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Induktiv laden in Balingen: Der bulgarisch-chinesische Elektrobus von Higer

© Stadtwerke Balingen

Vom 5. Mai bis zum 24. September 2023 findet in Balingen die diesjährige Landesgartenschau Baden-Württembergs statt. Dafür ist eine Shuttlebus-Linie eingerichtet worden, die die Besucher der Gartenschau vom Bahnhof und einem Parkplatz an der Messe über die Stadtmitte zum Veranstaltungsgelände an der Stadthalle bringt.

Ein besonderer Bus

Das Besondere an dieser Linie ist der Bus, der hier eingesetzt wird. Nicht nur, weil er ein chinesischer Higer vom Typ „KMQ 6125 GEV 3“ ist, wenn auch gebaut bei Higers bulgarischer Tochter Chariot. Und eine kleine Anmerkung sei gestattet: diese Typenbezeichnung ist typisch chinesisch. Im Reich der Mitte vergeben nicht die Hersteller die „Namen“ für Ihre Fahrzeuge, sondern das macht der Staat zentral. So steht denn  auch in der zitierten Typenangabe die Buchstabenkombination „KMQ“ für Higer. Allerdings vergeben große Hersteller wie zum Beispiel BYD, die längst auch in Europa mit Erfolg „angekommen sind“, parallel auch Typennamen, wie man sie bei uns weit eher gewohnt ist. So gibt es bei BYD zum Beispiel einen „eBus-12“, einen „eBus-18“ oder einen „eBus-19“.

Der Higer also lädt auf seinem Weg zur Gartenschau in der Innenstadt auf der Wilhelmstraße jedes Mal, wenn er hier entlang fährt, induktiv nach. In die Fahrbahn der Straße sind auf einer Länge von 400 Metern Induktionsspulen eingelassen worden. Sobald der Bus diese Spulen überfährt, schalten die sich in dem kurzen Abschnitt, in dem der Bus gerade ist, ein, erzeugen Magnetfelder mit einer hchen Frequenz und induzieren so einen Ladestrom, der von Empfangsspulen unter dem Bus aufgenommen wird und mit dem die Batterien des Wagens nachgeladen werden. Die Induktionsspulen in der Straße sind über Kabel an das städtische Stromnetz angeschlossen. Zudem  werden die Batterien an den beiden Haltestellen Stadthalle und Messegelände aufgefüllt. Auch hier wird induktiv geladen, aber hier steht der Bus dabei.

Streckenskizze der ersten Ausbaustufe | © Projektpräsentation ELINA
Der Higer in der Balinger Wilhelmstraße | © Stadtwerke Balingen
Die Ladespulen werden in der Wilhelmstraße eingebaut | © Stadtwerke Balingen


Nach der Landesgartenschau im normalen Stadtverkehr

Nach der Landesgartenschau soll der Higer im ganz normalen Balinger Stadtverkehr auch auf weiteren Linien eingesetzt werden. Dazu sollen auch in einer zweiten Straße Induktionsspulen in die Fahrbahn  eingelassen werden, dieses Mal sogar auf einer Gesamtlänge von 600 Metern (Ausbaustufe 2).

Die Projektpartner

Projektpartner beim Einsatz dieses Elektrobusses in Balingen sind das israelische Unternehmen ElectReon, das für die in der Straße eingebaute Ladeinfrastruktur mit dem Namen ERS (Electric Road System) und die beiden stationären Ladestationen zuständig ist. ElectReon Deutschland hat seinen Sitz in Pulheim, einer unmittelbaren Nachbarstadt von Köln im Kreis Bergheim. Der Bus in Balingen ist auf ElectReon zugelassen und trägt deshalb ein Kennzeichen mit „BM“. Ferner sind als Partner am Projekt beteiligt das Kmarlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Stadtwerke Balingen, der Energieversorger EnBW und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das Projekt hat den Namen ELINA (Einsatz dynamischer Ladeinfrastruktur Im öffentlichen Personen-NAhverkehr).  

Technische Daten des Higer KMQ 6125 GEV 3

  • Länge: 12.000 mm
  • Breite: 2.550 mm
  • Höhe: 3.398 mm
  • Elektromotor: Siemens 1 DB 2016-2 NB 06
  • Batterie: Lithium-Eisen-Phosphat (LiFePh)
  • Vorderachse: ZF RL 82 A (alternativ ZF RL 85 A)
  • Antriebsachse: ZF AVE 132
  • Lenkung: Bosch 8098
  • Bremsen:
    WABCO Scheibenbremsen
    EBS = Elektronisches Brems System
    ABS = Anti-Blockier-System
    ASR = Anti-Schlupf-Regelung
  • Federung: ECAS II mit Kneeling
  • Heizung / Klima: Spheros     
Higer auf der Wilhelmstraße über den induzierenden Ladespulen | © Stadtwerke Balingen
10.05.2023
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Pierre Ofzareck
Pierre Ofzareck
11 Monate zuvor

Ich frage mich, ob das Nachladen von Elektrobussen im Linienverkehr künftig überhaupt noch nötig sein wird. Bei gut 400 Km Reichweite sind wir ja jetzt schon angekommen. Neue Akkutechnologien mit deutlich höherer Leistungsdichte versprechen deutlich höhere Reichweiten bei gleichem Fahrzeuggewicht. Ich bin kein Fan der ganzen Opportunity Charging Systeme, weil ich sie alle nur für Krücken halte, die nur noch so lange gebraucht werden, bis die Akkus die notwendige Energiedichte erreicht haben. CATL hat jetzt einen Akkutyp vorgestellt, der 500 Wh/Kg leisten soll. Wenn dieser Akkutyp Platz in Bussen und LKW findet, reicht das für 800 Km Reichweite. Das reicht aus für einen ganzen Tag auf Linie und Nachladen nur im Depot. Ist Opportunity Charging also am Ende nur eine Teure Infrastruktur, die schon in wenigen Jahren niemand mehr braucht? Ich fände es wichtiger, die Akkus und die Ladetechnik im Bus so zu bauen, dass sie updatefähig ist und man so einen Bus hat, der immer wieder mit aktuellen Akkus bestückt werden kann, wenn neue Akkutypen mit höherer Leistungsdichte marktreif werden, denn derzeit geht die Entwicklung bei den Akkus schneller voran, als sich diese Infrastruktur am Ende rechnen könnte.

Ist es da jetzt nicht besser, einfach zwei Busse einzusetzen und man tauscht den Bus dann bei etwa der Hälfte seiner Schicht einfach aus?

Andererseits kann man mit solchen Systemen natürlich auch den umgekehrten Weg gehen, und bei leistungsstärkeren Akkus halt die Batteriepakete verkleinern, was den Bus am Ende deutlich leichter machen würde, als seinen Dieselpendanten. Und jedes Kilogramm weniger Gewicht schlägt beim hocheffizienten Elektroantrieb sofort voll durch, spart also Energie ein, weil eine große Masse wegfällt, die ständig mit beschleunigt werden muss. Nur wie lange dauert es dann alleine, bis sich die doch recht aufwändig zu installierende Infrastruktur rechnet. Schlussendlich bleibt auch die Frage, wie hoch am Ende die Ladeverluste beim induktiven Laden sind. Die Ladeverluste sind meines Wissens deutlich höher als bei Ladung über Stecker oder Stromabnehmer.