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Berlin: Neubaustrecke Adlershof II in Betrieb genommen

Das Eröffnungsband wurde durch Dr. Rolf Erfurt, Vorstand Betrieb der BVG, Regine Günther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und Eva Kreienkamp, Vorstandsvorsitzende der BVG durchschnitten I © UTM

Berlins Straßenbahnnetz ist um 2,7 Kilometer gewachsen. Am Samstag, 30. Oktober 2021 eröffneten das Land Berlin und die BVG gemeinsam die neue Straßenbahnstrecke zwischen der Karl-Ziegler-Straße und dem S-Bahnhof Schöneweide. Nach einer Eröffnungsveranstaltungen mit geladenen Gästen der BVG, dem Berliner Senat, dem VBB sowie den beteiligten Baufirmen, begann um kurz nach 11 Uhr die Jungfernfahrt mit vier GT6N Niederflurstraßenbahnen.

Ab dem frühen Nachmittag konnten alle Fahrgäste den neuen Streckenabschnitt mit den Linien M17 und 63 befahren. Es kamen mehrere historischen Tatra Triebwagen zum Einsatz, die zwischen Schöneweide, Adlershof und dem Straßenbahnbetriebshof Köpenick einen Rundkurs befuhren.

Die beiden Eröffnungszüge auf dem Groß-Berliner Damm – man beachte das Rasengleis und die Bepflanzung I © UTM

Bau in Rekordzeit

Gerade einmal 17 Monate dauerte der Bau der 2,7 km langen Strecke, die die bisherige Endschleife Karl-Ziegler-Straße in Adlershof mit dem S-Bahnhof Schöneweide verbindet. Nach dem ersten Spatenstich am 18. Mai 2020 ging es Schlag auf Schlag. Wir berichteten hier:

Bereits im Herbst 2020 lagen die ersten Gleise. Die ersten Test- und Abnahmefahrten begannen im Sommer 2021. Begünstigt wurde die kurze Bauzeit von der Tatsache, dass kaum neue Versorgungsleitungen verlegt werden mussten. Im Zuge des Groß-Berliner Damms wird die Trasse auf einem Grünstreifen bereits seit Jahren freigehalten.

Die durchgehend auf eigenem Bahnkörper und mit Rasengleis versehene Neubaustrecke Adlershof II, wie sie von den Fachleuten genannt wird, führt durch teilweise unbebautes, teilweise bereits durch Gewerbe und Wohnhäuser bebautes Gebiet. Das Oktogon genannte Viertel liegt teilweise auf dem alten Flugplatz Johannistal, auf dem 1909 der erste Berliner Motorflugplatz eröffnet wurde. Die fliegerische Nutzung endete in den 1950er Jahren. Mit der Benennung der Haltestellen nach den Flugpionieren Benno König und Gerhard Sedlmayer sowie der Landfliegerstraße wird der hier der Berliner Luftfahrtgeschichte gedacht.

Rund 12.000 Fahrgäste werden täglich auf dem neuen Teilstück erwartet. Um die nötige Kapazität zu schaffen, verstärkt die BVG die Linie M17 mit vier zusätzlichen Fahrzeugen. Zwei weitere Züge kommen für die Linie 61 hinzu. Insgesamt werden auf der Neubaustrecke jährlich rund 464.000 Nutzzugkilometer zusätzlich gefahren. Im Bereich des Groß-Berliner Damms wird das Kapazitätsangebot an Sitzplätzen um das 7-fache steigen.

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Die neue Strecke verlängert die Linie M17 vom S-Bahnhof Schöneweide über den Groß-Berliner Damm zum S-Bahnhof Adlershof. Die Linie 61 wird in entgegengesetzter Richtung von ihrer bisherigen Endhaltestelle in der Karl-Ziegler-Straße zum Sterndamm am S-Bahnhof Schöneweide verlängert, die Linie 63 endet bereits am Landschaftspark Johannisthal. Hier wurde zwischen den beiden Richtungsgleisen ein Kehrgleis eingerichtet, welches aus beiden Richtungen befahren werden kann. In Zukunft wird es auf dem neuen Abschnitt neun Fahrten pro Stunde und Richtung geben.

Fünf neue barrierefreie Haltestellenpaare mit Blindenleitsystem, DAISY-Anzeigern und Wetterschutz sind in einem durchschnittlichen Abstand von 450 Metern entlang der Trasse entstanden. Insgesamt wurden für die neue Strecke 5700 Meter Gleise verlegt. Ein neugebautes Gleichrichterwerk mit Umrichtern von Siemens und einem Trafo der Firma SGB sorgt für die nötige Energie und schickt den umgewandelten Strom durch 15.200 Meter Bahnstromkabel und 7400 Meter Fahrleitungsdraht, der an 86 neuen Masten befestigt ist. Die Oberleitung lieferte der Schweizer Oberleitungsspezialist Firma Furrer+Frey, der zufällig an der Neubaustrecke am Groß-Berliner Damm mit einen Produktions- und Wartungsstandort ansässig ist.

Die Kosten für den Bau der neuen Strecke belaufen sich auf insgesamt rund 40 Millionen Euro. Am Eröffnungstag wurde explizit darauf hingewiesen, dass der Kostenrahmen eingehalten wurde.

Umweltschutz an erster Stelle

Das Vorhaben „Straßenbahn-Neubaustrecke Adlershof II“ (Projektlaufzeit: 11/2015 bis 06/2022) wird im Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung (BENE) gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und des Landes Berlin (Förderkennzeichen 1065-B4-T).

Hervorzuheben ist die in vielerlei Hinsicht hohe Komplexität der neuen Strecke. Neben dem Umbau der großen Gleis- und Straßenkreuzung Sterndamm/ Südostalle/ Groß-Berliner Damm, die in 16 Bauphasen umgesetzt wurde, wurde die Baustelle über den gesamten Zeitraum mit einem Lärm- und Vibrationsmonitoring versehen. Ziel war, die Geräuschemissionen und Erschütterungen während der Bauzeit zu messen und möglichst einzudämmen, um die Belastung der Anwohner während der Bauzeit möglichst zu minimieren. Es wurde für unlösbare Fälle ein Beschwerdemanagementsystem eingeführt, welchen die Kompensation für die Anwohner vorsieht.

Auch für die Neubaustrecke gelten zahlreiche Auflagen, die dem Umwelt- und Lärmschutz dienen. Der im Februar 2020 erteilte Planfeststellungsbeschluss beinhaltete einige baulichen Auflagen, die größtenteils dem Umweltschutz dienen. Da die Trasse durch ein Wasserschutz- und Wohngebiet verläuft, wurde auf die Themen Wassers- und Lärmschutz besonderen Wert gelegt. Das Rasengleis ist mit einer STRAILastic Einkapselung ausgestattet. Die gesamte schiene wird eingekapselt, wodurch der primäre Luftschall erheblich reduziert wird. Das gesamte Gleis liegt darüber hinaus auf einer Unterschottermatte, um Lärm und Vibrationen zu absorbieren. In den wenigen Bögen wurden Schienenkopfkonditionierungsanlagen installiert – eine Premiere für Berlin. Die Innenseite des Schienenkopfes wird mit einem synthetischen Öl beschmiert, um dem Schienenquietschen entgegenzuwirken. Da das System auf der Adlershof II Neubaustrecke in Berlin zum ersten Mal zum Einsatz kam, musste es zunächst durch die Technische Aufsichtsbehörde zugelassen werden. Am Eröffnungstag, dem 30. Oktober, war das System noch nicht im Einsatz, da die BVG nach zwei Wochen Betrieb zunächst die Schienenrauheit bestimmen und anschließend das System kalibrieren möchte.

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Darüber hinaus gelten für die Neubaustrecke neue Vorgaben für die Abführung von Regenwasser. Einerseits soll bei Regen nicht das gesamte Wasser in die Kläranlagen geleitet werden, sondern auch dort genutzt werden, wo er fällt – zum Beispiel für die Pflanzen. Darüber hinaus geht es darum, bei Starkregen, wie er aufgrund des Klimawandels häufiger zu beobachten ist, Überschwemmungen zu verhindern. In diesem Zusammenhang wird unter der neuen Straßenbahn- und Busendhaltestelle in Schöneweide ein 500 m³ großes Regenwasser-Rückhaltebecken geplant.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Neubaustrecke in Bezug auf die verkehrlichen und städtebaulichen Aspekte sehr gut in das Gebiet integriert wurde. Neben der nahezu durchgängigen Rasengleis wurde die Strecke u.a. durch Bäume begrünt.

Es ist davon auszugehen, dass das Areal rund um den Standort Adlershof und Johannesthal in den kommenden Jahren größtenteils bebaut wird. In dem Gebiet befinden sich heute noch einige Industriebrachen, Grünflächen, aber auch schon moderne Wohn- und Bürogebäude. Aber es wird auch grün bleiben: Das Umfeld der Haltestelle „Landschaftspark Johannesthal“ ist heute schon ein Landschaftsschutzgebiet und wird somit auch weiterhin den Anwohnern und hier arbeitenden Menschen für die Erholung zur Verfügung stehen.

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Die nächsten Baumaßnahmen

Während Adlershof nunmehr mit der Straßenbahnstrecke gut angeschlossen ist, bereitet sich die BVG auf die nächsten neuen Großprojekte vor. Im August 2022 wurde der erste Spatenstich der Straßenbahnneubaustrecke vom Hauptbahnhof zur Turmstraße gefeiert. Wir berichteten hier:

Die Eröffnung ist für das erste Halbjahr 2022 geplant. Am nördlichen Ende der jetzt eröffneten Neubaustrecke in Adlershof II steht die nächste Baustelle im kommenden Jahr an. Im ersten Halbjahr 2022, voraussichtlich schon im März 2022, beginnt der Umbau der Endstelle Schöneweide. Während der S-Bahnhof bereits seit dem Jahr 2020 erneuert wird, soll die gesamte Straßenbahn- und Buswendeanlage umgestaltet werden. Insbesondere die Straßenbahnschleife soll die Befahrung aus beiden Richtungen ermöglichen und es wird das Regenwasserrückhaltebecken gebaut (siehe oben).

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Ein Straßenbahnfest in Köpenick

Parallel zur Einweihung der Straßenbahnneubaustrecke fand am 30. Oktober im historischen Straßenbahnbetriebshof Köpenick ein Fest statt. Neben Tatra Sonderfahrten, die über die Neubaustrecke nach Adlershof führten, wurde vom Denkmalpflege-Verein Nahverkehr Berlin e.V. Fahrten mit historischen Fahrzeugen durch die Köpenicker Altstadt angeboten. Darüber hinaus konnte mit Voranmeldung das 1:1 Mockup der neuen Flexity Straßenbahn für Berlin besichtigt werden. Dieses war seit August im Betriebshof Weißensee ausgestellt und werde erst vor wenigen Wochen nach Köpenick überführt. Es dient der technischen Designabstimmung zwischen BVG und Hersteller Alstom (ehemals Bombardier). Neben der neuen Fahrzeugfront fallen im Vergleich zur Flexity Bestandsflotte zahlreiche Neuerungen ins Auge:

  • 900 mm breiter Mittelgang, der dank einer neuen Fahrgestellentwicklung ermöglicht wird
  • Keine seitlichen Rampen über den Fahrgestellen
  • Neue beleuchtete Innenraumdecke mit tageslichtabhängiger Beleuchtung
  • Neues Sitzdesign und komfortablere Sitze und vergrößerte Sitzabstände
  • Die Fensterteilung ist so ausgeführt, dass man nicht mehr vor einer Fensterstrebe sitzt
  • Ersatz der Spiegel durch Außenkameras
  • Verbesserte Ergonomie im Führerraum

Mit der Auslieferung des ersten neunteiligen Flexity’s wird im zweiten Quartal 2023 gerechnet. Anschließend werden alle bis zu 177 weiteren Fahrzeuge geliefert. Wir berichteten hier:

01.11.2021