In den USA fand in den vergangenen drei Jahrzehnten eine bemerkenswerte Renaissance des städtischen Schienennahverkehrs statt. Nachdem es sich dabei anfangs vor allem um aufwändig trassierte Stadtbahnsysteme mit vergleichsweise großen Stationsabständen handelte, kamen inzwischen auch etliche Anlagen dazu, die sich eher an europäischen Vorbildern von Niederflur-Straßenbahnsystemen orientieren. Sie werden in den USA gern als „Streetcar“ bezeichnet und fahren häufig zum größeren Teil straßenbündig in enger bebauten Stadtgebieten. Die Haltestellen folgen hier in dichteren Abständen, und neben Oldtimer- und/oder Replica-Wagen an einigen Orten kommen hier zumeist modernen Niederflurtrams zum Einsatz.
Die jüngste solche Bahn fährt seit dem heutigen 20. Mai 2022 in Tempe im Bundesstaat Arizona. Sie erschließt das Zentrum und erfüllt auch sonst den gerade erwähnte Kriterienkatalog Für solche Systeme recht gut. Bemerkenswert ist Umsteigemöglichkeit auf die Stadtbahn „Valley Metro Rail“ aus Phoenix, die Tempe seit 2009 durchfährt und die nach verschiedenen Erweiterungen inzwischen auf fast 42 km Länge angewachsen ist. Weitere Verlängerungen sind geplant und im Bau, dafür wurde die Flotte durch die ersten Siemens-Niederflur-Wagen im vergangenen Jahr aufgestockt – wir berichteten hier:
https://www.urban-transport-magazine.com/weitere-14-stadtbahnen-von-siemens-fuer-phoenix/https://www.urban-transport-magazine.com/en/another-14-light-rail-vehicles-for-phoenix/
Die neue Streetcar Linie in Tempe nimmt sich dagegen mit gerade einmal 4,8 km Länge recht bescheiden aus, hat aber natürlich auch eine andere Funktion, nämlich die der Feinerschließung des durchfahrenen Gebietes. Pro Richtung bedient sie entsprechend jeweils 10 Haltestellen. Ein Teil der Strecke wird fahrleitungslos betrieben, die sechs Gelenktriebwagen haben entsprechend leistungsfähige Lithium-Ionen-Traktionsbatterien an Bord. Brookville Corp. lieferte die Wagen seit Februar 2021 nach Tempe aus, Testfahrten laufen schon seit einigen Monaten über die Strecke. Die Wagen sind dreiteilig mit jeweils zwei Türen nur im Mittelteil und bieten bei gut 20 Meter Gesamtlänge bis zu 125 Fahrgästen Platz. Ihre Modellbezeichnung lautet Liberty NXL. USD 33 Mio. wurden für die sechs Züge ausgegeben, bei einem Gesamtbudget von USD 201 Mio. für die Linie einschließlich der Infrastruktur, Depoteinrichtungen und den Fahrzeugen. Die Mittel stammen aus Bundes- und regionalen Fördermitteln sowie aus einem PPP Finanzierungsmodell.
Wie die Stadtbahn Phoenix wird auch das System in Tempe von der Valley Metro Rail betrieben. Alle 15-20 Minuten fahren die Bahnen – eine noch recht bescheidene Frequenz, die gerade auf kurzer Strecke nicht in allen Fällen zur Mitfahrt einlädt. Hier ist also noch Potential erkennbar. Sehr erfreulich für die Fahrgäste ist dagegen die kostenfreie Mitfahrt, die vorerst das ganze erste Betriebsjahr angeboten werden soll.
Bei guter Akzeptanz der neuen Streetcar-Linie ist der Ausbau in mehrere Richtungen bereits in Vorbereitung. Wünschen wir ihr gutes Gelingen!
Ein Übersichtsplan über die Metro Valley im Großraum Phoenix findet sich unter:
https://www.urbanrail.net/am/phoenix/phoenix.htm
