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Bonn: Digitales Mock-up der neuen Stadtbahnwagen von CAF

Animation der neuen CAF Stadtbahnen in Doppeltraktion für Bonn | © CAF / SWB

Am 18. Januar 2023 lud Bonns Nahverkehrsunternehmen „SWB Bus und Bahn“ zur Vorstellung der zukünftigen neuen Stadtbahnwagen, deren erste CAF aus Spanien möglichst ab Ende 2024 liefern wird (UTM berichtete am 22. Mai 2022: https://www.urban-transport-magazine.com/bonn-swb-und-ssb-bestellen-bei-caf-22-neue-stadtbahnen/ ). Die neuen Bahnen müssen die technische Abnahme durchlaufen und die Fahrer müssen auf ihnen geschult werden. Im Lauf des Jahrs  2026 können sie dann in den Linieneinsatz gehen.

Die Konzeption der Fahrzeuge

Die 28 Meter langen Gelenkwagen werden Fahrzeuge für den Zwei-Richtungs-Betrieb, werden aber jeweils nur an einem Kopf einen vollwertigen Fahrerstand haben. Um in beide Richtungen fahren zu können, muss also jeweils ein Pärchen der neuen Stadtbahnen Heck an Heck gekuppelt laufen. So gibt es in jeder Richtung einen Fahrerstand vorne.

Ganz „hilflos“ ist ein alleine fahrender Triebwagen der neuen Stadtbahn-Generation rückwärts allerdings nicht. Im Heck hat jeder von ihnen einen „Hilfsfahrstand“. Auch von dort kann die Bahn bedient werden. Bei der Präsentation betonten die Mitarbeiter von CAF, dass der Wagen „voll rangier-fähig“ sei, wenn er vom Hilfsfahrstand aus gesteuert werde. Dabei könne der Fahrer diesen Stand nicht nur im Stehen bedienen, es könne auch – zum Beispiel bei längeren „Rückwärts“-Fahrten – ein Sitz aufgestellt werden.

Sitzplätze im Heckbereich, mitten unter der Heckscheibe der Hilfsfahrschalter | © Christian Marquordt

Auf den ersten Blick ist es eher erstaunlich, dass die neuen Bonner Stadtbahnen nur einen vollwertigen Fahrerstand bekommen werden. Legten Bonns SWB bislang doch immer Wert darauf, dass jeder Bonner Stadtbahnwagen auch alleine in beiden Fahrtrichtungen voll funktionstüchtig sein müsse. Weshalb alle bisherigen Bonner Stadtbahnwagen an jedem Kopf einen Fahrerstand haben. Allerdings kommt der Einsatz von einzeln fahrenden Triebwagen im Bonner Stadtbahnnetz (einschließlich der gemeinsam mit Köln bedienten Linien 16 und 18 nach Köln) praktisch nie vor, und so ist man bei den SWB inzwischen der Meinung, vier zusätzliche Sitzplätze für Fahrgäste anstelle des zweiten Fahrerstands seien wichtiger.

Die Länge von 28 Metern entspricht derjenigen der bislang eingesetzen Düwag-„B-Wagen“ (61 Triebwagen aus diversen Baujahren zwischen 1974 und 1993, teils „zweiterstellt“) und „Flexity Swift“ (Tw 0360 bis 0374) von Bombardier. Aufgrund der ältesten Kölner U-Bahn-Strecken – in Betrieb seit dem 11. Oktober 1968 – mit ihren engen Kurvenradien sind nur Gelenkwagen mit Wagenteilen möglich, die relativ kurz sind. Denn Kölns älteste U-Bahn-Strecken Hauptbahnhof – Friesenplatz und Hauptbahnhof – Appellhofplatz – Neumarkt – Barbarossaplatz sind noch für den Einsatz von achtachsigen Gelenk-Straßenbahnwagen im Tunnel geplant und gebaut worden.

Die Sitzplätze für die Fahrgäste werden in Abteil-Anordnung eingebaut, sodass – je nach Fahrtrichtung – etwa die Hälfte der Passagiere einen vorwärts gerichteten Sitzplatz vorfindet. Der Fahrscheinautomat erhält seinen Platz im Multifunktionsbereich im Wagenteil B unmittelbar hinter der Tür hinter dem Gelenk. Dies wird aus Gewichtsgründen so realisiert, denn bei einer Montage zentral im Gelenk wäre der Automat zwar von beiden Wagenteilen gleich weit entfernt, er würde aber mit seinem Gewicht von 125 Kilogramm das Drehgestell unter dem Gelenk zu stark belasten. Zumal auch das Gelenk selber zusätzlich verstärkt werden müsste, um den Automaten hier verankern zu können (siehe Grafik).

Plan des Wagens mit Angaben zur Position des Ticketautomaten | © CAF / SWB

In beiden Wagenteilen gibt es zwischen den jeweiligen Türen auf der einen Wagenseite einen Mehrzweckbereich, beispielsweise für Kinderwagen, Rollstühle oder auch für Fahrräder (die man im VRS mitnehmen darf), aber auch für stehende Fahrgäste. An der Wand gibt es längs zur Fahrtrichtung Klappsitze. Gegenüber auf der anderen Seite des Wagens findet der Fahrgast acht Sitzplätze in Abteil-Anordnung.

Die Sitzplätze im Heck (beim Hilfsfahrschalter) sind in einer „Konferenz-Anordnung“ vorgesehen. USB-Stecker für die Fahrgäste sind unterdessen bei Bus und Bahn selbstverständlich, und so werden auch Bonns neue Stadtbahnwagen sie haben.   

Das Erlebnis „virtueller Mock-Up“

Die Präsentation des Mock-Ups fand digital statt – es war nur ein Fahrerstand als Holzmodell im Maßstab 1:1 aufgebaut. Das gesamte Fahrzeug hingegen wurde digital mit Datenbrille geboten. Das gewährt einen Blick in das gesamte zukünftige Fahrzeug – und das ist durchaus zu begrüßen. Man kann auch, mit aufgesetzter Datenbrille, durch das Fahrzeug gehen. Aber: da sieht man Haltestangen und Griffe, die gar nicht da sind. Man will sich festhalten – und greift ins Leere. Was für diejenigen, die von außen bei diesem „Gang durch den Wagen“ zusehen, eher unbeholfen aussehen mag…

Fahrerstand mit SWB-Chefin Anja Wenmakers, SWB-Projektleiter Bernt Junker und Nicola Meunier von CAF | © SWB/Benjamin Westhoff
Das Mehrzweckabteil | © CAF

Zur Verteilung der neuen Bonner Bahnen

Zurzeit setzt sich Bonns Fuhrpark an Bahnen aus exakt 100 Fahrzeugen zusammen: 24 Straßenbahnwagen stehen 76 Stadtbahnwagen gegenüber. Mit den 28 neuen Niederflurbahnen von Skoda, deren Auslieferung gerade beginnt, und den neuen Stadtbahn-Wagen wird Bonns Fuhrpark auf der Schiene in Zukunft 126 Bahnen umfassen: 28 Straßenbahnen und 98 Stadtbahnwagen. Also wächst der Fuhrpark um 26 Prozent. Das Wachstum des Fuhrparks dient dabei nur der Verdichtung des heutigen Angebots. SWB-Chefin Anja Wenmakers stellte ausdrücklich fest, dass bei den neuen Bahnen nicht an die „rechtsrheinische Rheinuferbahn“ Linie 17 zwischen Bonn und Köln über Niederkassel gedacht sei. Sie sagte: „Im Augenblick gibt es Wichtigeres als eine Stadtbahnlinie 17 zwischen Bonn und Köln.“

CAF wird 32 neue Stadtbahnen liefern. Beide Bonner Bahn-Betriebe – „SWB Bus und Bahn“ und die „Elektrischen Bahnen der Stadt Bonn und des Rhein-Sieg-Kreises (SSB)“– werden je 16 der neuen Wagen erhalten.

Anmerkung:

Beide Bonner Bahnbetriebe, SWB und SSB, haben zwar unterschiedliche Eigentümer (SWB zu 100 Prozent Stadt Bonn, SSB zu je 50 Prozent SWB Bonn und Rhein-Sieg Kreis), aber sie wurden und werden von Anfang an durch den Bonner Stadtverkehrsbetrieb (ursprünglich „Bahnen der Stadt Bonn“, heute SWB) verwaltet.

Blick in den Wagen | © Christian Marquordt
Blick zum Fahrerstand | © Stefan Vogel
Fahrerstand | © Christian Marquordt
26.01.2023
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Stadtbahnfan_Cologne
Stadtbahnfan_Cologne
7 Monate zuvor

HF6 2.0 „Bonn Editon“

Das Fahrzeugdesigin kommt schon sehr an den HF6 ran. Auch das man jetzt nur noch „Unechte“ Zweirichtungswagen mit nur einem Führerstand in Bonn beschafft.

Von Außen sieht das Fahrzeug (was man auf den Bildern bisher sieht) dem HF6 bis auf das Mittlere Fenster zwischen den 2 Türen und einige Detaills schon sehr ähnlich. Im Innenraum gibt es ebenfalls sehr viele Ähnlichkeiten, der Merzweckbereich ist anders, aber ansonsten auch fast so wie beim HF6. Im Führerstand finden sich ebenfalls Gemeinsamkeiten.

Ein wirklich „neues“ Fahrzeugdesigin ist das jetzt nicht, es orientiert sich schon sehr an dem des HF6. Warum man nicht einfach dann den HF6 beschafft, keine Ahnung. Ich kenne die Details von dem CAF Fahrzeug jetzt nicht, aber es sieht so aus als hätte es etwa die gleichen Eckdaten wie der HF6.

Da hätte es gar kein „neues altes“ HF6-Desigin gebraucht. Man hätte gleich den HF6 kaufen können…

Immerhin werden sich HF6 und die CAF-Bahn dann mal irgendwann auf der Strecke treffen, das gibt bestimmt interessante Bilder.