An zahlreichen Orten rund um die Welt wurde das Verkehrsmittel Straßenbahn in den vergangenen Jahren neu oder wieder eingeführt – als attraktive Alternative zum Busverkehr gerade in mittelgroßen Städten. In Deutschland scheiterte die Einführung neuer Niederflurtramsysteme jedoch in der jüngeren Vergangenheit an diversen Orten.
Mit Wiesbaden, die hessische Landeshauptstadt mit aktuell knapp 280.000 Einwohnern, reiht sich nun ein weiteres Projekt in diese unrühmliche Liste ein. Wiesbadens Bürger hatten am 1. November 2020 über ein detailliert ausgearbeites und durchfinanziertes Projekt zur Wiedereinführung des Trambetriebs in Form eines Bürgerbegehrens abzustimmen – und rund 61% von ihnen lehnten das Projekt ab. Die Beteiligung war dabei mit 46,2 % der stimmberechtigten Bürger sogar überraschend hoch. Offensichtlich nicht durchsetzen konnten sich die Argumente der Befürworter des Projekts, zu denen neben dem Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) und wesentlichen Teilen der Ratsparteien u.a. die IHK, der DGB, diverse sonstige Interessengruppen und auch der Betriebsrat der städtischen Verkehrsbetriebe ESWE als Vertreter der Busfahrer gehörten. Zwei Bürgerinitiativen hatten mit zum Teil wenig faktenbasierten Argumenten Stimmung gegen das Großprojekt gemacht. Mit dem Slogan „Busse statt Citybahn!“ war die Umrüstung der Dieselbusflotte auf Wasserstofftechnik für unrealistisch geringe Beträge, das Fällen von Alleebäumen im Stadtteil Biebrich und die Angst vor Parkplatzverlust wurden u.a. als (Schein-) Argumente präsentiert. Dennoch konnten sich die Gegenaktivisten durchsetzen – Lokalpolitiker nannten vor allem die “Angst vor Veränderungen” als eine der möglichen Erklärungen für das Abstimmungsverhalten.
Kein neues Konzept
Ein alternatives Verkehrskonzept zur Bewältigung der täglichen Verkehrsprobleme und der damit einhergehenden Umweltbelastungen ist derzeit nicht erkennbar. Durch die CityBahn hätte es weniger Pendlerverkehr in der Stadt gegeben. Gegenüber der Deutsche Umwelthilfe hätte man gute Argumente gehabt, um drohende Fahrverbote für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren im Innenstadtbereich noch abzuwenden. Der Einsatz von E-Bussen, wie er jetzt beginnt, wird dazu kaum ausreichen.
Die Planungen sahen eine 35 km lange Verbindung vom benachbarten Mainz über den Rhein, durch die Innenstadt und weiter als Überlandbahn auf der Trasse der seit Jahren stilliegenden Ahrtalbahn nach Taunusstein und Bad Schwalbach vor. Durchgehend sollten die Bahnen von der Hochschule Mainz aus verkehren. In Meterspur ausgeführt, wäre sie gemeinschaftlich mit der Mainzer Straßenbahn betrieben worden. Verschiedenen Trassenvarianten waren in den vergangenen Jahren diskutiert worden. Fördermittel standen bereit, um 90% der erwarteten Gesamtinvestitionen von 426 Mio. EUR zu decken. Der Eigenanteil der Stadt bleib damit sehr überschaubar. Bei den Zuschüssen handelte es sich um zweckgebundene Mittel, die nun auch nicht für andere Projekte zur Verfügung stehen.
Wiesbadens ÖPNV
Aktuell wird der ÖPNV in Wiesbaden weitgehend von der ESWE Verkehrsgesellschaft mbH mit 271 Omnibussen abgewickelt. Sie fahren auf 41 Linien und beförderten in 2019 rund 61 Millionen Fahrgäste. Die Busflotte der ESWE besteht zum weit überwiegenden Teil aus Mercedes-Benz Citaro Modellen verschiedener Serien in Solo- und Gelenkausführung. 56 eCitaro befinden sich in Auslieferung.
Wiesbaden hatte bereits früher eine meterspurige Straßenbahn, größere Teile davon aber bereits im März 1929 auf Busbetrieb umgestellt. Am 30.4.1955 endete der Betrieb auf den letzten drei Tramlinien 6, 8 und 9 in Wiesbaden. Die 6 und die 9 waren dabei schon damals rheinüberschreitende Gemeinschaftslinien mit der Mainzer Straßenbahn.
Zwei andere Versuche zur Wiedereinführung einer modernen Niederflur-Straßenbahn waren in Wiesbaden bereits in 2001/2 und 2012 unternommen worden, aber ebenfalls gescheitert.
Ich erinnere mich an die Campusbahn Aachen, die 2013 abgelehnt wurde, Stadtbahn Bielefeld 2014, oder die Verlängerung der Linie 105 von Essen nach Oberhausen, die 2015 abgelehnt wurde. Gab es denn irgendwelche Befragungen, bei denen der Bau einer neuen Stadtbahn angenommen wurde?
Und 2021 soll es in Tübingen einen Bürgerentscheid geben?
In Bad Homburg (bei Frankfurt) stimmten im Oktober 2018 70% der Wählerinnen und Wähler für die Verlängerung der Stadtbahnstrecke U2 vom derzeitigen Endpunkt Gonzenheim bis zum Bad Homburger Bahnhof. In den direkt betroffenen Stadtteilen, wurde das Projekt abgelehnt, in den anderen Stadtteilen aber befürwortet.
Beim Bürgerentscheid in Wiesbaden stimmten die Bewohner der Innenstadtteilen Mitte, Rheingauviertel und Westend für die Citybahn. Die anderen Stadtteile, die teilweise kleinstädtisch oder ländlich strukturiert sind und eine Motorisierung von bis zu 88 Pkw auf 100 volljährige Einwohner haben, stimmten aber dagegen.
z. B. Ja in Erlangen oder in Forchheim südlich von Karlsruhe