Straßenbahn auf ungewöhnlicher Spurweite
Braunschweigs Straßenbahn fährt auf der höchst ungewöhnlichen Spurweite von 1.100 mm. Nach dem Ende der Straßenbahnen in Kiel und Lübeck ist Braunschweig heute der einzige deutsche Betrieb, der auf dieser außergewöhnlichen Spurweite unterwegs ist. Mit der Folge, dass sowohl Kiel als auch Lübeck, die auf derselben Spurweite fuhren, Bahnen nach Braunschweig abgaben, als sie ihren Betrieb einstellten. Aus Kiel kam mindestens ein Triebwagen, der in Braunschweig als Tw 116 eingenummert wurde, aus Lübeck kamen mehrere KSW- und Aufbau-Beiwagen, von denen zwei der KSW auch noch zu Einrichtungs-Beiwagen mit modernen Düwag-Falttüren umgebaut wurden, um hinter sechsachsigen Gelenk-Triebwagen eingesetzt zu werden.
Braunschweig kam zu der ungewöhnlichen Spurweite, weil die Pferdebahn in Braunschweig (damals Landeshauptstadt des Herzogtums Braunschweig) ursprünglich ein britisches Unternehmen war. 1.100 mm scheinen einem wunderschönen britischen Maß zu entsprechen. Und die Briten bescherten Braunschweigs Straßenbahn anfangs noch eine weitere Kuriosität: man fuhr nicht auf Rillenschienen, sondern auf Lochschienen. In die Fahrbahn waren Löcher eingelassen, in die die „Pickelräder“ der Bahnen hineingriffen. Hört sich gut an, führte aber unerfreulich oft zu Entgleisungen. Weshalb man sich denn doch recht bald zur Rillenschiene bekehrte.
Braunschweig ist heute neben der Touristenstraßenbahn Santa Teresa in Rio de Janeiro der weltweit einzige Betrieb, der auf 1.100 mm fährt.
Gelenk-Triebwagen
Um 1960 bekam Braunschweigs Straßenbahn ihre ersten Gelenk-Triebwagen. Auch deren Geschichte ist kurios genug. Sie wurden 1957 als vierachsige Großraum-Triebwagen von Linke-Hofmann-Busch in Salzgitter geliefert. Aber es dauerte gar nicht lange bis man fand, dass Gelenkwagen besser wären. Also schaffte man die Großraum-Triebwagen zu Credé nach Kassel und ließ sie dort zu sechsachsigen Gelenk-Triebwagen verlängern. Braunschweig hatte es damals gerade mit Umbauten: Aufgrund des Verbots des Busanhängers schaffte man seine sechzehn Busanhänger von Luther & Jordan aus Braunschweig und von Faka aus Salzgitter zu Gaubschat in Berlin und ließ sie dort mit sechzehn Büssing 6.000 T und 6.500 T aus den Jahren 1952 und 1955 zu Gelenkbussen „zusammenbauen“. Bei den Gelenkwagen mit einem ehemaligen Luther & Jordan-Anhänger sah das ganz harmonisch aus, bei einem Wagen mit einem ehemaligen Faka-Anhänger mochten Vorder- und Hinterwagen optisch nicht so ganz zueinander passen.
Neubeschaffungen
Lange blieb Braunschweig beim sechsachsigen Gelenk-Triebwagen, der gerne einen Beiwagen hinter sich her zog. 1995 ging man davon ab: statt der Beiwagen-Züge kamen ab jetzt dreiteilige Gelenkwagen, 1995 erst einmal zwölf. Die sind jetzt (so gut wie) dreißig Jahre alt und sollen duch neue Bahnen ersetzt werden. Zumal sie deutlich über dreißig Jahre alt sein werden, wenn die neuen Bahnen nach Braunschweig kommen werden.
Die neuen Bahnen werden zehn Meter länger sein als die bisherigen Fahrzeuge. Die BSVG (Braunschweiger Verkehrs GmbH) sagt, dank dieser zehn Meter Länge mehr könnten sie auch vierzig Fahrgäste mehr mitnehmen.
Bislang waren Braunschweigs Straßenbahnen 2,30 Meter breit. Das führte dazu, dass zum Beispiel Braunschweig und Bonn von den Abmessungen her identische Düwag-Gelenktriebwagen hatten, Braunschweig auf seiner 1.100-mm-Spur, Bonn auf Regelspur (1.435 mm). Doch mit der jetzt anstehenden neuen Straßenbahn-Generation wollte Braunschweig auf eine Wagenkasten-Breite von 2,65 Metern umstellen, um die Kapazitäty der Wagen zu erhöhen. Was nicht ganz so einfach ist: die Gleismitten-Abstände liegen aufgrund der bisherigen schmalen Wagenkästen zu dicht beieinander, so dass breitere Bahnen bei einer Begegnung mit einer anderen Bahn schon einmal „Feindkontakt“ bekommen könnten. Man muss für die breíteren Bahnen die Gleise also auseinander rücken. Das wird auch seit Jahren schon gemacht, wenn man ohnehin an den Schienen arbeiten muss.
Aber es bleibt noch viel zu tun. Die BSVG stellte also einen Förderantrag an die niedersächsische Landes-Nahverkehrsgesellschaft, die möge das „Auseinanderrücken“ der Gleise bezuschussen. Was die vorerst unter Hinweis auf die Haushaltslage der öffentlichen Hände ablehnte. Man schlug der BSVG stattdessen vor, den Förderantrag erst einmal „ruhen“ zu lassen, um ihn, wenn die finanziellen Verhältnisse wieder besser sind, „wiederzubeleben“. Doch darauf mochte sich die BSVG nicht einlassen. Geschäftsführer Jörg Reincke meint, man brauche die neuen Bahnen nicht irgendwann, sondern jetzt. Deshalb werden die Nachfolgerinnen der Bahnen des Jahrgangs 1995 wieder nur 2,30 Meter breit. Sie sollen 2029 geliefert werden.
Ab 2035 will die BSVG dann ihre Bahnen des Jahrgangs 2007 ersetzen. Und deren Nachfolgerinnen sollen dann tatsächlich 2,65 Meter breit sein und die Infrastruktur bis dahin Schritt für Schritt angepasst sein.
06.12.2024