Am 15. Juli hat das Eisenbahn-Bundesamt die Genehmigung für die ersten serienmäßigen Wasserstoffzüge von Alstom erteilt, die noch in diesem Sommer in Niedersachsen in Betrieb gehen werden. Alstom hat 14 iLint-Brennstoffzellenzüge an die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) geliefert, die von der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (evb) betrieben werden.
Mit diesem Schritt ist Alstom der erste Schienenfahrzeughersteller weltweit, der eine Wasserstoff-Serienflotte auf den Markt bringt. Es ist die erste Fahrzeugzulassung eines Wasserstofftriebzuges nach dem neuen Rechtsrahmen des 4. europäischen Eisenbahnpakets.
Die Züge werden in Niedersachen im evb Netz eingesetzt und sind im Bremervörde beheimatet, wo durch Linde in der Nähe des Bahnhofs Bremervörde Wasserstofftankstelle im Auftrag der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) errichtet wurde.
Der Vertrag zwischen LNVG und Alstom beinhaltet auch die 30-jährige Instandhaltung und Energieversorgung der Züge. Mit dem Erwerb der Züge können die Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB) ihre alten, mit Diesel betriebenen Züge allmählich aus dem Regelverkehr nehmen.
Die Serienfahrzeuge unterscheiden sich in einigen Aspekten von den beiden iLint Vorserienfahrzeugen, die sich seit 2018 im Probebetrieb befinden. Die iLint Serienfahrzeugen für die evb als auch für Hessen (siehe unten) präsentieren sich nach einem Facelift deutlich moderner: u.a. neue Stirnleuchten und eine neue Fensteraufteilung an den Türen unterscheiden die Serienfahrzeuge von ihren Vorgängern. Neben weiteren Optimierungen konnte darüber hinaus die Reichweite von 800 km auf 1000 km erweitert werden.
Die iLint Story
Von September 2018 bis heute legten die beiden Coradia iLint Vorserienzüge erfolgreich mehr als 200.000 Kilometer im regulären Fahrgastbetrieb zurück. Davon wurden während des 530-Tage dauernden Probebetriebes insgesamt 180.000 km im Weser-Elbe-Netz geleistet. Seit September 2018 waren zwei Vorserienzüge des Modells Coradia iLint des Schienenfahrzeugherstellers Alstom im Fahrgastbetrieb unterwegs.
Entwickelt wurden die innovativen Triebzüge im Rahmen des von September 2013 bis Oktober 2016 laufenden NOW geförderten Entwicklungsprojektes, welches durch Alstom und das DLR-Institut bearbeitet wurde. Durch das Projekt wurde die erforderliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit für die Markteinführung von brennstoffzellenbetriebenen Schienenfahrzeugen vorangetrieben.
Weitere Informationen über die Brennstoffzellentechnologie im Schienenverkehr finden sich hier:
Über den Coradia iLint
Der Coradia iLint ist weltweit der erste Personenzug, der mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird, die elektrische Energie für den Antrieb erzeugt. Dieser gänzlich emissionsfreie Zug ist geräuscharm und gibt lediglich Wasserdampf und Kondenswasser ab. Der Zug zeichnet sich durch zahlreiche Innovationen aus: saubere Energieumwandlung, flexible Energiespeicherung in Batterien sowie intelligentes Management von Antriebskraft und verfügbarer Energie. Gezielt entwickelt für den Einsatz auf nichtelektrifizierten Strecken, ermöglicht er einen sauberen, nachhaltigen Zugbetrieb.
Betrieb ab Dezember 2022 auch in Hessen
Die 100-prozentige DB-Tochter Regionalverkehre Start Deutschland GmbH (start) wird ab 11. Dezember 2022 das Teilnetz Taunus des Rhein-Main- Verkehrsverbunds (RMV) betreiben, auf dem die größte Wasserstoffzug-Flotte der Welt zum Einsatz kommt. Das Unternehmen setzte sich in einer europaweiten Ausschreibung durch und löst die bisherige Betreiberin, die Hessische Landesbahn GmbH, ab. Das Teilnetz Taunus besteht aus den Linien RB11 (Bad Soden – Sulzbach – Frankfurt-Höchst (– Kelkheim)), RB12 (Königstein – Kelkheim – Frankfurt-Höchst – Frankfurt (Main) Hbf), RB15 (Brandoberndorf – Usingen (– Friedrichsdorf – Bad Homburg – Frankfurt Hbf)) sowie RB16 (Friedberg – Friedrichsdorf – Bad Homburg).
Flottenwechsel in Hessen
Die hessische Fahrzeugmanagement Gesellschaft fahma, die dem RMV untersteht, hat die Züge 2019 bestellt und stellt diese dem Betreiberunternehmen start für den Personentransportverkehr ab Dezember 2022 bereit. Die neuen zweiteiligen Triebzüge lösen die dort fahrenden Züge des Typs Lint41/H der fahma ab, die auf einer anderen Strecke weiter eingesetzt werden. Ausgemustert wird hingegen der Zugtyp VT/2E der HLB bzw. des Verkehrsverbands Hochtaunus.
Die fahma hat neben der Beschaffung der Züge auch die sichere Versorgung mit Wasserstoff, die Instandhaltung und das Vorhalten von Reservekapazitäten für die kommenden 25 Jahre beauftragt. Die Versorgung mit Wasserstoff bietet Alstom in Kooperation mit der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG an. Dabei befindet sich die Tankstelle auf dem Gelände des Industrieparks Frankfurt-Höchst.
Die neuen iLint bieten jeweils 160 Sitzplätze je Fahrzeug und damit rund 30 Prozent mehr als heute teilweise eingesetzte Fahrzeuge. In der Hauptverkehrszeit fahren die Züge in Doppeltraktion. Spitzenzüge bieten 320 Sitzplätze.
Die Züge werden mit umfangreichen Fahrgastinformationssystemen, wie Monitoren mit Echtzeitinformationen ausgestattet sein, über Platz für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwagen verfügen und den Fahrgästen während der Fahrt kostenfreies WLAN bieten.
Auch internationale Projekte
Neben den beiden Aufträgen in Deutschland hat Alstom auch in Italien und Frankreich Projekte für Wasserstofftechnologien initiiert.
Der dritte Auftrag kommt aus Italien, wo wir sechs fünfteilige Coradia Stream-Wasserstoffzüge in der Region Lombardei bauen – mit der Option auf acht weitere, während der vierte Auftrag in Frankreich 12 Coradia Polyvalent-Wasserstoffzüge betrifft, die in vier verschiedenen französischen Regionen eingesetzt werden.
Der Coradia Polyvalent, der in zwei Betriebsarten betrieben wird, erfüllt die Anforderungen des vielfältigen französischen Schienennetzes und hat eine Autonomie von bis zu 600 km auf nicht elektrifizierten Streckenabschnitten. Dieser vierteilige, 72 m lange Zug verfügt über eine Gesamtkapazität von 218 Sitzplätzen und bietet die gleiche Dynamik und den gleichen Komfort wie die bivalente Elektro-Diesel-Version.
Gleichzeitig setzt Alstom die Einführung des iLint in verschiedenen Ländern fort: Er wurde bereits in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Schweden, Frankreich, Polen und der Tschechischen Republik erfolgreich getestet.
Französischer Fußabdruck
Frankreich spielt eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Wasserstoffmobilitätslösungen. Die Triebfahrzeuge werden in Alstoms globalem Kompetenzzentrum für umweltfreundliche Antriebe in Tarbes (im Südwesten Frankreichs) entwickelt und hergestellt. Die jüngste Übernahme von Helion Hydrogen Power mit Sitz in Aix-en-Provence (Südfrankreich), die die gesamte Wertschöpfungskette von Hochleistungsbrennstoffzellen abdeckt, zeigt das Engagement von Alstom für den Aufbau eines Wasserstoffkompetenzzentrums in Frankreich. Diese neue Einheit wird sich an der Entwicklung von sehr leistungsstarken Wasserstofflösungen für die schwere Mobilität, insbesondere für den Schienenverkehr, beteiligen.
Ein Test des Coradia iLint-Zuges auf dem französischen Schienennetz wird im Jahr 2022 auf der Strecke Tours-Loches, einer kleinen Nahverkehrslinie in der Region Centre-Val de Loire, stattfinden.
17.07.2022