
In diesem exklusiven Gespräch spricht das Urban Transport Magazine mit Amos Haggiag, CEO und Mitgründer von Optibus, sowie Miki Szikszai, CEO von Snapper Services, über die wachsende Rolle von Daten und Künstlicher Intelligenz in der Planung des öffentlichen Verkehrs. Angesichts des steigenden Drucks auf Städte, effizientere, widerstandsfähigere und nachhaltigere Mobilitätslösungen zu liefern, haben sich Optibus und Snapper zusammengeschlossen, um leistungsstarke cloudbasierte Werkzeuge für Verkehrsunternehmen weltweit anzubieten. Wir sprechen über ihre gemeinsame Vision, die Bedeutung von Cybersicherheit, die Realität der Planung in unterschiedlichen Märkten – und wie KI Planer\:innen stärkt, nicht ersetzt.
UTM: Amos, beginnen wir mit Optibus. Wie hat sich das Unternehmen seit 2021 entwickelt?
Amos (Optibus): Im Jahr 2021 waren wir in 1.000 Städten, heute schon 6.000 Städte präsent und unser Team ist von 100 auf fast 400 Mitarbeiter\:innen angewachsen. Geografisch sind wir nun in Europa, Nord- und Südamerika, Asien und Afrika aktiv. Wir haben zwei große Finanzierungsrunden über je rund 100 Millionen Dollar abgeschlossen, wodurch wir 2022 den Status eines Unicorns erreicht haben.
Wir haben ein strategisches Planungswerkzeug für das langfristige Netzdesign eingeführt und in die Planung von Elektrobusflotten investiert – mit Unterstützung von Volvo. Zudem haben wir mit Operations and Control unsere Echtzeitfunktionen ausgebaut und eine Fahrer-App für bessere Kommunikation zwischen Fahrern und Depots eingeführt.
UTM: Das ist sehr beeindruckend. Miki, wie kam die Partnerschaft zwischen Snapper Services und Optibus zustande?

Miki (Snapper Services): Wir konzentrieren uns seit Jahren auf Analyse im öffentlichen Verkehr und haben unsere Mosaiq-Plattform entwickelt, um Verkehrsunternehmen beim Umgang mit historischen Daten zu unterstützen. Viele waren überfordert von unzuverlässigen und unstrukturierten Daten. Oft wurden hausgemachte Tools verwendet. Mosaiq bietet einen klaren, visuellen Überblick und ermöglicht es allen Beteiligten, mit denselben, zuverlässigen Daten zu arbeiten. Snapper Services ist vor etwa zwei Jahren in den Markt eingetreten, zunächst mit Betreibern im Vereinigten Königreich.
So kam der Kontakt zu Optibus zustande – unsere Produkte ergänzen sich ideal: Während sich Optibus auf Planung und Betrieb konzentriert, analysiert Mosaiq die Vergangenheit, um künftige Entscheidungen zu verbessern.
UTM: Was macht die Partnerschaft so erfolgreich?
Miki: Es ist eine Kombination aus technischer und kultureller Übereinstimmung. Unsere Teams sind sehr gut aufeinander abgestimmt – es fühlt sich an wie ein gemeinsames Team. Mosaiq liefert strukturierte, verlässliche Daten und Optibus nutzt diese zur Planung und Optimierung.
Amos: Genaue Daten sind bei der Analyse entscheidend. Wenn du z. B. eine neue Linie planst, musst du wissen, wie lange Fahrten tatsächlich dauern – an Wochenenden, Feiertagen, im Berufsverkehr. Wenn du eine Stunde veranschlagst, die Fahrt aber regelmäßig 90 Minuten dauert, bricht das System zusammen: Busse kommen zu spät oder Fahrten fallen aus.
Mit Snapper verfügen wir über präzise Echtzeitdaten, sodass die für die Optimierung berücksichtigten Laufzeiten auch stimmen. Snapper verbessert die Überwachung in Echtzeit und die Analyse der Fahrplanleistung.
Der nächste Schritt ist, historische Daten zu nutzen, um die künftige Fahrplanqualität zu steigern – hier kommt Optibus ins Spiel. Mit Snapper-Daten analysiert Optibus die Fahrpläne und passt Laufzeiten an, um Fahrten pünktlicher zu gestalten.
Miki: Unsere Daten zeigen genau, was wann und warum passiert ist. Das Bereinigen und Strukturieren ist komplex – aber essenziell.
Amos: Wenn wir die Daten haben, können wir Simulationen und Optimierungen durchführen. Wenn die Pünktlichkeit bei 70 % liegt und du 90 % willst, nutzt Optibus Snapper-Daten und KI, um Fahrten, Umläufe und Fahrzeuge entsprechend anzupassen.
UTM: Bedeutet höhere Pünktlichkeit nicht auch höhere Kosten?

Amos: Nicht unbedingt. Man kann die Leistung durch mehr Ressourcen steigern, aber das ist teuer. Unser System findet die Balance zwischen Zuverlässigkeit und Effizienz – oft verbessern wir den Service ohne größere Kostensteigerung. Beim ersten Mal fühlt sich das wie Magie an.
Miki: Genau. Einige Unternehmen fahren zwar pünktlich ab, kommen aber viel zu früh an – ineffizient. Zusammen identifizieren Snapper und Optibus solche Schwächen und optimieren die Ressourcennutzung.
UTM: Wie geht ihr mit Unvorhersehbarem wie Verkehrsstörungen um?
Amos: Unfälle lassen sich nicht vorhersehen, aber Muster schon – z. B. Stau jeden Montagmorgen oder Verzögerungen am Freitagabend. Damit erstellen wir realistischere, robustere Fahrpläne.
Miki: Genau. Nicht alles ist vorhersehbar, aber mit den richtigen Daten ist man besser vorbereitet.
Amos: Daten zeigen Wahrscheinlichkeiten – z. B. dauert eine Route meist eine Stunde, aber es besteht ein 10 %iges Risiko, dass sie viel länger braucht. Mit Mosaiq lässt sich die Ursache ermitteln. Vielleicht dauert das Verlassen einer Haltestelle zu lange – das ist direkt umsetzbar.
Wenn Verzögerungen zufällig auftreten, baut man Pufferzeiten ein. Wenn eine Fahrt um 9:00 endet und die nächste um 9:05 startet, könnte man das ändern, um Verspätungen zu vermeiden.
UTM: Ihr habt Optibus als Start-up begonnen. Wie ist es bei Snapper?

Miki: Wir gibt es seit 2008, aber wir arbeiten weiter mit Start-up-Mentalität – schnell, innovativ, wachstumsorientiert. Mosaiq ist ein SaaS-Produkt und wächst mit der Anzahl der Kunden und der Datenmenge.
UTM: Unterscheiden sich eure Marktansätze je nach Region stark?
Amos: Die Motivation für Optibus hängt eher vom Kundentyp ab als von der Region. Behörden achten auf Servicequalität, Betreiber auf Effizienz und Kosten. Jedes Land braucht ein lokales Team – Deutschland, Großbritannien, Lateinamerika – weil sich selbst Begriffe wie „pünktlich“ unterscheiden.
UTM: Und wie geht ihr mit Elektrobussen um?
Amos: Ein zentrales Thema. Wir optimieren, welche Linien sich für E-Busse eignen, Ladezeiten, Batterietypen und Stromkosten – diese variieren stark je nach Tageszeit. In Ländern wie Großbritannien werden Betreiber sogar bezahlt, wenn sie zu bestimmten Zeiten laden, um erneuerbare Energien besser zu nutzen.
UTM: Berücksichtigt ihr reale Schwankungen wie Batterieverbrauch im Winter?
Amos: Ja. Wir unterscheiden zwischen technischen und realen Bedingungen – z. B. Fahrgastlast, Temperatur usw.
Miki: Genau deshalb hat uns die Vision von Optibus überzeugt. Diese Komplexität cloudbasiert zu managen, ergibt Sinn.
UTM: Wie sieht die künftige Partnerschaft aus?
Amos: Wir bündeln unsere Tools zur Performance Suite. Kunden erhalten Optibus-Planungstools und Mosaiq-Datenanalysen in einem Paket.
Miki: Es sind zwei Systeme, aber integriert. Viele Funktionen laufen über APIs – für den Kunden wirkt es wie eine Lösung.
UTM: Wie steht es um Cybersicherheit?
Miki: Sehr wichtig. Mosaiq nutzt meist anonymisierte Daten, keine personenbezogenen Informationen (PII). Trotzdem nehmen wir Sicherheit ernst.
Amos: Optibus verarbeitet einige persönliche Daten, hauptsächlich von Fahrern. Alles ist verschlüsselt und DSGVO-konform. Wir machen jährliche Penetrationstests und erfüllen hohe Sicherheitsstandards – oft sicherer als die alten On-Premise-Systeme.

Amos: Viele denken, Server im Büro seien sicher – oft sind sie es nicht. ÖPNV-Systeme sind kritisch – wenn jemand deine Dienstplanung hackt, kann er ganze Städte stören. Deshalb ist Sicherheit zentral – auch wegen Terrorgefahr.
Miki: Genau. Cybersicherheit ist entscheidend. Alle unsere Teammitglieder erhalten Schulungen – meist ist der Mensch das schwächste Glied, nicht das System.
UTM: Verständlich. Ihr seid gerade in Berlin – Projekte in Deutschland?
Amos: Wir haben bereits mehrere deutsche Kunden, meist Verkehrsbehörden. Namen können wir noch nicht nennen, aber wir wachsen hier stark. Zwei Beispiele aus anderen Ländern: Transport for Wales, wo das gesamte Netz neu geplant wird, und Jacksonville, Florida – dort konnten wir die Pünktlichkeit um durchschnittlich 13 % steigern, in manchen Fällen sogar 18 %.
UTM: Sehr spannend. Wie sieht die Zukunft aus? Werden KI und GenAI Planer\:innen ersetzen?
Amos: Nein, sie werden sich verändern. KI unterstützt Planer, hilft bei Entscheidungen. Es geht darum, Menschen zu stärken, nicht zu ersetzen.

Miki: Genau. Planung ist komplex – Kosten, Abdeckung, Auswirkungen. KI macht Zusammenhänge sichtbar, aber Menschen treffen Entscheidungen. Außerdem bringen sie lokales und politisches Wissen ein.
Amos: Und da es etwa in Deutschland einen Mangel an Planern gibt, kann KI helfen. Auch kleinere Agenturen ohne große Teams können so qualitativ hochwertig planen.
UTM: Also effizientere und anpassungsfähigere Planung?
Amos: Genau. Städte verändern sich ständig. Planer brauchen Werkzeuge, um schnell auf neue Daten zu reagieren – sei es Nachfrage, Betrieb oder Rückmeldung von Fahrgästen.
Miki: Deshalb sehen wir die Zukunft in „smarter“, nicht weniger Planung – mit Mosaiq und weiteren Tools.
UTM: Vielen Dank für das Gespräch!
Amos & Miki: Danke Ihnen.
15.06.2025