Wir hatten bereits vor knapp einem Monat einen ersten Blick im Herstellerwerk auf die neuen Bahnen werfen können (https://www.urban-transport-magazine.com/neue-flexity-tram-fuer-berlin-kurz-vor-fertigstellung/) – nun folgte die offizielle Vorstellung in Berlin: Auf dem Betriebshof Lichtenberg nahmen BVG-Betriebsvorstand Dr. Rolf Erfurt und Straßenbahn-Bereichsleiter Rico Gast heute, am 3. Juli 2024, den ersten Neuwagen von Müslüm Yakisan, Regionalpräsident für die DACH-Region beim Hersteller Alstom, entgegen. Und weil neue Schienenfahrzeuge immer etwas ganz Besonderes sind, kamen zur Premiere auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner, die Wirtschaftssenatorin und BVG-Aufsichtsratsvorsitzende Franziska Giffey und Verkehrssenatorin Ute Bonde.
Mit 50,89 Metern Länge und einer Breite von 2,40 Metern stellt die neue Straßenbahngeneration der BVG alle bisherigen Fahrzeuge deutlich in den Schatten. Die neuen Bahnen – Urbanliner genannt – werden vorrangig für Berlins meist genutzte Straßenbahnlinie gebaut. Rund 100.000 Fahrgäste am Tag sind auf der M4 unterwegs, 18 Bahnen fahren pro Stunde und Richtung. Rekord im größten Straßenbahnnetz Deutschlands, auch wenn die Fahrgastzahlen der M10 sicher sehr nah diese Zahlen heranreichen.
Die neuen Fahrzeuge sollen ab dem 1. Quartal 2025 im Fahrgastbetrieb auf der M4 schrittweise die bisher dort eingesetzten sogenannten Doppeltraktionen aus zwei gekoppelten Bahnen der Baureihe GT6 ersetzen. Sie bieten Platz für bis zu 312 Fahrgäste, noch einmal rund 12 mehr als in den bisher eingesetzten gekoppelten GT6-Zügen.
„Die Straßenbahn ist auf Wachstumskurs“, sagt Dr. Rolf Erfurt, BVG-Betriebsvorstand. „Das gilt nicht nur für unser Netz, das gilt erfreulicherweise auch für die Fahrgastzahlen. Und jetzt sogar für die Fahrzeuge, denn die Urbanliner sind die längsten Straßenbahnen in der Geschichte der BVG. Mit dem neuen Fahrzeugtyp nutzen wir die langen Haltestellen auf der M4 jetzt, um dort mehr Kapazität zu schaffen, wo die Nachfrage am größten ist. Unsere Fahrgäste können sich aber nicht nur über mehr Platz freuen, sondern auch über weitere Neuerungen, die ihnen unmittelbar zugutekommen.“
Die Liste der Ausstattungsdetails ist lang: Die neue Fahrwerkskonstruktion erhöht die Laufruhe merklich und reduziert Erschütterungen. Im Innenraum sorgt ein neues Beleuchtungskonzept für Wohlbehagen und wechselt abhängig von Tages- und Jahreszeit die Lichttemperaturen zwischen Kalt- und Warmweiß. Und an den Türen signalisieren nicht nur Warntöne, sondern auch grüne und rote LED-Streifen deutlich, wann Fahrgäste einsteigen können und wann sie besser zurückbleiben sollten.
Auch das wichtige Thema Barrierefreiheit spielte bei der Entwicklung der Urbanliner eine maßgebliche Rolle. Große Mehrzweckabteile bieten Platz für Fahrgäste mit Rollstuhl oder Rollator. Komfortsitze mit einer Höhe von 51 Zentimetern stehen für mobilitätseingeschränkte Menschen zur Verfügung. Ebenso gibt es die besonders niedrigen Sitze (40 Zentimeter) für kleine und kleinwüchsige Menschen. Haltestangen mit „Golfballstruktur“ an den Türen verbessern die Orientierung von Blinden und Sehbehinderten beim Ein- und Ausstieg. Eine zusätzliche Spaltüberbrückung erleichtert den barrierefreien Einstieg nun auch an Haltestellen mit linksseitigem Einstieg.
Erstmals wird eine BVG-Straßenbahn komplett ohne Außenspiegel auskommen. Stattdessen gibt es ein System von Kameras, das den Blick nach in allen Situationen verbessert. Auch die letzte Tür ist damit immer im Blick, einen toten Winkel gibt es praktisch nicht mehr. Außerdem wurde ein Assistenzsystem für das Fahrpersonal installiert, das vor Hindernissen im Fahrbereich des Fahrzeuges warnt.
Die neuen Fahrzeuge werden größtenteils im Werk im sächsischen Bautzen montiert. Der Rahmenvertrag mit dem Hersteller sieht eine maximale Bestellmenge von 117 Fahrzeugen des Typs Urbanliner vor. Im ersten Abruf hat die BVG nun 20 lange Fahrzeuge bestellt, die ab diesem Sommer bis 2026 ausgeliefert werden sollen.