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Halbjahresbilanz von Bahnindustrie in Deutschland: Starker Umsatz steht drastischem Auftragseinbruch aus dem Ausland gegenüber

Siemens Mireo Produktion in Krefeld - im ersten Halbjahr 2020 fiel der Auftragseingang für Fahrzeug geringer aus als im Jahr 2019 I © Siemens Mobility

Der Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) e.V. zieht Bilanz für das erste Halbjahr 2020: Mit 6,4 Milliarden Euro Umsatz erzielt die Bahnindustrie in Deutschland im Betrachtungszeitraum einen Höchstwert. Im Vergleich zum Vorjahr steigt dieser um 25,5 Prozent. „Ein Plus, das die hohen Auftragseingänge der letzten beiden Jahre reflektiert und vor allem die Resilienz der Bahnindustrie in Deutschland spiegelt. Unsere Lieferketten haben entlang der gesamten Wertschöpfungskette gehalten, von den Systemhäusern bis zum Mittelstand. Trotz weltweiter Shutdowns”, sagte VDB-Präsident Andre Rodenbeck. Das Inlandsgeschäft steigt um 18 Prozent. Auch der Exportumsatz wächst um 39 Prozent und macht damit weiterhin rund 40 Prozent des gesamten Umsatzes aus.

Entwicklung von Umsatz und Auftragseingang der deutschen Bahnindustrie seit 2001 I © VDB

Am stärksten bleibt das Fahrzeuggeschäft mit 4,4 Milliarden Euro Umsatz und einem Plus von 26 Prozent. Auch der Infrastrukturbereich wächst um 25 Prozent an. Die Beschäftigungszahl bleibt stabil bei 53.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Eine hervorragende Umsatzbilanz, zumal in Zeiten der Krise. Aber ich warne davor, die Bücher hier vorschnell zu schließen. Die Produktion unserer Unternehmen heute spiegelt die vollen Auftragsbücher der Vorjahre. Die Auswirkungen der Krise wird unsere Industrie folglich erst im Laufe dieses Jahres und den darauffolgenden Jahren zu spüren bekommen“, warnte Rodenbeck.

Auch in Zeiten von Corona wurde kräftig in die Infrastruktur investiert – Einbau einer Weiche auf der Schnellfahrstrecke Mannheim – Stuttgart I © Deutsche Bahn AG / Markus Kehnen

So sinkt der Auftragseingang um 6,3 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro. Während die Auftragslage auf dem Heimatmarkt um 18 Prozent steigt, bricht der Auslandsauftragseingang dramatisch ein. Mit 2,3 Milliarden Euro sinkt der Auftragseingang außerhalb Deutschlands um 36 Prozent. Die Aufträge aus dem Ausland im Fahrzeugbereich schrumpfen sogar um 53 Prozent. „Als globale Exportindustrie sehen wir die Auftragsperspektiven auf dem Weltmarkt mit großer Sorge“, so Rodenbeck. „Für die Negativspirale im Export sehe ich vor allem zwei Gründe. Erstens werden öffentliche Investitionen in Schienenprojekte im Ausland wegen der Krise teils zurückgefahren, verschoben oder zur Disposition gestellt. Und zweitens sind Exportaufträge eng verknüpft mit Beratungen vor Ort, die oft kaum noch möglich sind. Effektive Krisenpolitik muss eine sehr hohe Schutzwirkung mit möglichst geringen wirtschaftlichen Auswirkungen verbinden,“ so Rodenbeck. Reisebeschränkungen müssten europaweit besser koordiniert werden und nötige weltweite Geschäftsreisen durch hinreichende Testkapazitäten vor allem an Flughäfen gesichert werden. Es gehe darum, vermeidbare gravierende Negativfolgen für exportorientierte Unternehmen durch bessere Umsetzung und EU-weite Koordinierung zu reduzieren, sagte Rodenbeck.

Vergleich des Umsatzes zwischen 2019 und 2020 I © VDB

Digitalisierungsoffensive für den Green Re-Start

Entscheidend seien darüber hinaus gezielte Grundlageninvestitionen in eine Digitalisierungsoffensive. „Investitionen in die beschleunigte Digitalisierung der Schiene und in alternative Antriebe können bisherige Antagonisten verknüpfen: Klimaschutz und Wirtschaftswachstum“, so Rodenbeck. Das Konjunkturpaket sehe das Vorziehen von Investitionen in digitale Infrastruktur vor, auf dessen Grundlage der VDB ein Schnellläuferprogramm für einen vorgezogenen Start des Flächenrollouts der Digitalen Schiene Deutschland vorschlage. „Damit können kurzfristig wirksame Konjunktur- und Beschäftigungseffekte ausgelöst werden und zugleich die Grundlagen für eine klimafreundliche Mobilität in Deutschland gelegt werden“, sagte Rodenbeck. Nach Hochrechnungen könne das Schnellläuferprogramm die Grundlage für bis zu 10.000 industrielle Arbeitsplätze schaffen. Das Programm ziele darauf ab, durch den Austausch und das Upgrade nicht-zeitgemäßer Stellwerke die technische Basis für die weitere Digitalisierung und Automatisierung der Schiene zu schaffen. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung sowie die Recovery and Resilience Facility der EU würden eine starke finanzielle Basis legen, um die Digitalisierung 2020 und 2021 in einem 360 Grad-Ansatz massiv voranzutreiben – von Automatisierung (ATO) über Predictive Maintenance bis zur Smart Factory oder kundenfreundlicheren, hochmodernen Bahnhöfen.

Zumindest in der Schienenfahrzeugindustrie ist ein starker Auftragseinbruch zu verzeichnen I © VDB

Vergabereform für den Green Re-Start

„Gezielte Grundlageninvestitionen müssen das Tempo deutlich erhöhen. Doch es muss nicht nur viel, sondern vor allem klug investiert werden“, sagte VDB-Hauptgeschäftsführer Dr. Ben Möbius. Eine Zweckbindung staatlicher Investitionen gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise an Nachhaltigkeit und europäische Produktion seien dringend notwendig, um innovative Lösungen weltweit aufs Gleis zu bringen. Für den Green Re-Start in Europa, aus Europa.

Quelle: VDB

13.11.2020
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