassten Ersatzfahrplan. Inzwischen kommen die GT-N nach und nach wieder in den Fahrgastbetrieb.

Der Innenraum des neuen GT-F wirkt aufgeräumt und hell I © WVV

Die WVV arbeitet intensiv daran, die technischen Probleme der GT-N Straßenbahnen zu beheben. Bis zur vollständigen Wiederinbetriebnahme dieser moderneren Fahrzeuge bleiben die GT-D Bahnen ein unverzichtbarer Bestandteil des Würzburger Straßenbahnnetzes, um den öffentlichen Verkehr in der Stadt sicherzustellen.

Wir bedanken uns bei www.wuerzburgerleben.de für die freundliche Bereitstellung der Fotos des GT-F.

30.12.2024