
Der Aufbau ganz neuer Schienennahverkehrssyteme zählt in Deutschland – im Vergleich zu manch anderen Ländern – noch immer zu den großen Ausnahmen.
Im Großraum Neckar-Alb, im weiteren Umfeld der Städte Reutlingen und Tübingen, wird seit zwei Jahrzehnten an der Planung und Umsetzung der Regional-Stadtbahn gearbeitet, nach internationalem Kriterien wohl am besten als Tram-Train zu bezeichnen. Bestehende Eisenbahnlinien sollen ausgebaut und mit neu zu errichteten Teilstrecken nach Stadtbahnstandard vor allem im städtischen Umfeld verknüpft werden. Auf diese Weise soll im Endausbau – nach jetzigem Planungsstand – bis Mitte des nächsten Jahrzehnts ein Netz von rund 200 km Länge entstehen. Davon besteht der überwiegende Teil aus mitzunutzenden und/oder anzupassenden, bestehenden Bahnlinien, die zum Teil elektrifiziert werden. Dazu kommen rund 38 km Neubaustrecken, teilweise als Reaktivierung früher schon einmal betriebener Nebenbahnen. Insgesamt handelt sich dabei um neun miteinander verknüpfte Einzelstrecken in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen und dem Zollernalbkreis.
Im Einzelen sind dies:
- Ammertalbahn >> Tübingen Hbf – Entringen – Herrenberg
- Neckar-Alb-Bahn >> Metzingen – Reutlingen Hbf – Tübingen
- Ermstalbahn >> Metzingen – Bad Urach
- Innenstadt Reutlingen & Echaztalbahn >> Reutlingen Hbf – Reutlingen Süd – Pfullingen – Unterhausen – Honau – Traifelberg – Engstingen
- Gomaringer Spange >> Reutlingen Hbf – Ohmenhausen – Gomaringen – Nehren – Mössingen
- Obere Neckarbahn >> Tübingen – Rottenburg – Eyach – Horb
- Zollern-Alb-Bahn >> Tübingen – Mössingen – Hechingen – Balingen – Albstadt-Ebingen
- Hohenzollernbahn >> Hechingen – Burladingen
- Talgangbahn >> Albstadt-Ebingen – Albstadt-Onstmettingen

Die TramTrain Fahrzeuge
Beschafft werden für den Einsatz auch auf diesen Linien Fahrzeuge des VDV TramTrain Modells, das Stadler Rail als Teil einer Gemeinschaftsbestellung von mehreren deutschen und österreichischen Verkehrsunternehmen aus seinem Werk in Valencia ab 2027 auch an die Regional-Stadtbahn Neckar-Alb (RSBNA) liefern wird. Wir haben über die Fahrzeuge u.a. hier bereits berichtet:
https://www.urban-transport-magazine.com/mock-up-des-vdv-tramtrain-vorgestellt/.
Das Land Baden-Württemberg beschafft die Fahrzeuge über die Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg (SFBW), fest bestellt sind 30 Wagen, bis zu 87 Fahrzeuge können aber optional geliefert werden. Die RSBNA Wagen haben eine Einstiegshöhe von 350 mm und vier Türen pro Seite. Die Fahrzeuge werden für den Mischbetrieb sowohl als Eisenbahn gemäß der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) als auch als Straßenbahn gemäß der Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) zugelassen werden. Sie können dabei zwei unterschiedliche Stromsysteme nutzen, 15 kV, 16,7 Hz Wechselstrom (Eisenbahn) und 750 V Gleichstrom (Straßenbahn).



Als Teil der baden-württembergischen Nahverkehrsflotte erhalten die Züge das gelb-schwarze „bwegt“-Design. Im Sommer 2027 stellte „bwegt“ das neue Design der Fahrzeuge schon einmal vor, und eine Delegation präsentierte und erläuterte es auch am ersten fertiggestellten Vorserienwagen der Saarbahn, der auf der InnoTrans 2024 in Berlin ausgestellt war. Die erste, von den VDV TramTrain befahrene Strecke wird voraussichtlich die Ermsttalbahn Metzingen – Bad Urach sein.
Jüngste Entwicklungen
Für die die Echaztalbahn Reutlingen – Engstingen und die sogenannte Gomaringer Spange Reutlingen – Gomaringen – Nehren konnten die Machbarkeitsstudien 2023 abgeschlossen werden, im Sommer 2024 hat die Vorplanung begonnen. An deren Ende werden unter anderem die Entscheidungen für den endgültigen Trassenverlauf der Regional-Stadtbahn in der Reutlinger Kernstadt, in Pfullingen, Betzingen und Ohmenhausen erwartet.



Im Juli 2024 wurden drei Ingenieurbüros mit der Vorplanung beauftragt: Den Abschnitt durch die Reutlinger Kernstadt von Reutlingen West über Reutlingen Hbf nach Reutlingen Süd untersucht federführend die DB Engineering & Consulting GmbH, die auch die Gesamtkoordination der Vorplanung übernimmt. Für die Echaztalbahn zwischen Reutlingen – Pfullingen – Engstingen ist die Ramboll Deutschland GmbH verantwortlich, die Gomaringer Spange im Abschnitt Reutlingen – Betzingen – Ohmenhausen plant federführend die Schüßler-Plan GmbH.
Ab Ende 2024 sollen die ersten Untersuchungsergebnisse aus der Vorplanung in den kommunalen Gremien vorgestellt und diskutiert werden; zunächst auf Machbarkeitsniveau (grundsätzliche, vor allem technische Machbarkeit der Varianten), später auf Entscheidungsniveau (Entscheidung über die Vorzugsvariante) und schließlich auf Vorplanungsniveau (Ausplanung der Vorzugsvariante). Die Vorplanung bildet dann die Grundlage für die anschließende Planfeststellung. Die Entscheidungen über die Varianten sollen im zweiten Halbjahr 2025 in den beteiligten Gemeinderäten, im Reutlinger Kreistag und in der Verbandsversammlung des Zweckverbands fallen. Mit dem Abschluss der Vorplanung rechnet der für die Planungen verantwortliche Zweckverband Regional-Stadtbahn Neckar-Alb im Frühjahr 2026. Parallel zu den Diskussionen und Entscheidungen in den politischen Gremien wird es eine breit angelegte Bürgerbeteiligung geben.
Am 23. Oktober 2024 wurde der Vertrag für die Reaktivierung der Talgangbahn unterzeichnet – die landeseigene SWEG Schienenwege GmbH übernimmt die Verantwortung für Planung, Bau, Instandhaltung und Betrieb dieser Strecke. Dabei handelt es sich um eine seit Jahren brachliegende Nebenbahn, die früher von der Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft (WEG) als sogenannte „Stadtbahn Albstadt“ zwischen den Stationen Albstadt-Ebingen und Onstmettingen mit Dieseltriebwagen betrieben wurde. Auf der Talgangbahn soll später die Linie S1 der Regional-Stadtbahn verkehren. Die Planfeststellung ist für das Jahr 2027 vorgesehen, mit einem geplanten Baubeginn im Jahr 2028. Ab 2030 soll die Talgangbahn im Pendelbetrieb zwischen Albstadt-Ebingen und Albstadt-Onstmettingen in Betrieb gehen.


Weitere Projektschritte
Zu den anstehenden, weiteren Maßnahmen gehören u.a.:
- Abschluss Vorplanung und Variantenentscheide BOStrab-Strecken und anschließende, Gremien- und Bürgerbeteiligung
- Abschluss von Planungsvereinbarungen mit der DB InfraGO AG über Ausbau und Elektrifizierung der DB-Strecken
- Vorbereitung der TramTrain-Inbetriebnahme und Aufbau eines Unterhaltungs- und Werkstattkonzepts
- Konkretisierung des Energieversorgungskonzepts
- Aufbau der Aufgaben der zuständigen Behörde gemeinsam mit der NVBW und Vergabestrategie für der ersten RSBNA-Verkehrsleistungen
- Aktualisierung der Standardisierten Bewertung zur Vorbereitung des ersten GVFG-Finanzierungsantrags

