
2020 eröffnete die „Ruhrbahn“, der Verkehrsbetrieb der Stadt Essen – mit rund 600.000 Einwohnern viertgrößten Stadt in Nordrhein-Westfalen – und seiner westlichen Nachbarstadt Mülheim (Ruhr), im Süden der Stadt rund um den Stadtteil Werden drei Quartiersbus-Linien. Dies sind die Linien 182, 190 und 192: Linie 190 verbindet den S-Bahnhof Essen-Werden mit der „Ruhrlandklinik“, die auf den Höhen oberhalb des Tals der Ruhr liegt. Die Linien 182 und 192 sind gegenläufige Ringlinien mit dem Linienweg S-Bahnhof Werden – Fischlaken – Heidhausen – S-Bahnhof Werden (Linie 182) beziehungsweise umgekehrt (Linie 192). Linie 190 startet stündlich zur Minute 04 am S-Bahnhof Werden, die Linien 182 und 192 alle zwanzig Minuten ebenfalls am S-Bahnhof Werden, und zwar beide Linien jeweils zusammen.

Auf Linie 190 ist ein einziger Wagen unterwegs, der die insgesamt zehn Kilometer, die seine Linie für den Weg hin und zurück ab und zum S-Bahnhof Werden zurücklegt, in einer Stunde gút schafft. Anmerkung: aufgrund der Linienführung über schmale, steile und kurvenreiche Straßen sollte auch kein zweiter Bus auf der Linie unterwegs sein, denn bei weitem nicht überall auf dem Linienweg könnten zwei Wagen sich begegnen. Zu schmal sind stellenweise die Straßen – und das in einer Großstadt im Industrierevier an der Ruhr …
Auf den Linien 182 und 192 laufen je zwei, also insgesamt vier Wagen, beide Linien verkehren im 20-Minuten-Takt. Jeder der vier Busse fährt also alle 40 Minuten eine Runde ab S-Bahnhof Werden.
2020 beschaffte die Ruhrbahn für die fünf Kurse auf diesen drei Linien sechs Mercedes-Benz 519 CDi Sprinter City 75 (Wagen 2094 bis 2099), die im Mercedes-Werk Dortmund gebaut worden sind. Mercedes hat inzwischen das Werk Dortmund an „Tremonia“ abgegeben, nach wie vor entstehen hier die Sprinter Minibusse nach den Konstruktionsplänen von Mercedes, heute allerdings unter dem Markennamen „Tremonia“.
2024 erweiterte die Ruhrbahn ihren Wagenpark an Minibussen um zwei Mercedes Sprinter mit Aufbauten der österreichisch / slowenischen Firma Kutsenits (K-Bus) mit den Wagennummern 2494 und 2495.
Die Minibusse werden durchaus gebraucht, nicht nur auf Linie 190 zur Ruhrlandklinik, auch auf den Linien 182 und 192 geht es zum Teil steil, eng und kurvenreich zu. „Ausgewachsene“ 12-Meter-Busse hätten da so ihre Schwierigkeiten.
Die Ruhrbahn und die batterie-elektrischen Minibusse
Das Konzept mit den Minibussen auf den drei Linien hat sich bewährt. Nicht zuletzt der Umstand, dass die Ruhrbahn im vergangenen Jahr ihre „Flotte“ an Bussen für diese Linien um zwei weitere Wagen ergänzt hat, beweist das.
Aber die Ruhrbahn will auch auf diesen Linien „weg vom Diesel“ und hin zum batterie-elektrischen Bus. Und so hat man im Frühjahr schon zwei batterie-elektrische Minibusse getestet:
- einen nordirisch / chinesischen „Rightech RB 6“, Kind einer Kooperation des nordirischen Busbauers Wrightbus mit dem chinesischen Bushersteller King Long
- einen „Wisdom Sigma 7“, der bei der chinesischen „Wisdom Motor Corp.“ in der früheren britischen Kronkolonie Hong Kong entsteht.

Der Wisdom Sigma 7 in Essen
Der kleine Wisdom hat eine interessante Geschichte. Er erblickte das Licht dieser Welt Anfang dieses Jahrzehnts als „Mellor Sigma 7“ des britischen Busbauers „Mellor“ aus Rochdale in Mittelengland. Mellor bezog die leere Rohkarosse des Sigma 7 von der „Wisdom Motor Corp.“ und kompettierte sie im eigenen Werk in Großbritannien zum fertigen Elektro-Minibus. Als Testwagen war er zum Beispiel in Bonn, verkauft wurden drei Exemplare an die Kieler Verkehrs Gesellschaft (KVG). Sie laufen auf Linien am Stadtrand, auf denen „ausgewachsene“ Busse keine Chance hätten.
2024 wurde Mellor an die belgische Dumarey-Gruppe verkauft. Und Dumarey baut nach wie vor Minibusse auf Fahrgestellen von Iveco, MAN und Mercedes, die Fortführung des „Sigma“-Programms in Zusammenarbeit mit Wisdom wurde beendet. Worauf Wisdom eine weise Entscheidung traf: Die Rohkarosse des Sigma, bisher ja auch schon im Fertigungsprogramm, wird zum fertigen Elektrobus komplettiert.
Als Vertriebspartner für die „Sigma-Baureihe“ für den deutschsprachigen Bereich Europas gewann man Firma Jebsen & Jessen in Hamburg, die auch schon bislang der Vertriebspartner von Mellor war. Jebsen & Jessen hat drei weitere „Sigma 7“ an die Kieler KVG liefern können, dieses Mal nicht mehr als Mellor, sondern schon als Wisdom.
Und Wisdom hat dem kleinen Sigma ein Facelift spendiert, dass ihn moderner wirken lässt.







Der Test auf den Quartiersbus-Linien in Essens Süden
Der kleine Sigma 7 ist – heute selbstverständlich – ein Niederflurbus. Er kann 27 Fahrgäste befördern, von denen 14 einen Sitz- und 13 einen Stehplatz vorfinden. Die Sitze stammen vom deutschen Hersteller Kiel, der überhaupt sehr viele Linienbusse mit seinen Sitzen ausrüstet. An der breiten Mitteltür gibt es eine manuell ausklappbare Rollstuhlrampe. Die muss nicht mit einem Schüsselstab bedient werden, vielmehr kann der Fahrer die Rampe bequemer mit einem Seilzug bedienen. Da muss er sich nicht so weit herunterbeugen.
Der Elektromotor kommt vom Hersteller „Hande“ und hat eine Spitzenleistung von 150 kW (Dauerleistung 70 kW). Die Batterien steuert der Welt größter Batterie-Hersteller CATL bei, sie leisten 127 kWh und arbeiten mit der Zellchemie LFP (Lithium-Eisen-Phosphat). Die Wagen sind auf den Quartiersbus-Linien von 5 Uhr morgens bis 23 Uhr unterwegs, Verbrauchsmessungen zeigten, dass der Vorführwagen auf einer 10 Kilometer langen Runde bei laufender Klimaanlage 4 % des in den Batterien gespeicherten Stroms verbrauchte und deshalb bei einem Einsatz von 5 bis 23 Uhr nur 72 % seines Stroms verbrauchen werde. Bei weitem also keine Sorge, dass der Wagen mit leer gefahrener Batterie liegenbleiben könnte. Auch dann nicht, wenn der Stromverbrauch im Winter bei laufender Heizung nicht ganz so günstig sein wird: der Bus wird nicht liegenbleiben, die 180 Kilometer Tagesleistung schafft er immer. Gewissermaßen „locker“.
Der kleine Sigma 7 ist auf der Hinterachse zwillingsbereift. Er ist 6,99 m lang und 2,10 m breit.
Zum Fahreindruck auf der Vorführfahrt: da, wo Essens Quartiersbus-Linien unterwegs sind, geht es mitunter durchaus steil zu. Nicht nur auf Linie 190 auf dem Weg zur Ruhlandklinik, nein, auch auf Linie 182 im Stadtteil Fischlaken. Der Verfasser war beeindruckt, wie der kleine Sigma die Steigungen hinauf sprintete. Da hätte kein Dieselbus mithalten können. Die Chancen, den Fahrplan pünktlich einzuhalten, stehen also nicht schlecht, selbst wenn mal irgendwo Stau sein sollte, das Potential, eine Verspätung wieder aufzuholen, ist unbedingt da.
Und wenn es steil bergab geht? Dann rekuperiert der kleine Sigma und füllt seine Batterien wieder auf.
Und sonst? Der Fahrgast wird durchaus angenehm und bequem befördert.
25.06.2025