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Karsan fokussiert sich auf auf elektrische und autonom fahrende Busse

Atak Electric Autonom teilautonom fahrender Bus | © Karsan

SCHWERPUNKTTHEMA: Alternative Antriebe

Zu Karsan

1966 wurde in der türkischen Stadt Bursa der Busbauer Karsan gegründet. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit war Karsan auf Mini- und Midibusse spezialisiert, und man ist mit ihnen auch durchaus erfolgreich, vor allem im Heimatland Türkei, wo Mini- und Midibusse ohnehin eine deutlich größere Rolle spielen als beispielsweise bei uns in Mitteleuropa. Aber Karsan expandiert, auch in Richtung großer Omnibusse. So erwarb man Anfang des vergangenen Jahrzehnts die Lizenzrechte, die Stadtbusse der Baureihe „Citymood“ der italienischen Firma „(Breda-)Menarinibus“ zu produzieren. Und als die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, half Karsan ihr wieder auf die Beine, indem man 70 % ihrer Anteile übernahm. Seither „läuft der Laden wieder“, und zwar jetzt unter dem Namen „Industria Italiana Autobus (IIA“). Und damit gehören jetzt zum Angebotsprogramm von Karsan auch ganz offiziell die Citymood-Stadtbusse.

Kleine Anmerkung: der Firmenname Karsan dürfte eigentlich eine türkische Abkürzung sein. Kar ist das türkische Wort für Reisebus, San ist eine Abkürzung für das türkische Wort für Gesellschaft: Karsan dürfte also so viel wie „Reisebus-Gesellschaft“ bedeuten.

Karsan baut seine Busse in der Stadt Bursa, die im asiatischen Teil des Landes nicht weit entfernt von Istanbul liegt. Hier besitzt man ein Werksgelände von 200.000 Quadratmetern, in dessen Fabrikhallen jeden Tag 180 fertige Busse entstehen. Der oberste Chef von Karsan heißt Okan Bas. Bei Entwicklung und Programmierung des autonomen Busses arbeitet man eng zusammen mit dem kalifornischen Unternehmen Adastec, an dessen Spitze Dr. Ali Ufuk Peker steht.

Auf einer Internet-Pressekonferenz am 25. Februar nannte Bas als Haupt-Entwicklungsrichtungen von Karsan

  • den elektrisch fahrenden Bus
  • und den autonom fahrenden Bus.

Dementsprechend präsentierte man jetzt den jüngsten Spross des Hauses, den Midibus Atak Electric. Und zwar als Weltpremiere erstmals als autonom fahrenden Bus. Er wird zu 100 % alternativ angetrieben. Der Wagen ist 8.320 mm lang – und damit der erste autonom fahrende Bus in dieser Größe auf den europäischen Märkten. Er kann 52 Fahrgäste befördern, und seine Batterien verleihen ihm eine Reichweite von 300 Kilometern.

Okan Bas wies darauf hin, dass autonome Busse bislang immer deutlich kürzer gewesen sind. Schon wegen seiner Fahrgastkapazität sei der autonome Atak deshalb also ein deutlicher Fortschritt. Denn die Bedeutung des öffentlichen Verkehrs nehme weltweit zu. Nicht nur zu den augenblicklichen Zeiten der Corona-Pandemie, sondern zum Beispiel auch als Gegenmaßnahme zum Klimawandel. Und der Atak Electric gestatte es, die natürlichen Energiequellen zu schonen. Denn die Verstädterung der Welt nehme zu: lebten schon heute 50 % der Menschheit in Städten, so werde dieser Prozentsatz schon in absehbarer Zeit auf 70 % steigen.

Weltweiter Marktführer auf dem Gebiet alternativer Antriebe sei heute China. Auf den folgenden Plätzen folgten Europa, die USA und weitere Länder in Asien wie Japan, Indien und Südkorea.

Karsan hat, so Bas, „2018 erstmals seine Fenster zur neuen Technik des Elektroantriebs aufgestoßen.“ Ende jenen Jahres wurde ein erster Bus des Typs Jest fertiggestellt, der mit Elektromotor und Batterie des BMW i3 ausgerüstet war (und ist). Die Batterie hat eine Kapazität von 220 kWh. Dieser Jest Electric hatte schon nach kurzer Zeit einigen Erfolg auf dem Markt, so dass Karsan schon bald seinen großen Bruder Atak ebenfalls als Elektrobus und ebenfalls mit BMW-Elektrik folgen ließ.

Der öffentliche Personen-Nahverkehr werde, so Bas, spürbar beliebter. Denn man brauche mit dem eigenen Auto nicht nur viel Zeit, um von A nach B zu kommen, sondern auch zunehmend sehr viel Zeit für die Suche nach einem Parkplatz. Fahre der öffentliche Busverkehr wie der neue autonome Atak elektrisch, leiste er zudem einen wesentlichen Beitrag zu saubererer Luft in unseren Städten. Und weil der autonome Atak elektrisch fährt, helfe er nicht zuletzt, den Verbrauch fossiler Kraftstoffe zu senken.

Bas: „Es ist offensichtlich, dass elektrische und autonome Fahrzeuge eine immer größere Rolle im Verkehr spielen werden.“

Karsan CEO Okan Baş and Adastec CEO Ali Ufuk Peker | © Karsan

Autonomer Bus ideal für die Linie

„Linienbusse“, so Okan Bas, „verlassen nur selten ihren Linienweg. Deshalb sind sie geradezu ideal für autonomes Fahren, denn so können sie relativ einfach speziell für ihren Linienweg programmiert werden.“ Zum Beispiel könne man ihre Programmierung so am Linienweg orientieren, dass der „Fahrstil“ des Wagens sich an der Topographie der Strecke ausrichte und so deutlich Antriebsenergie gespart werde.

Software „flowride.ai“ von Adastec

Um autonom fahren zu können, ist der Bus rundum mit Sensoren ausgestattet. Die Software nennt sich „flowride.ai“ und wurde von der kalifornischen Firma Adastec beigesteuert. Sie sorgt dafür, dass der Bus nicht nur den Straßenverlauf erkennt, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer. So also zum Beispiel auch den Fahrrad- oder Motorradfahrer. Überhaupt muss er auf jedes lebende oder auch nicht lebende Objekt im und am Fahrweg reagieren. Oder natürlich auch auf Ampeln – und darauf, ob sie jeweils gerade rot, gelb oder grün anzeigen. Eine besondere Aufgabe bei der Programmierung sind Zebrastreifen gewesen, denn hier muss der Bus nicht nur erkennen, ob da gerade Fußgänger unterwegs sind, sondern unter Umständen auch sehr schnell reagieren, wenn ein Fußgänger – im Vertrauen auf sein Vorrecht – sehr kurz vor den Bus tritt. Dr. Peker: „Der Bus muss ständig lokalisieren, wo er sich gerade befindet. Und er muss ständig alle Objekte rund um sich herum überprüfen: bewegen sie sich, und wenn ja, wohin? Dazu scannt der autonome Atak Electric 20 mal in jeder Sekunde (!) seine Umgebung.

Zum autonomen Karsan Atak Electric

Okan Bas nannte deutliche Vorteile des autonomen Busses.

  • Natürlich zunächst den offensichtlichsten: man braucht keinen Fahrer mehr – und spart damit nicht nur dessen Lohnkosten. (Die bekanntlich – hierzulande – 70 % der Betriebskosten eines Busses ausmachen.) Vielmehr gilt es ohnehin, auf den zunehmenden Mangel an  Fahrpersonal zu reagieren …
  • Karsan-Chef Okan Bas geht davon aus, dass 90 % aller Unfälle, die bei einem Bus mit Fahrer von Zeit zu Zeit passieren, in Zukunft vermieden werden können, weil der autonome Bus „ständig aufmerksam“ (und nicht abgelenkt) ist.
  • Durch die auf die jeweilige Linie jeweils optimal abgestimmte Programmierung kann der Energieverbrauch deutlich reduziert werden, was das Klima schont.
  • Auch auf die Fahrgastkapazität einer Linie wirkten autonome Busse sich positiv aus.

Der autonome Atak Electric ist, so Bas, serienreif, er sei bereits homologiert. Den Prototypen, der auf der Online-Pressekonferenz gezeigt wurde, habe man bereits nach Rumänien verkaufen können. Und einen autonomen Atak electric, dessen Bestellung man heute hereinbekomme, könne man innerhalb von fünf Monaten ausliefern.

Generell arbeitet Karsan daran, sein gesamtes Produktportfolio auf Elektroantrieb umzustellen. Und dazu sollen schon bald auch „ausgewachsene“ Elektrobusse mit Längen von 12 und 18 Metern gehören.

Atak Electric selbstfahrender Midibus | © Karsan
18.03.2021
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