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Biomethan als Alternative: 23 neue Mercedes-Benz Citaro für den Stadtbus Euskirchen

Biomethan-Bus 377 bei der Präsentation am 28. Oktober vor dem Bahnhof | © Christian Marquordt

Zur Geschichte des Stadtverkehrs in Euskirchen

Wir schreiben den 03. Juni 1996. In der nordrhein-westfälischen Kreisstadt Euskirchen mit 55.000 Einwohnern, die westlich von Bonn und Köln liegt, eröffnet die Stadt ihr Stadtbussystem unter dem Namen „Stadtverkehr Euskirchen (SVE)“. Gründungs-Geschäftsführer ist der Diplom-Geograph Thomas Mager.

Tatsächlich war Euskirchen aber bis zum 03. Juni 1996 denn doch nicht ganz ohne städtischen Busverkehr. In bescheidenem Umfang war die Euskirchener Privatfirma Laschke hier unterwegs. Laschke bot allerdings montags bis freitags nur sechs Fahrten täglich und samstags gar nur drei. Übrigens war Laschke nicht der erste, der in Euskirchen Stadtbus fuhr – zuvor war hier Firma Heinrichs tätig. Mit in etwa demselben Fahrtenangebot, das auch Firma Laschke geboten hat. Weshalb die städtische SVE heute kommentiert, das Angebot der privaten Betreiber sei alles andere als attraktiv gewesen.

Der heutige „Stadtverkehr Euskirchen“ geht zurück auf einen Beschluss des Stadtrats von Anfang 1995, dass ein Grobkonzept für einen Stadtbus entwickelt werden solle. In Detmold sah man sich an, wie – und vor allem dass – ein solches Stadtbussystem funktioniert.

Als Organisationsform für den Stadtbus entschied man sich für eine privatrechtlich organisierte „Managementgesellschaft“ (GmbH), die den Stadtverkehr koordiniert und finanziert. (Übrigens ist die Stadtverkehrsgesellschaft auch zuständig für die Parkraumbewirtschaftung und den Betrieb von Parkhäusern.) Die „Stadtverkehr Euskirchen GmbH“ wurde im November 1995 gegründet, sie gehört zu 100 % der Stadt. Sie wurde Betriebsführer des zukünftigen Stadtbusnetzes, während der bisherige Betreiber der Stadtlinie, Firma Laschke, damit betraut wurde, die Fahrleistungen im Netz zu erbringen. (Das sollte Laschke auch dafür entschädigen, dass er auf seine Rechte am Stadtverkehr zugunsten der SVE verzichtete.)

Zwei Linien zum Betriebsbeginn

Das neue Stadtbusnetz sollte vor allem folgenden Zielen dienen:

  • Erschließung der Kernstadt in Bereichen, in die die Überlandlinien nicht kamen
  • Anbindung der Fußgängerzone möglichst umsteigefrei
  • zentrale Umsteigehaltestelle in der Innenstadt – wurde mit einem Busbahnhof am DB-Bahnhof geschaffen
  • möglichst keine Parallelverkehre mit bestehenden Linien des Regionalverkehrs 

Der Stadtbus unter städtischer Regie begann mit den Linien 871 und 872 (im Verkehrsverbund Rhein-Sieg VRS).

  • Linie 871: Marienhospital – Eifelring – Bahnhof – Charleviller Platz – Eupener Straße
  • Linie 872: Pappelallee – Rüdesheimer Ring – Bahnhof – Erftstadion – Nordstadt. 

Damit verkehrten beide Linien „nur“ in der „Kernstadt“. Die im Laufe der Zeit eingemeindeten Vororte waren vorerst weiterhin auf die Umlandlinien der Regionalverkehr Köln angewiesen, die durch diese Orte kamen, denn Parallelverkehre zu den Regionalbuslinien sollten ja vermieden werden. 

Mercedes-Benz O 408 von Firma Laschke im Outfit des SVE Euskirchen | © Christian Marquordt
Neoplan N 4011 der Firma Laschke | © Christian Marquordt

Laschke musste für seinen Einsatz auf den beiden neuen Stadtbuslinien Niederflur-Midibusse beschaffen, und zwar fünf Wagen vom Typ Neoplan N 4011 (der zu der Zeit schon in anderen derartigen Stadtbussystemen .in Nordrhein-Westfalen, so zum Beispiel im benachbarten Hürth, eingesetzt wurde). Für den Stadtbus Euskirchen wurde eine blau/gelbe „Corporate identity“ kreiert.  Für den planmäßigen Verkehr auf den beiden Linien wurden vier Busse benöltigt, der fünfte war Reservewagen. Die beiden Stadtbuslinien verkehrten im 15-Minuten-Takt, alle vier eingesetzten Wagen trafen sich zum „Rendezvous“ am Bahnhof. Zugleich hatten sie hier alle halbe Stunde Anschluss an die Züge aus und nach Bonn, Köln und Trier, die sich ihrerseits im Euskirchener Bahnhof trafen (und treffen) – und stündlich an einen Zug aus und nach Bad Münstereifel.

Im Oktober 1996 wurde das Stadtbusangebot geringfügig erweitert: das neu eröffnete Kinocenter „Galleria“ am Westrand der Fußgängerzone wurde in die Bedienung beider Linien einbezogen.

1997: auch die eingemeindeten Orte am Stadtbusnetz

Ab Herbst 1997 wurden auch die größeren eingemeindeten Orte in das Stadtbusangebot einbezogen. Es kamen dazu die Linien

  • 873: Bahnhof – Roitzheim – Stotzheim – Niederkastenholz – Flamersheim (hier hätten die Stadtbusse bis zum 31. Dezember 1981 noch Busse der Bonner Linie 45 treffen können, seither eine Linie der RVK)
  • 874: Bahnhof – Kuchenheim – Palmershein – Flamersheim – Kirchheim – Steinbach-Talsperre
  • 875: Bahnhof – Appelsgarten – Kleinbüllesheim – Großbüllesheim                  

Und weil auf den Verbindungen in diese Orte bislang ausschließlich die Regionalverkehr Köln (mit ihren Überlandlinien) gefahren war, erhielt jetzt die RVK den Auftrag, diese neuen Linien zu bedienen. Auch sie stellte für den Stadtbus Euskirchen eine Reihe von Neoplan N 4011 im Euskirchener blau / gelb in Dienst (ein Typ, den die RVK sonst nur für den Stadtbus Hürth hatte, der aber bei derartigen Stadtbussystemen in Nordrhein-Westfalen beliebt war, so zum Beispiel auch in Dormagen zwischen Köln und Neuss).

Neoplan N 4011 der RVK | © Christian Marquordt

Die neuen Stadtbuslinien schlossen auch Bereiche an das Netz an, an denen der öffentliche Personen-Nahverkehr bislang einfach vorbeigefahren war, so das Gewerbegebiet an der Roitzheimer Straße und das Neubaugebiet Appelsgarten. Sie verkehrten zunächst im Halbstundentakt und erschienen am Bahnhof immer zu den Anschlüssen an die Züge der DB.

Im August 1998 kam als weitere Linie die 876 dazu. Sie verkehrte vom Stadtteil Kuchenheim in die Stadtteile Weidesheim und Dom-Esch und bediente damit Bereiche der Stadt, durch die die Eisenbahn zwar fährt, ohne hier aber eine Station zu haben. Setzten Laschke und RVK bislang 15 Busse im Stadtverkehr Euskirchen ein, so kamen jetzt sechs weitere Wagen dazu. Im August 1999 übernahm die SVE auch die Bedienung der bislang von der Stadt selber mit 14 Bussen betriebenen freigestellten Schulbusverkehre, die als Linien 861 bis 866 in das ganz normale Liniennetz integriert wurden. Bediente der SVE mit seinen beiden ersten Linien 871 und 872 noch „nur“ 94 Haltestellen in der Stadt, so sind daraus heute 230 Haltestellen geworden.

2001 gab es erstmals einen Neuzugang zur Euskirchener Stadtbusflotte. Ein einzelner dreitüriger Neoplan N 4416 Centroliner wurde in Dienst gestellt. Zum 1. August 2008 gab es dann einen großen Austausch von Bussen: die RVK stellte für den SVE 17 Mercedes Citaro in Dienst, natürlich wieder im Euskirchener blau/gelb: für die Linien 871 und 872 kurze Wagen vom Typ „Citaro K“, für die übrigen Linien „ausgewachsene“ 12-Meter-Citaro. Auch ein einzelner MAN Lion’s City der RVK wurde auf die Euskirchener Farben umlackiert.

Mercedes Citaro K für die Linien 871 und 872, RVK-Wagen 311 | © Christian Marquordt
„Großer“ Citaro der RVK an der Endhaltestelle Steinbach-Talsperre | © Christian Marquordt
Der einzige MAN der RVK im Euskirchener Stadtbus-Look | © Christian Marquordt

Dass man inzwischen größere Busse brauchte, mag zeigen, dass der Stadtbus Euskirchen eine Erfolgsgeschichte war und ist. (Zugleich ist Firma Laschke aus der Bedienung der Linien 871 bis (heute) 878 ausgeschieden, hier sind nur noch Busse der Regionalverkehr Köln unterwegs – wobei Euskirchens SVE mit 12,5 % an der RVK beteiligt ist.  

Die Stadt Euskirchen vergab und vergibt ihren Stadtbusverkehr im Wege der „In-House-Vergabe“ an ihre eigene „Stadtverkehr Euskirchen GmbH“. Das wurde mit Klage vom 8. Oktober 2016 rechtlich angegriffen, und der Prozess zog sich „in die Länge“. Erst nach dreieinhalb Jahren entschied am 19. Februar 2020 das Oberlandesgericht Düsseldorf rechtskräftig, dass die Direktvergabe der Stadt Euskirchen an ihre Stadtverkehrstochter zulässig ist.

So viel also zur Geschichte des Stadtbusses in Euskirchen.

28. Oktober 2021: Biomethan-Busse für den SVE                           

Unterdessen war man der Meinung, dass die Citaro des Jahrgangs 2008 alt genug seien, um durch neue Wagen ersetzt zu werden. Aufgrund der Ausschreibung entschied man sich wiederum für Citaro aus dem Haus Mercedes, und zwar 23 Wagen, dieses Mal allerdings ausschließlich in der Länge von 12 Metern. Vorbei also die Zeiten mit „kurzen“ Wagen auf den Linien 871 und 872. „Auch auf diesen Linien“, so der Geschäftsführer des SVE, „kommen große Busse auf den Straßen durch.“ Und ist es nicht gut, dass heute auch auf diesen Linien „kleine“ Busse nicht mehr ausreichen?

Die neuen Busse zeichnen sich durch einen bislang noch ungewöhnlichen alternativen Gas-Antrieb aus: sie fahren mit dem Kraftstoff Biomethan. „Biomethan,“ so der damalige Geschäftsführer Eugen Puderbach der RVK gegenüber dem Verfasser, „ist ein idealer Kraftstoff für Regionen, die stark durch Landwirtschaft geprägt sind. Denn Biomethan entsteht, indem Biomasse aus der Landwirtschaft in dieses Gas vergoren wird.“ Ein Kraftstoff also, der in der Natur vorhanden ist, auf dessen Nutzung man bisher aber verzichtet hat. (Schon seit 2017 setzt die RVK Biomethan-Busse auf ihrer Linie SB 81 vom Bahnhof Kall zur Burg Vogelsang im Nationalpark Eifel ein, man ist mit der Technik also vertraut.)

Man mag sich fragen, ob Biomethan angesichts des Klimawandels ein geeigneter alternativer Kraftstoff ist. Hören wir nicht gerade vom Klimagipfel in Glasgow, dass Methan ein problematischer Stoff ist? Allerdings: die Kühe, die das Methan produzieren, sind nun einmal da – und werden für die Produktion unserer Milch auch gebraucht. Man kann deren Methan einfach ungenutzt in die Luft entweichen lassen, oder man nutzt es, um damit Busse anzutreiben – und nebenbei einen Teil des Methans durch Verbrennung zu entsorgen. 

Biomethan-Bus 377 vor dem Bahnhof | © Christian Marquordt

Biomethan-Citaro Euskirchen: Technische Daten

  • Länge:  12.135 mm
  • Breite:  2.550 mm
  • Höhe:   3.450 mm
  • Fahrgastkapazität: 105 Fahrgäste; davon: 31 Sitzplätze, 74 Stehplätze
  • 2 Klappsitze für „Mutter und Kind“, auch als Anlehnfläche für Rollstuhlfahrer
  • 3 Einzel-Klappsitze
  • 3 Rollstuhlpätze, davon einer für Elektro-Rollstühle (sofern für Mitnahme im Bus zugelassen)
  • Klapprampe an der Mitteltür
  • kontrastreiche Gestaltung des Innenraums für Sehbehinderte
  • Beschriftung an den Haltewuschtasten in Braille-Schrift
  • vier Kameras zur Überwachung des Fahrgastraums, für die Sicherheit der Fahrgäste und gegen Vandalismus (Bilder werden nach 48 Stunden gelöscht, wenn es keine ungewöhnlichen Ereignisse gegeben hat) 
  • Sondernutzungsflächen: gegenüber der Mitteltür und rechts vor der Mitteltür
  • Motor: Biogasmotor, 6 Zylinder-Reihenmotor, Leistung: 222 kW (302 PS), Hubraum 7.698 ccm,            Schadstoffnorm: Euro 6 D
  • Höchstgeschwindigkeit begrenzt auf 80 km/h
  • Gastanks (Druckflaschen) auf dem Dach
Zusatzausrüstungen:
  • zusätzliche Ausstattung: Anti-Schlupf-Regelung (ASR)
  • elektronisches Stabilitäts-Programm (ESP)
  • Side-Guard-Assist (Abbiegeassistent, erkennt beim Abbiegen Fußgänger, Radfahrer und andere Fahrzeuge im toten Winkel neben dem Bus
  • Brandmelde- und Feuerlösch-Anlage im Motorraum
  • Klimaanlage
  • Doppel-Bildschirme für Fahrgastinformation, linke Hälfte die nächsten Haltestellen, rechte Hälfte für Tarifinformationen und Umsteigemöglichkeiten
  • WLAN und USB-Lademöglichkeit (Nutzung des Internets kostenlos)
  • Beleuchtung grün / rot am unteren Rand der Türen
  • Busradarsystem (Fahrgast kann sehen, wo die eingesetzten Busse jeweils gerade sind)
  • große Fahrzielanzeigen im Heck
Reduzierte Emissionen:
  • Abgas: CO2: minus 60 % gegenüber vergleichbarem Diesel
  • Lärm: Standgeräusch: Diesel 88 dB(A), Biomethan: 87 dB(A)
  • Fahrgeräusch: Diesel 77 dB(A), Biomethan 73 dB(A)
  • Leergewicht: 11.680 kg
  • zul. Gesamtgewicht: 19.000 kg
Vorstellung der neuen Busse | © SVE Stadtbus Euskirchen
23.11.2021
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Pierre Ofzareck
Pierre Ofzareck
2 Jahre zuvor

Biomethan halte ich für den Alternativtreibstoff, für Nutzfahrzeuge in der Landwirtschaft. Es ist aber nichts für den Massenmarkt. Im Gegensatz zum Biodiesel, verbraucht er keine Landwirtschaftlichen Flächen, die dann mit unserer Nahrungsmittelproduktion in Konkurrenz tritt. Aber auch Biodiesel ist eine Alternative für Traktoren und andere Fahrzeuge in der Landwirtschaft.

Wichtig ist, dass wir von fossilen Brennstoffen so schnell wie möglich wegkommen. Also Erdöl und Erdölprodukte, Kohle und Erdgas. Alle drei Brennstoffe müssen in der Erde bleiben, wollen wir unseren Planeten nicht immer weiter aufheizen. Erdgas ist im Übrigen auch Methan.

Wenn Methan in die Luft entweicht, ist es um den Faktor 10 Klimaschädlicher als CO2. Das hier in den Bussen zu CO2 verbrannte Biomethan, reduziert also die Klimaschädlichkeit des Gases bereits um 90%. Da jedoch nicht 100 % des in der Viehwirtschaft erzeugten Methans aufgefangen werden kann, hilft hier am Besten der Verzicht auf unseren heutigen überbordenden Fleischkonsum. Ich möchte ja niemandem zum Veganer machen, doch jeden Tag Fleisch zu Billigstpreisen auf dem Tisch, führt inzwischen zu einer derartigen Überproduktion, dass Tonnen von Fleisch praktisch nur für die Entsorgung produziert wird, da deutlich mehr produziert wird, als die Supermärkte verkaufen können. Inzwischen landet diese Überproduktion auch bergeweise bei den Tafeln. Doch immer noch würden die in Europa weggeworfenen Lebensmittel ausreichen, um den Welthunger viermal zu stillen. Wem nützt das?

Besser wäre es also, wenn gar nicht erst so viel Fleisch produziert würde, denn dass hierbei entstehende Methan ist ebenso ein Problem für unser Klima, weil es Jahrzehnte braucht, bis die Natur es selbst in CO2 umgewandelt hat, so dass es durch Photosynthese wieder zu Sauerstoff und Kohlenstoff aufgespaltet werden kann.

Bis dahin braucht es vielleicht auch eine technische Lösung, wie man das in der Viehwirtschaft entstehende Methan besser auffängt und so nutzbar macht. Im Grunde kann man jede Erdgasheizung mit Biomethan betreiben, was ein Riesenfortschritt wäre, da Biomethan nicht aus fossilen Quellen stammt. Auch helfen derartig betriebene Gaskraftwerke bei der Grundlastversorgung für die Stromerzeugung. Baut man diese Anlagen neben heutige Kohlekraftwerke auf, lässt sich die Braunkohle durch Biomethan ersetzen. Man muss diese Kraftwerke also noch nicht einmal abreißen, sondern nur auf den neuen Brennstoff umbauen.

Last edited 2 Jahre zuvor by Pierre Ofzareck