
Der Straßenbahnbetrieb in der serbischen Hauptstadt Belgrad ist seit langem dringend erneuerungsbedürftig – Maßnahmen dazu sind seit mehreren Jahren im Gang. Die Beschaffung von 25 Neuwagen des türkischen Herstellers Bozankaya ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung – der erste davon traf nun, am 29. Mai 2025, in Belgrad ein. Die Wagen sind zu 80% niederflurig und 30,5 Meter lang, den bis zu 218 Fahrgästen pro Fahrzeug stehen sechs Türen für den bequemen Zugang und insgesamt 48 Sitzplätze zur Verfügung. Die meterspurigen Fahrzeuge sind Einrichtungswagen wie alle Belgrader Straßenbahnwagen.
Der Straßenbahnbetrieb heute
Der Fahrzeugpark der Verkehrsbetriebe GSP setzt sich aktuell überwiegend aus rund 100 Tatra KT4 YU Kurzgelenkwagen zusammen, die häufig als Einzelwagen fahren und nach 28 bis 44 Jahren harten Dauerbetriebs weitgehend verbraucht sind. Dazu kommen montags-freitags in der Regel etwa 10-15 der 2001-2016 aus Basel übernommenen Düwag- und Schindler- Gelenkwagen, die zum Teil mit vierachsigen Beiwagen ex Basel behängt sind. Sie alle sind noch etliche Jahre älter als die Tatras, und trotz langjähriger sehr guter Pflege in der Schweiz sind auch sie inzwischen definitiv dem Ende ihrer sinnvollen Lebensdauer schon ziemlich nah. 30 fünfteilige CAF Urbos III Niederflurzüge aus den Jahren 2011-12 zeigen sich ebenfalls nicht mehr im allerbesten Pflegezustand und kommen auch nur in recht kleiner Zahl tatsächlich zum Einsatz.



Der Übernahme weiterer, neuerer Gebrauchtwagen vom Typ Be 4/6 aus Basel war noch bis vor Kurzem geplant, doch im Hinblick auf die EXPO 2027 lehnte Belgrad schließlich ab und schrieb weitere 100 Neuwagen aus. Sie sollen als rund 20 Meter lange Zweiteiler für 95 Fahrgäste mit 30 Sitzplätzen auch in Doppeltraktion fahren können, ganz so wie heute die KT4 YU. Das Ergebnis der Ausschreibung steht noch aus.
Die Infrastruktur
Die Erneuerung der Infrastruktur hat an verschiedenen Stellen begonnen, aber auch hier bleibt noch sehr viel zu tun. Die schlechte Gleislage gerade in der Innenstadt, dazu das Fehlen jeglicher Ampelbevorrechtigung und der starke Individualverkehr reduzieren die tatsächliche Reisegeschwindigkeit.


Die lange Außenstrecke nach Knezevac ist seit mehreren Jahren außer Betrieb, die Fahrleitung fehlt weitgehend – eine Wiederinbetriebnahme bleibt damit vorerst fraglich. Die einzige Verbindung über den Fluss Save in die ausgedehnten Wohngebiete Novi Beograds stellt seit 2024 die Brücke Most na Ada südwestlich vom Stadtzentrum dar. Über diese neue Brücke ging 2019 die seit Jahrzehnten erste Neubaustrecke in Betrieb, nicht zuletzt im Vorgriff auf den Abriss der alten, schmalen Stari savski most näher am Stadtzentrum. Änderungen im Straßenbahnnetz sind in einige Jahren u.a. durch den Bau der ersten beiden Metrolinien zu erwarten, dessen Vorarbeiten inzwischen begonnen haben. Dennoch existieren recht weitreichende Pläne für diverse Neubaustrecken der Tram, so soll u.a. auch eine zentrale Altstadtachse über den Trg Republicke (wieder) entstehen. Hier hatten Obusse einst die Bahnen ersetzt.

Das weitere Schicksal der Trolleybusse
Der Trolleybusbetrieb sollte nach Beschlüssen der Stadtverwaltung vom Herbst 2024 ursprünglich komplett eingestellt werden, doch regte sich dagegen erheblicher Widerstand, im Februar 2025 kam es sogar zu Demonstrationen mit Straßensperrungen. Obwohl das Fahrleitungsnetz in gutem Zustand ist, bleibt viel zu tun: Die Fahrzeuge müssen dringend erneuert werden, besteht der Fuhrpark doch aktuell aus rund 70 Zweiachsern, die vom weissrussischen Hersteller Belkommunmash (BKM) in Trachen 2004 und 2010/11 geliefert worden waren. Dazu kommen einige wenige Gelenkwagen des gleichen Herstellers, von denen werkstags meist 3-4 zum Einsatz kommen. Die Erfahrung mit den BKM-Obussen ist in Belgrad nicht besonders gut, dennoch wurden einige Wagen jüngst einer gründlichen Überholung unterzogen. Eine Ausschreibung über Neuwagen blieb vor rund einem Jahr ohne Ergebnis.



Die intensivere Nutzung der Infastruktur durch den künftigen Betrieb von Batterie-Trolleybussen mit leistungsstarken Traktionsbatterien ist ganz gewiss eine sinnvolle Option. Sie können im Batteriemodus Teilstrecken ohne Fahrleitung befahren und bei anschließender Fahrt und Oberleitung ihre Batterien ohne Zeitverlust wieder aufladen. Die Batterien können damit auch kleiner dimensioniert sein als bei reinen Batteriebussen, von denen GSP inzwischen einige kleinere Serien im Einsatz hat – geliefert von den Fabrikanten Higer und Otokar. Ein Umdenken in der Stadtverwaltung in Richtung eines langfristigen Erhalts und Ausbaus des Trolleybusbetriebs in moderner Form ist in jedem Fall zu empfehlen.

Aktuell wird aufgrund von Bauarbeiten im Zentrum nur die Linie 40 von Obussen in dichtem Takt befahren, die übrigen sechs Linien werden nach Bauabschluss und Erneuerung der Fahrleitung wieder elektrisch betrieben werden.
Gratisfahrt
Belgrad führte zum 1. Januar 2025 die Gratisfahrt in allen öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt ein. Die beabsichtigte Steigerung der Fahrgastzahlen, mit dem Effekt einer Entlastung der überlasteten Straßen vom Individualverkehr, traf jedoch nur in überschaubarem Maße ein, waren die Busse und Bahnen doch auch schon vorher sehr gut ausgelastet und Überfüllungen nicht selten. Zudem wurde der Takt außerhalb der Hauptverkehrszeiten auf zahlreichen Linien ausgedünnt, nicht zuletzt, um die fehlenden Tarifeinnahmen zumindest teilweise auszugleichen. Der Erfolg der Maßnahme „Gratis-ÖPNV für alle“ trifft deshalb – kaum verwunderlich – nicht überall auf Gegenliebe.
