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Ein Wasserstoffbus für Dormagen

Präsentation am Bahnhof von Dormagen | © Christian Marquordt

Auf dem linken Rheinufer liegt zwischen Köln und Neuss die Stadt Dormagen, ein wichtiger Standort der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen. Dormagen ist durchaus keine kleine Stadt, aber zwischen einem Nachbarn Köln im Süden, der unmittelbar angrenzt und eine Million Einwohner hat, und einem unmittelbar im Norden angrenzenden Nachbarn Neuss, der ebenfalls eine Großstadt mit gut 160.000 Einwohnern ist, hat man es schwer, wahrgenommen zu werden.

Schon 1997 bekam Dormagen – wie auch andere vergleichbar große Städte in Nordrhein-Westfalen, als da zum Beispiel wären Detmold, Euskirchen oder Hürth – ein eigenes Stadtbussystem. Gefahren wurde zunächst mit Niederflur-Midibussen vom Typ Neoplan N 4011. Wobei Dormagens kommunale Stadtbusgesellschaft bis heute nie eigene Busse besessen hat. Vielmehr stellte DB-Tochter „Busverkehr Rheinland (BVR)“ mit Sitz im nahen Düsseldorf die Busse für die Stadtlinien. Noch „spannender“ ging es beim Fahrpersonal zu, denn auf den Bussen saßen nicht nur Fahrer der BVR, sondern auch Mitarbeiter von Dormagener Privatunternehmen wie zum Beispiel Firma Hillmann. Schon bald wurden die Midibusse zu klein für den Stadtverkehr in Dormagen, es kamen „ausgewachsene“ 12-Meter-Wagen in die Chemiestadt. Wobei natürlich bis heute alle Stadtbusse mit Diesel fuhren und fahren.

Zurzeit sind 13 Busse auf Dormagens Stadtlinien im Einsatz. Die Stadt setzt aber auf eine deutliche Ausweitung des Angebots. Deshalb sollen schon in Kürze 21 Wagen unterwegs sein. Allerdings wurde bei dieser Ankündigung betont, dass die Neufahrzeuge noch „nur“ Hybridbusse sein werden. Immerhin verbrauchen ja auch die schon weniger Dieselkraftstoff und setzen damit weniger Schadstoffe frei, und zwar jeweils rund 20 %.  – Übrigens startet im Dezember auch ein On-Demand-Angebot in Dormagen.

Die Art und Weise, wie die Stadtbusse angetrieben werden, soll sich jetzt ändern. Dormagen hat mit dem „Chempark“ eine sehr große chemische Fabrik, in der nicht nur Wasserstoff anfällt, sondern die schon in Kürze zu Europas größter Wasserstoffanlage ausgebaut werden soll. Dementsprechend plant die Stadt jetzt im Interesse des Klimaschutzes für die Zukunft mit Hydrogen-(Wasserstoff-)Bussen.

Im November war ein erster Testwagen mit diesem Antrieb in der Stadt unterwegs. Der Wagen sollte zeigen, dass er auch für Stadtverkehr geeignet ist. DB-Tochter BVR, die ja die Busse in Dormagen stellt, hatte von ihrer DB-Schwester Autokraft aus Schleswig-Holstein einen Wagen vom Typ „H 2 City Gold“ des portugiesischen Herstellers Caetano ausgeliehen, der auf den Linien 881 und 882 eingesetzt wurde. Beide Linien verkehren – auf unterschiedlichen Wegen – zwischen dem Stadtzentrum (Bahnhof) und dem Stadtteil Hackenbroich.

Plakat am Bahnhof | © Christian Marquordt

Am 12. November wurde der Testbus vor dem Bahnhof präsentiert. Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld sagte: „Dieses Pilotprojekt ist für die Stadt Dormagen ein wichtiger Schritt in eine emissionsfreie Zukunft. Wasserstoff bietet enormes Potenzial, das wir nutzen wollen. Der geplante Bau eines großen Wasserstoffwerks in unserer Stadt bietet die besten Voraussetzungen für den Stadtbusverkehr.“ Und Bernd Strehl, Regionalleiter der „DB Regio Bus NRW“, ergänzte aus Sicht der Bahn: „Nachhaltigkeit ist unser Markenkern, deshalb setzen wir uns beim Klimaschutz ehrgeizige Ziele. Der Wasserstoffbus ist ein weiterer Baustein, diesen Zielen näher zu kommen, und er unterstreicht die innovative Ausrichtung der Busverkehr Rheinland“ (BVR). 

Angesichts der Reichweite des Busses von 400 Kilometern pro Tankfüllung wurde bei der Präsentation betont, dass der Hydrogenbus sämtliche Kurse im Dormagener Stadtnetz und damit auch längere Umläufe problemlos schafft, ohne unterwegs nachtanken zu müssen. Denn der längste Kurs im Netz bringt am Tag 300 Kilometer. Das Tanken dauert – ganz anders als bei einem Batteriebus, der zum Nachladen über Nacht  drei bis vier Stunden brauchen kann – nur wenige Minuten.

Der Fahrer findet an seinem Arbeitsplatz eine Anzeige, wieviel Strom der Bus aktuell verbraucht beziehungsweise wieviel Strom er beim Bremsen jeweils in die Batterien zurückspeist (rekuperiert).

Da der Hydrogenbus ungewöhnlich leise ist, kann er bis zu einer Geschwindigkeit von 30 km/h mit einem Ton dezent auf sich aufmerksam machen.  

Die zukünftigen Hydrogen-Stadtbusse in Dormagen sollen – natürlich – im „Chempark“ betankt werden. Geplant ist die Tankstelle bei Tor 14. Auf der Demonstrationsfahrt stellte man den zukünftigen Standort schon einmal vor. Noch allerdings gibt es die Tankstelle nicht, und so musste der Vorführwagen zum Tanken ins benachbarte Düsseldorf fahren. Das mag für einen Testwagen möglich sein, im normalen täglichen Linienbetrieb würde es indes natürlich gar nicht gehen: viel zu viele Leerkilometer.

Am Tor 14 des Chemparks, hier soll die Wasserstofftankstelle gebaut werden | © Christian Marquordt
Technische Daten des Caetano H 2 City Gold

Länge:  11.900 mm

Breite:  2.550 mm

Höhe:   3.500 mm

Fahrgastkapazität: 82 Fahrgäste, davon 39 Sitzplätze, 43 Stehplätze, 1 Rollstuhlplatz

Elektro-Zentralmotor von Siemens

Leistung: 180 kW

Drehmoment:  2.500 Nm

Brennstoffzelle von Toyota, Leistung 60 kW, auf dem Dach im Heck

Volumen des Wasserstofftanks:  37,5 kg, gespeichert bei einem Druck von 350 bar 

Speicher-Batteriezellen auf dem Dach vorne

Zellchemie: Lithium-Titanat-Oxid, 44 kWh Speicher-Kapazität

Reichweite des Busses pro Tankfüllung: 400 Kilometer

Innenraum von vorne nach hinten | © Christian Marquordt
Innenraum von hinten nach vorne | © Christian Marquordt
Heckansicht | © Christian Marquordt
Auf Linie 882 | © Christian Marquordt
17.11.2021
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