
Die Métropole Européenne de Lille (MEL) hat dieses Jahr zwei bedeutende Bestellungen zur Modernisierung ihres automatisierten Metro-Systems getätigt, um Neufahrzeuge für die Linien 1 und 2 der vollautomatischen U-Bahn (genannt VAL) zu beschaffen. Zuletzt wurden 57 neue automatische VAL U-Bahnfahrzeuge der dritten Generation des Typs VAL 208 NG3 bei Siemens bestellt. Bereits Anfang des Jahres wurde die Bestellung für 27 Alstom-Züge für die Linie 1 auf insgesamt 42 Einheiten aufgestockt, obwohl sich die Auslieferung der Züge bereits um mehrere Jahre verzögert.
57 neue Metrozüge für Linie 2 von Siemens Mobility
Am 17. Oktober 2025 sprach der Rat der MEL den neusten Großauftrag aus: Siemens Mobility wurde mit der Lieferung von 57 neuen automatischen Metrozügen des Typs VAL 208 NG3 für die Linie 2 beauftragt. Der Auftragswert beträgt 445,657 Mio. € (zzgl. MwSt.).
Die Details:
- Die Linie 2 hat aktuell einen Bestand von 143 Zügen aus drei Generationen: 38 VAL 206 A (ab 1983), 45 VAL 206 B BIS (ab 1986) und 60 VAL 208 AG (ab 1999).
- Mit den 57 neuen Zügen werden 30 Züge der VAL 206 Serie ersetzt, die das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben, und zusätzlich wird der Gesamtfuhrpark um 27 Züge vergrößert – eine Kapazitäts-Steigerung von ca. 30 % für die Linie 2.
- Die neuen Züge sind in der Auslegung moderner: bessere Barrierefreiheit, energieeffizientere Antriebssysteme, Innenraum-Re-Design zur Optimierung von Raum und Wartung sowie Einhaltung verschärfter Brandschutz-Normen.
- Laut Siemens-Pressemitteilung wird das Projekt zu rund 55 % in Frankreich realisiert; die Züge werden in Europa gefertigt, Projektsteuerung über die Standorte Toulouse und Lille.
- Die erste Lieferung ist für Ende 2028 geplant.
- Die Linie 2 verzeichnet eine Länge von 31 km mit 44 Stationen, sie ist damit die längste Strecke im Metrosystem von Lille.

Alstom – 15 weitere Metrozüge (Linie 1)
Bereits im Januar 2025 wurde veröffentlicht, dass Alstom den Auftrag erhält, der MEL 15 zusätzliche automatisierte Metrozug-Sätze mit einer Länge von 52 Metern zu liefern. Der Auftragswert beträgt rund 210 Mio. €.
Diese 15 Züge ergänzen bereits vorher bestellte 27 Züge, womit sich die Gesamtzahl der neuen Generation auf 42 Züge erhöht. Der ursprüngliche Vertrag zwischen Alstom und der Métropole Européenne de Lille (MEL) wurde 2012 unterzeichnet. Er umfasste zunächst die Lieferung von 27 neuen, 52 Meter langen, vollautomatischen Fahrzeugen sowie die Modernisierung des Signalsystems (Urbalis Fluence). Die Inbetriebnahme war ursprünglich für 2016 geplant, wurde später jedoch mehrfach verschoben – zunächst auf 2020, dann auf 2023 –, weil sich die Integration des neuen Signalsystems mit der bestehenden VAL-Infrastruktur als deutlich komplexer erwies als erwartet. Nach aktuellen Angaben (Stand 2025) soll die Lieferung der neuen Züge nun ab 2028 erfolgen.
Die Verzögerungen betrafen vor allem das automatische Steuerungssystem Urbalis Fluence, das erstmals weltweit in Lille eingesetzt wird und erhebliche Anpassungen an die bestehende Infrastruktur erforderte.
Technische Highlights:
- Der neue vierteilige Zugtyp bietet Platz für bis zu 545 Fahrgäste; es ist das erste Mal, dass in Lille eine durchgängig begehbare Fahrzeugeinheit („Boa Prinzip“) zum Einsatz kommt
- Erstmalig kommt in einem von Matra bzw. Siemens gebauten VAL System ein Fahrzeug eines Konkurrenten (in diesem Fall Alstom) zum Einsatz
- Die Züge werden ausgestattet mit dem automatischen Steuer- und Signalsystem Urbalis Fluence von Alstom (einschließlich Zug-zu-Zug Kommunikation).
- Die Lieferung ist für den Zeitraum ab 2028 vorgesehen, und diese Züge sollen ältere VAL-208-Fahrzeuge ersetzen.
- Mit diesem neuen Zugmaterial strebt die MEL eine Fahrgastintervall von 66 Sekunden in der Spitze an – womit das Metro-Netz zu den am höchsten getakteten der Welt zählt.

Strategische und technische Bedeutung für MEL
Die beiden Aufträge verdeutlichen, dass die MEL nicht durch Netzausbau primär wächst, sondern durch Modernisierung und Kapazitätssteigerung im Bestandssystem. Beide Linien bleiben mit automatisiertem Betrieb (fahrerlos) im VAL-System (Gummiradautomatik) ausgestattet, was eine hohe Taktung und Flexibilität ermöglicht.
Mit der Erneuerung werden mehrere Ziele verfolgt:
- Verlängerung der Lebensdauer des Fuhrparks und Ersetzung der ältesten Züge (z. B. VAL 206 ab 1983)
- Erhöhung der Fahrzeuganzahl und damit bessere Frequenz, insbesondere auf der Linie 2 (+30 %)
- Komfort- und Sicherheitssteigerung (neue Normen, bessere Zugänglichkeit, moderne Innenräume)
- Energieeffizienzsteigerung und Betriebskostenoptimierung
- Nationale Wertschöpfung („Made in France“) und Stärkung des industriellen Standorts
- Wettbewerbsfähigkeit im Verkehrsmarkt, Attraktivierung des ÖPNV gegenüber dem Pkw

