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Deutschlands ÖPNV im „Flockdown“

Sieben Tage nach dem Wintereinbruch ist der ÖPNV in weiten Deutschland eingeschränkt I © Fotomontage UTM/ Deutsche Bahn/ Oliver Lang/ Jan Rennert/ moBiel/ Schönenberg/ Boris Pareigis/ LVB Leipzig/ Naumburger Straßenbahn GmbH

Liegengebliebene Fahrzeuge, große Probleme im Bahnverkehr und viele Schneemassen. Das hat es zumindest in West- und Mitteldeutschland seit Jahrzehnten nicht gegeben. Mancherorts vielen mehr als 30 Zentimeter innerhalb weniger Tage. Hinzu kamen teils meterhohe Verwehungen.

Polizei und Feuerwehr mussten in vielen Fällen anrücken. Sowohl der öffentliche Stadt- als auch Fernverkehr kam in vielen Regionen Nordrhein-Westfalens, Niedersachsens, Sachen Anhalts, Thüringens und Sachsens ganz oder teilweise zum Erliegen.

Ein Tatrazug mit Schneepflug befreit eine Straßenbahnstrecke in Leipzig I © Jan Rennert

Eigentlich gehört der Schnee in Mittel- und Nordeuropa zum Winter, jedoch ist in den vergangenen Jahren in mittleren Höhenlagen der Schnee, zumindest einer der auch liegen bleibt, zur Seltenheit geworden. Es handelt sich dabei allerdings lediglich um ein kurzfristiges Wetterphänomen. Am Klimawandel bestehen keine Zweifel. Der Deutsche Wetterdienst meldete im Dezember 2020, dass das Jahr in Deutschland mit einer Jahresmitteltemperatur von 10,4 Grad Celcius (°C) das zweitwärmste  Jahr seit Beginn flächendeckender Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 war.

Aber wie kommt es, dass so viel Schnee auf einmal fällt? Einer der Gründe für den ungewöhnlich starken Wintereinbruch ist unter anderem der hohe Luftdruck, der vom Nordmeer bis nach Mitteleuropa herrscht. Dies führt dazu, dass extrem kalte Luft aus der Polarregion direkt in den Norden Deutschlands und die Nachbarländer gedrückt wurde. Es wurden Temperaturen von unter 20 Grad Celsius gemessen.

In Bielefeld und anderen Städten wurde der Stadt- und Straßenbahnverkehr schneebedingt eingestellt I © moBiel

Auswirkungen auf den ÖPNV

Wie gingen die Verkehrsbetriebe mit den Schneemassen um? Obwohl die Belegschaft in Alarmbereitschaft war und an einigen Orten die Straßenbahnen auch Nachts zur Frost- und Schneefreihaltung durchgefahren sind, wurden zwischen dem 6. und 7. Februar viele Strecken und Straßen zugeschneit, sodass der ÖPNV und Straßenverkehr teilweise komplett zum Erliegen kam. Da viele Verkehrsbetriebe über keine Schneepflüge und straßengebundene Schneepflüge nicht ausreichten, wurde in einigen Städten „Hand angelegt“. Mitarbeiter und Führungskräfte wurden kurzfristig mit Warnwesten und Schneeschippen ausgestattet, um Gleise, Weichen und Haltestellen im wahrsten Sinne des Wortes freizuschaufeln. Den Mitarbeitern der Verkehrsbetriebe sei an dieser Stelle für den unermüdlichen Einsatz in den Extremtemperaturen gedankt. Busse und Straßenbahnen blieben in den Betriebshöfen, oft mit eingeschalteter Heizung, um ein Zufrieren zu vermeiden.

Schneefräse bei den Verkehrsbetrieben HKL/ HSL in Helsinki – in Deutschland verfügen die meisten Verkehrsbetriebe nicht über die entsprechenden Geräte I © HKL/ HSL

Und die Fahrgäste?

Viele Pendler, insbesondere die, die nicht im Homeoffice arbeiten konnte, konnten nicht zur Arbeit. Die Mobilitätsgarantie gilt nur bis zur Unwetterwarnstufe 3, die in Teilen des Landes am 6. Februar ausgerufen wurde. Seitdem die Unwetterwarnstufe 3 wieder aufgehoben wurde, gilt auch wieder die Mobilitätsgarantie. Das heißt, dass die Verkehrsbetriebe nach 30 Minuten Wartezeit die Taxikosten erstatten.

Auch in der spanischen Hauptstadt Madrid gab es Anfang Januar Schnee wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Der Bus- und Strassenbahnverkehr war seit 9.1.2021 komplett eingestellt, mit Ausnahme der Metro Ligero Linie ML1 rein unterirdischen Teilstrecke zwischen Pinar de Chamartin und Virgen del Cortijo.  Dafür fuhr die Metro eine Woche lang erstmals rund um die Uhr. Ab 13.1.2021 wurden wieder Teilstrecken befahren, ab 15.1. wieder alle Linien weitgehend normal. Gleiches traf auch auf die nahegelegene Ringstrassenbahn Tranvía Parla zu.

Die vom Schnee am meisten betroffenen Regionen erstrecken sich vom östlichen Ruhrgebiet (Mülheim/ Essen) über Bremen und Hannover bis nach Sachsen (Leipzig). Es hat zwar auch in anderen Regionen geschneit, z.B. in Berlin, aber hier konnte der ÖPNV weitestgehend aufrechterhalten werden.

Ein Überblick ohne Anspruch auf Vollständigkeit (Status 13.02.2021):

Bielefeld

Die Bielefelder Verkehrsbetriebe, moBiel, haben am Montag aufgrund der Wetterlage den gesamten Bus- und Stadtbahnbetrieb stillgelegt. Der angesammelte Schnee reichte stellenweise bis an die knapp 1 Meter hohen Hochbahnsteige der Stadtbahn. Dies machte den Betrieb unmöglich. Der Schnee würde sich unter den Bahnen sammeln und das könnte zu Entgleisungen führen. moBiel bezeichnet die Lage als ernst, da der Dauerforst in den nächsten zwei Wochen anhalten soll. Am Freitag, 12.02. begann auf einigen Streckenabschnitten ein Pendelbetrieb. Mehrere Fahrzeuge waren aufgrund des Schneesturms liegengeblieben.

Dieser Wintereinbruch stellte moBiel nach eigenen Angaben vor ganz neue Herausforderungen. In den letzten Jahrzenten hat es so eine Ausnahmesituation nicht gegeben. „Wir sind mit allen verfügbaren Kräften vor Ort und versuchen, alles möglich zu machen. Wir haben sogar im Vorfeld mehr Personal eingesetzt und die Stadtbahnen auch nachts fahren lassen, damit die Schienen frei bleiben,“ betont Martin Uekmann, Geschäftsführer von moBiel.

„Bielefeld ist nicht Bayern“

„Dass an nur zwei Tagen so viel Schnee fällt, kommt einmal im Vierteljahrhundert vor. In Bayern hat man sich auf solche Situationen eingestellt. Dort sind fast alle Privataushalte mit Schneefräse ausgestattet und unterstützen zusätzlich“, sagt Martin Uekmann „Wenn wir die städtischen Betriebe für diese Ausnahmesituationen aufrüsten wollten, wäre das natürlich mit hohen Kosten verbunden,“ stellt Uekmann klar.

Der Busverkehr ist am Mittwoch, 10.02. mit einer Hauptachse zwischen Innenstadt und Heepen gestartet. Die Verkehrsmeister von moBiel waren und sind ständig unterwegs und prüfen, welche Strecken machbar sind. Das ist eine Aufgabe, denn Bielefeld ist eine Flächenstadt mit einem großen Busnetz. Viele Straßen sind zwar befahrbar, aber für die Busse zu schmal – moBiel ist größtenteils mit Gelenkbussen unterwegs. Außerdem sind die Haltestellen mit Schnee zugeschoben – davon gibt es in Bielefeld allein im Busbereich knapp 1000.

Stadtbahn mit Eiszapfen im Betriebshof Bielefeld Sieker I
© moBiel/ Schönenberg

Die meisten Bielefelderinnen und Bielefelder kommen am Montagmorgen (15.02.) mit Bus und Stadtbahn zur Arbeit. Nur vereinzelte Linien können wegen zu viel Schnee am Straßenrand oder im Gleisbett noch nicht wieder fahren. moBiel weist daraufhin, dass Fahrgäste die Mobilitätsgarantie nutzen können, wenn Fahrten ausfallen. Die Stadtbahnen der Linien 1 und 4 fahren bereits wieder auf ihrem kompletten Linienweg. Die Linie 2 ist zwischen Sieker und Schüco unterwegs – bis Milse gibt es einen Schienenersatzverkehr. Die Linie 3 deckt den Bereich zwischen Rathaus und Babenhausen Süd ab. Auf dem anderen Ast Richtung Stieghorst wird das Gleisbett als nächstes vom Schnee befreit, damit das Krankenhaus Mitte möglichst schnell wieder erreichbar ist. Aktuell fahren Fahrgäste, die nach Stieghorst möchten, am besten mit der Linie 2 bis Sieker und von dort mit der Buslinie 138 bis Stieghorst.

Bochum

Mit verschiedenen Teams war die BOGESTRA am Wochenende im Einsatz, um trotz widriger Witterungsbedingungen, ÖPNV-Fahrten anzubieten. Als erster Schritt konnte Sonntagvormittag in Bochum und Herne die U35-Strecke zwischen Schloß Strünkede und Oskar-Hoffmann-Straße wieder befahren werden.

Der Status am 13.02. war wie folgt:

  • U35 fährt zwischen Hustadt und Schloss Strünkende
  • 301: Bahnen zwischen Gelsenkirchen Hbf und Erle Forsthaus. Ersatzbusse zwischen Erle Forsthaus und Buer Rathaus
  • 302: Bahnen zwischen Gelsenkirchen Hbf und Berger See
  • 306 wird komplett mit Bussen bedient (30-Minuten-Takt).
  • 308: Bahnen zwischen Schauspielhaus und Vonovia Ruhrstadion. Ersatzbusse zwischen Bochum Hbf und Hattingen
  • 309: zwischen Witten Hbf und Langendreer (S) verkehren Busse. Die Haltestelle Berliner Straße entfällt, an den Haltestellen Witten Rathaus und Bahnhofstraße nutzen Sie bitte die Bushaltestellen in unmittelbarer Nähe. Für Fahrten zwischen Witten Hbf und Heven Dorf  bitte die Buslinie 320 nutzen.
  • 310: Bahnen zwischen Höntrop Kirche und Lohring

Braunschweig

Aufgrund der Witterungslage blieb am Sonntag, 7.2. und Montag, 8.2. auch in Braunschweig der Bus- und Straßenbahnbetrieb vorerst eingestellt. Nach tagelangen Enteisungsarbeiten konnte die BSVG am Donnerstagnachmittag, 11. Februar 2021 den Betrieb auf der Tramlinie 1 zwischen Hauptbahnhof und Stadion wieder aufnehmen. Auf den anderen Linien wurde ein SEV mit Bussen eingerichtet.  Auch der Betreib auf der Tramlinie 4 zwischen Helmstedter Straße und Inselwall wurde wieder aufgenommen. Möglich wurde beides auch deshalb, weil sich in den vergangenen Tagen zusätzlich Fahrerinnen und Fahrer der BSVG großflächig daran beteiligt haben, die blockierten Schienen von Schnee und Eis zu befreien.

Arbeitseinsatz von Straßenbahnfahrerinnen und -fahrern in Braunschweig am Donnerstag, 11. Februar 2021 an der Haltestelle „Stadion (Schwarzer Berg)“ I © Robin Koppelmann/BSVG


Dortmund

Auch der Dortmunder ÖPNV war stark vom Schneefall betroffen. Hier gingen die Niederschläge in der Nacht vom 6. auf den 7. Februar in Eisregen, was dazu führte, dass die Straßen spiegelglatt wurden. Die Früh-Expresse und die Busse konnten den planmäßigen Linienverkehr nicht aufnehmen.

Im Stadtbahn-Netz der DSW21 wurde ganze Nacht über „Spur gefahren“: Es Fahrzeuge im Einsatz, um zu verhindern, dass Gleise und Weichen zufrieren bzw. zuschneien und Oberleitungen vereisen. Auch hier war man nur teilweise erfolgreich. Die U43 und U44 gingen am Sonntag nicht in Betrieb. Aber im Gegensatz zu anderen Städten konnten im Laufe des Vormittags konnten schrittweise alle Stadtbahnlinien den Betrieb aufnehmen – allerdings mit teilweise erheblichen Verspätungen. Aufgrund von Schneeverwehungen konnten aber nicht alle Dortmunder Außenbereiche angebunden wurden.

In Dortmund ist sogar eine Stadtbahn im „Schnee steckengeblieben“. Sie wurde von Einsatzkräften und Fahrgästen angeschoben, wie im folgenden Tweet zu sehen:

Mittlerweile hat sich die Lage in Dortmund wieder normalisiert. Es mag an der Tatsache liegen, dass aufgrund der Tunnellage und der großzügig angelegten eignen Bahnkörper die Dortmunder Stadtbahn etwas „resilienter“ gegen die Schneemassen ist als im Straßenrahm verkehrende Systeme.

Erfurt

Auch in der thüringischen Hauptstadt wurden am 7.2. schrittweise aufgrund der Schneemassen die Straßenbahn- und Busverbindungen eingestellt. Als erstes traf es die Linie 2 vom Gothaer Platz zum Hauptfriedhof. Zwischen Gothaer Platz und Messe wurde der Betrieb eingestellt, um 10:30 Uhr kam dann die Information, dass der Betrieb auf der gesamten Linie eingestellt wurde und ein Schienenersatzverkehr eingerichtet wurde. Im weiteren Tagesverlauf traf es auch die Stadtbahnlinie 4. Aufgrund des Schnees kam es aber im Betrieb immer wieder zu größeren Verzögerungen. Per Twitter und Facebook hielt die EVAG ihre Fahrgäste auf dem Laufenden. Vollständig eingestellt wurde der Betrieb in Erfurt aber nicht und am 10.2. waren die meisten Stadtbahnstrecken auch wieder in Beitreb. Mit Arbeitswagen und Schneepflügen und vielen Schneeschippen konnten die ÖPNV-Trassen vom Schnee „befreit“ werden.

KT4D Straßenbahn der Erfurter EVAG im Einsatz I © EVAG

Essen/ Mülheim (ruhrbahn)

Die Schienen, Weichen und Oberleitungen sind auch in Essen und Mülheim durch den Eisregen und die niedrigen Temperaturen eingefroren. Eine Schneewache, ein Schienenfahrzeug, das die Schienen und Oberleitungen in der Nacht freihält, war nicht möglich, da die Bahnen entgleisen könnten und die Stromversorgung über die gefrorenen Oberleitungen nicht gewährleistet ist.

Auch die Führungskräfte der Ruhrbahn waren im Einsatz, hier an der Passstraße in Essen Steele I © ruhrbahn

Auch die Freilegung der Schienen per Hand mit Stemmeisen und Spitzhacke wurde versucht. Das Problem war, dass der umliegende Schneematsch, der von vorbeifahrende Autos wieder in die Schienen gedrückt wird, sofort wieder gefriert.

Auf der Linie U18 konnte die Ruhrbahn die Oberleitungen und Weichen vom Eis befreien und freihalten. Fahren kann diese Linie insbesondere auch, weil sie auf Vignolschienen, auf einem vom übrigen Straßenverkehr unabhängigen Bahnkörper fährt. Im Laufe der Woche haben alle Mitarbeiten der Ruhrbahn angepackt, um auch den Straßenbahnverkehr zu reaktivieren. Mit Schaufeln und Schneeschiebern ausgerüstet, haben Führungskräfte der Ruhrbahn mehrere Haltestellen in Essen und Mülheim an der Ruhr von Eis und Schnee befreit, darunter den wichtigen Verkehrsknotenpunkt in Essen Steele. Mit dabei die beiden Geschäftsführer Uwe Bonan und Michael Feller, die trotz der Kälte ordentlich ins Schwitzen kamen.

Für Kunden wurde auf der Webseite der Ruhrbahn im Detail erklärt, weshalb der Verkehr zum Erliegen kam und weshalb die Schneeräumung ein so schwieriges Unterfangen ist:

https://www.ruhrbahn.de/essen/aktuelles/meldung/artikel/aktuelle-infos-zum-ruhrbahn-angebot-1.html

Hannover

Der Winter hat den hannoverschen Nahverkehr fest im Griff: Während die Busse der ÜSTRA und der regiobus am 11.02. wieder fuhren, ist der Stadtbahnverkehr in Hannover weiterhin eingestellt. Zahlreiche Schäden im gesamten Stadtbahnnetz machen einen sicheren Betrieb unmöglich. Die ÜSTRA ist mit rund 20 Instandhaltungsteams im Netz unterwegs, um die Schäden zu beheben.

Ziel ist es, am kommenden Montag zumindest einige Streckenäste wieder in Betrieb nehmen zu können. Bis dahin bittet die ÜSTRA ihre Fahrgäste, auf geeignete Busverbindungen auszuweichen. Dazu zählen insbesondere die SprintH-Linien der regiobus.

Die üstra ließ unter anderem Kleinbagger einsetzen, um die Stadt- und Straßenbahnstrecken von den Schneemassen zu befreien I © üstra

Die Ursachen der zahlreichen Schäden werden noch erforscht. Insbesondere Gehwegplatten an Übergängen, aber auch Bitumen- und Asphaltpflasterungen an Gleisen sind mit Beginn des Winterwetters nach oben gedrückt worden, so dass sie von den Stadtbahnen nicht mehr überfahren werden können. Erste Vermutungen gehen davon aus, dass sich durch die heftigen Niederschläge vor Einbruch des Winterwetters der Untergrund mit Wasser gesättigt hat. Durch den Frost aufgrund des Temperatursturzes wurden dann die Platten nach oben gedrückt. Ebenso ist es möglich, dass die Stadtbahnen beim Fahren Schnee unter die Anlagen gedrückt haben und diese dadurch angehoben wurden. Auch eine Kombination aus beiden Ursachen ist denkbar.

Leipzig

Auch in Leipzig waren die Verkehrsbetriebe und alle Beteiligten im unermüdlichen Einsatz. Auf der LVB Webseite wurde verkündet, man arbeitet mit hohem Engagement, um aus dem „Flockdown“ zu kommen. Alle Mitarbeiter waren unermüdlich im Einsatz, so dass der zum Erliegen gekommene Straßenbahnverkehr in der zweiten Wochenhälfte wieder aufgenommen werden konnte. Am 11.02. waren 80% der Linien wieder im Einsatz. Besonders vorzuheben ist das Engagement der Bevölkerung: Eine Anwohnerin versorgte einen liegengebliebenen Straßenbahnfahrer mit belegten Brötchen. Eine andere brachte alkoholfreien Kinderpunsch zum Aufwärmen vorbei. Am Samstag, 13.02., halfen sogar gut 40 Nachwuchs-Handballer vom SC DHfK, die Strecke von Wahren nach Schkeuditz zu räumen. Damit wurde eine der letzten fehlenden Gleisstrecken befahrbar gemacht.

Magdeburg

Der Straßenbahn- und Busverkehr der Magdeburger Verkehrsbetriebe GmbH & Co. KG (MVB) wurde am Montag, 8.02. vorübergehend eingestellt. Der von der MVB in der Nacht von Sonntag zu Montag eingerichtete Notverkehr mit dem Nachtliniennetz musste wieder eingestellt werden, nachdem zahlreiche Busse sich auf den Straßen festgefahren hatten und nicht mehr weiterfahren konnten.

Nach zweieinhalb Tagen Stillstand nahm die MVB am Dienstag, 9.2. die erste Straßenbahnlinie wieder in Betrieb. Ab ca. 16 Uhr war die Linie 8 zwischen Neustädter See und Westerhüsen im Einsatz. Nach und nach wurden auch die restlichen Straßenbahnlinien wieder in Betrieb genommen. Dank dem unermüdlichen Einsatz unzähliger Mitarbeitende konnten viele Streckenabschnitte von Schnee und Eis befreit werden, sodass fast alle Verbindungen wieder möglich sind. Nach derzeitigem Stand (13.02.) bleiben vorerst die Strecken Breiter Weg Südabschnitt und Messegelände <> Herrenkrug gesperrt. Der Abschnitt Hauptbahnhof <> Olvenstedter Platz konnte dank Unterstützung von Mitarbeitende des Ordnungsamtes in Betrieb genommen werden. Die Beamtinnen und Beamten halfen dabei, falschparkende Fahrzeuge zu entfernen, damit ein Einsatz von Schneepflügen zur Beräumung der Strecke möglich wurde.

Auch in Magdeburg wurden Tatra-Arbeitswagen für den Winterdienst genutzt I © MVB

Der Streckenabschnitt Westring <> Diesdorf soll in der Freitagnacht geräumt werden, sodass nach aktueller Prognose dieser ab Samstag wieder durch die Linie 6 bedient werden kann.

Am Montag, 15.02. waren alle Straßenbahnlinien wieder in Betrieb.

Naumburg

Auch die 2,8 km lange Naumburger Straßenbahn musste aufgrund des Schnees ihren Betrieb einstellen, konnte ihn aber verhältnismäßig schnell wieder aufnehmen.

Seit Dienstag, 9.2. ab Betriebsbeginn um 5:27 Uhr bedient sie nach Fahrplan den Abschnitt zwischen Endhaltestelle Salztor und Haltestelle Jägerplatz.

Für die ständige Strecken- und Weichenkontrolle sowie zur Beräumung fanden auf der gesamten Strecke seit dem Wochenende regelmäßige Fahrten mit dem Straßenbahn-Schneepflug statt. Dennoch kam es wiederholt dazu, dass selbst dieses Räumgerät in den Schneemassen stecken blieb. Am Montagabend fand der Diensttriebwagen mit dem Schneepflug nur dank der Baufirma EGW Müller GmbH wieder ins Depot zurück: Ohne spontane Schneeräum-Unterstützung durch einen Bagger an der Bergstraße wäre das Gespann dauerhaft stecken geblieben.

Der Bauhof der Stadt Naumburg, unterstützt von Mitgliedern des Vereins Nahverkehrsfreunde Naumburg – Jena e.V., arbeiten daran, dass der Streckenabschnitt zwischen Jägerplatz und Hauptbahnhof auch wieder befahren werden kann.

Nordhausen

Auch das kleine 6,2 km lange Straßenbahnnetz in Nordhausen musste zeitweise den Betrieb einstellen. Mit zahlreiche Schneepflüge und dem historischen Gotha-Triebwagen 40, der einen Schneepflug schob, wurde das Gleisnetz vom Schnee befreit. Dort, wo möglich, wurde Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Der Betrieb auf der Straßenbahnlinien 1 und 10 (Zweisystemstraßenbahn auf den Gleisen der Harzer Schmalspurbahn bis Ilfeld) wurde am Nachmittag des 10.02. wieder aufgenommen. Die Linie 2 fuhr am 12.02. wieder regulär. Ein Video vom Schneepflugeinsatz in Nordhausen gibt es hier:

https://fb.watch/3EE0Fbc4-w/

Deutsche Bahn

Nach den extremen Unwettern über weiten Teilen Deutschlands normalisiert sich der Bahnverkehr weiter. Seit dem letzten Wochenende arbeiten tausende DB-Mitarbeiter rund um die Uhr, um den Fahrgästen wieder einen verlässlichen und stabilen Bahnverkehr anzubieten. Schrittweise konnten in den letzten Tagen die Metropolen wieder angefahren werden und in vielen Orten der Regionalverkehr langsam starten. Über 22.000 Mal rückten die Schneeräumkräfte aus, um Bahnhöfe schnee- und eisfrei zu machen. Rund 95 Prozent des Streckennetzes sind wieder befahrbar – allerdings häufig mit Einschränkungen und teils hohen Verspätungen. Da wo es noch nicht läuft, erschweren Schnee, vereiste Oberleitungen und Temperaturen bis zu minus 26 Grad Celsius auch in den nächsten Tagen den Räum- und Reparaturtrupps die Arbeit. Aktuell kommt es regional noch zu großen Einschränkungen im Harz-Weser-Netz und in Thüringen.

Winterdienst der DB in Altenbeken I Deutsche Bahn AG / Michael Neuhaus

Wo Einsatzkräfte der Deutschen Bahn mit Handarbeit und schwerem Räumgerät nicht mehr weiterkommen, sichten die Fachleute die Lage aus der Luft. Per Helikopter sind Experten entlang der Bahnstrecke zwischen Halle und Erfurt unterwegs.

Das Wetter traf die DB am vergangenen Wochenende nicht unvorbereitet. Arbeitsstäbe tagten, Schneeräumtrupps standen bereit und Räumfahrzeuge wurden in die betroffenen Gebiete abgezogen. Die Prognosen und Warnungen des Deutschen Wetterdienste (DWD) flossen ständig in die Lagebewertungen ein. Die Wucht von Schnee, Wind und Eis sorgte dann, wie vielerorts, auch bei der Bahn für starke Einschränkungen in den betroffenen Gebieten. Oberstes Ziel während des Unwetters: die Sicherheit von Fahrgästen und Mitarbeitenden. Hierfür hat die DB frühzeitig und auf Grundlage der Wetterprognosen des DWD ihr Verkehrsangebot angepasst. Der Zugverkehr wurde vor allem dort, wo höchste Warnstufen galten, gezielt reduziert, um Stausituationen auch im Schienenverkehr zu vermeiden. Das Konzept der DB-Krisenmanager ging auf: Es mussten zu keinem Zeitpunkt Fahrgäste auf offener Strecke aus Fernverkehrs- oder Regionalzügen evakuiert werden.

Eingeschneite S-Bahn am Knoten Halle (Saale) I © Deutsche Bahn/ Oliver Lang

Auch in den Bahnhöfen wurde schnell reagiert und in der Spitze mit 14 Aufenthaltszügen Aufwärmmöglichkeiten für Reisende geschaffen. Hotelkapazitäten standen für Fahrgäste ebenfalls zur Verfügung. Dafür wurden bis heute rund 2.000 Taxi- und Hotelgutscheine ausgegeben. Wer konnte, wurde gebeten, seine Reise nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt anzutreten. Die Bahnkunden zeigen in dieser auch für die DB-Mitarbeitenden doppelt schwierigen Belastungssituation aus Corona-Lockdown und Extremwinter großes Verständnis und verschoben ihre Zugfahrt. Wer Fragen zur aktuellen Lage hatte oder Hilfe bei Umbuchung und Stornierung benötigte, rief die Sonderhotline der DB an. Über 90.000 Gespräche führten die Mitarbeitenden dort seit Samstag rund um die Uhr.

Die Bahn hatte mit vielen vereisten Weichen zu kämpfen I © Deutsche Bahn/ Oliver Lang
14.02.2021
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Martin Hartmann
Martin Hartmann
3 Jahre zuvor

Kleine Randnotiz: In Magdeburg war zwar die 8 für Dienstag 16 Uhr angekündigt, aufgrund einer liegengeblieben Winterdienstbahn kam es aber erst gegen 23 Uhr zur Betriebsaufnahme.