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Marode Brücken in Brandenburg und Ludwigshafen & das Comeback der Düwag Oldtimer in Ludwigshafen

In Ludwigshafen (rechts) und Brandenburg an der Havel (links) führten gleich zwei Brückensperrungen zu schwerwiegenden Einschränkungen im Straßenbahnverkehr I © Collage UTM

Ende des Jahres 2019 bereiteten zwei Brücken den Verkehrsbetrieben in Brandenburg an der Havel und Ludwigshafen am Rhein Kopfzerbrechen: in beiden Städten führten zwei baufällige Brücken zur Sperrung von mehreren Straßenbahnstrecken mit gravierenden Auswirkungen auf den ÖPNV. Beide Brücken sind nicht mehr sicher und müssen jetzt abgetragen werden. Während in Ludwigshafen der Straßenbahnverkehr in dem entsprechenden Bereich danach wieder aufgenommen werden kann, ist in Brandenburg an der Havel ein Neubau der Straßenbahnstrecke unumgänglich.

Ludwigshafen

Bereits seit August 2019 war die innerstädtische Hochstraße Süd in weiten Teilen für den Autoverkehr gesperrt, so dass Autofahrer nicht mehr über die Konrad-Adenauer-Brücke nach Mannheim pendeln konnten. Ende 2019 stellte sich nach einem weiteren Gutachten heraus: Die Brücke ist einsturzgefährdet, so dass aus Sicherheitsgründen auch der Straßenbahnverkehr im unmittelbaren Umfeld der Brücke eingestellt werden musste.

Die Straßenbahnen durften somit auch nicht mehr auf die alte Rheinbrücke, die Ludwigshafen direkt an das Mannheimer Stadtzentrum und den Hauptbahnhof anbindet, fahren. Konsequenz: der Straßenbahnverkehr durfte ab dem 22. November nur noch über das Nadelöhr Kurt-Schumacher-Brücke, nördlich der beiden Stadtkerne, nach Mannheim fahren. Aufgrund der einsturzgefährdeten Brücke ist seit dem auch der Knotenpunkt Berliner Platz straßenbahnfrei. Somit ruht der Straßenbahnverkehr der Linie 6 nach Rheingönheim sowie der Linie 10 nach Luitpoldhafen. Der Straßenbahnbetriebshof Rheingönheim wird über eine für den Fahrgastverkehr stillgelegte Betriebsstrecke angefahren. Auf den außer Betrieb genommenen Straßenbahnstrecken findet Busverkehr statt.

Die gesperrte Hochstraße Süd in Ludwigshafen im Februar 2020 I © UTM

Der S-Bahn-Verkehr ist von der Sperrung nicht betroffen. Die Station in Ludwigshafen Mitte bleibt geöffnet und die S-Bahnen verkehren weiterhin über ihren Teil der Hochstraße und die Konrad-Adenauer-Brücke.

Das Bundersverkehrsministerium hat bereits angekündigt, den Abriss der Hochstraße in Ludwigshafen und den anschließenden Neubau einer ebenerdigen, 660 Meter langen Stadtstraße mit 154,2 Millionen Euro zu finanzieren. 

Im September 2019 war die Welt noch in Ordnung, als die Express Straßenbahnlinie 8 von Mannheim nach Ludwigshafen fuhr I © UTM

Neues Fahrplankonzept

Bereits im Sommer 2019 beschlossen die Verkehrsbetriebe RNV (Rhein-Neckar-Verkehr GmbH), das Verkehrsangebot zum 7. Januar 2020 im Straßenbahnverkehr auszubauen, um Pendlern den Umstieg vom Auto auf den ÖPNV im Zuge der Brückensperrung zu erleichtern. Dazu gehörten Taktverdichtungen auf den Linien 4 und 9 nach Oggersheim sowie eine neue Linie 6E nach Rheingönheim, die mit den noch vorhandenen Düwag Altwagen betrieben werden sollte. 

Aufgrund der Sperrung ist dieses Szenario bis zum Abriss der Brücke nicht mehr möglich. Ziel ist, die Hochstraße bis Sommer 2020 abzureißen, um zumindest den Straßenbahnverkehr auf den Linien 6 und 10 wieder in Betrieb zu nehmen. Wann die Hochstraße neugebaut wird, lässt sich noch nicht absehen. Presseberichten zufolge kann der Planungsprozess und Neubau zwischen 12 und 15 Jahre dauern.

Die aktuelle Verkehrssituation mit den außer Betrieb befindlichen Straßenbahnlinien 6, 7, 8 und 10 in Ludwigshafen I © RNV

Alle Linienänderungen befinden sich auf der offiziellen RNV Seite: https://www.rnv-online.de/fahrtinfo/verkehrsmeldungen/umfangreicher-umleitungsverkehr-in-ludwigshafen-ab-27-november/

Ein Überblick:

S-Bahn Verkehr: Alle Züge der Linie 1 halten seit dem 25.11.2020 auch in den Ludwigshafener Stadtteilen Mundenheim und Rheingönheim. Damit soll Pendlern eine Alternative zu den außer Betrieb genommenen Straßenbahnlinien bieten. 

Straßenbahn Linie 4/ 4A (Rhein-Hardt-Bahn): Die Straßenbahn fährt von Bad Dürkheim kommend nach dem Hauptbahnhof LU über die Kaiser-Wilhelm-Straße. Über Rathaus LU geht es über die Kurt-Schumacher-Brücke nach Mannheim. In Mannheim führt die Linie über den Paradeplatz zum Schloss bis zum Hauptbahnhof. Von dort fährt die Bahn die reguläre Strecke in Richtung Waldfriedhof/ Käfertaler Wald wieder zurück nach Ludwigshafen.

Straßenbahn Linie 6/ 6A:Der Streckenast zwischen Rheingönheim und Berliner Platz ist außer Betrieb. Die geänderte Linienführung der Linie 6 führt vom Ebertpark über Rathaus LU nach Mannheim Neuostheim.

Trennung der Straßenbahn Linie 7: In Ludwigshafen fährt die Linie 7 von Oppau – BASF – LU Rathaus – Ludwigstraße, ab hier über LU Hauptbahnhof  zum Ebertpark und zurück.

In Mannheim führt die separate Linie 7 von Vogelstang – Nationaltheater – Gewerkschaftshaus – Marktplatz – Paradeplatz – Schloss;  ab hier Umleitung über MA Hauptbahnhof – Kunsthalle – Wasserturm – Paradeplatz, ab hier weiter auf regulärem Fahrweg Richtung Vogelstang.

Die Straßenbahn Linie 8 verkehrt während der Hauptverkehrszeit nur in Mannheim zwischen Rheinau und MA Hauptbahnhof

Straßenbahn Linie 9: Die Straßenbahn fährt von Bad Dürkheim kommend nach dem Hauptbahnhof LU über die Kaiser-Wilhelm-Straße und Rathaus LU zur Kurt-Schumacher-Brücke. In Mannheim geht es über den Paradeplatz zum Schloss bis Hauptbahnhof. Ab dort führt die reguläre Strecke in Richtung Luisenpark/Technoseum

Straßenbahn Linie 10: Die Straßenbahnlinie 10 bleibt bis auf weiteres außer Betrieb, da die nördliche Strecke in Friesenheim bis Ende 2022 vollständig neu gebaut wird.

Die S-Bahn darf noch unter der Brücke fahren, hier in Ludwigshafen Hauptbahnhof I © UTM

Reaktivierung von ausgemusterten Düwag Trams

Um ab dem 7. Januar 2020 die Verstärkerlinie zwischen Ebertpark und Oppau einzuführen, wurden die ursprünglich für die oben genannte Verstärkerlinie 6E vorgesehenen RHB Züge aus dem Dornröschenschlaf reaktiviert. Dabei handelt es sich jeweils drei um GT6 (ET6) Triebwagen mit sechsachsigen Beiwagen (EB6), die im Jahr 1963 bei der Düwag gebaut wurden: 1015 + 1055, 1017 + 1057 und 1018 + 1058. Ironischerweise war die Entscheidung des Zusatzverkehrs die Rettung in letzter Minute, da die 1015er und 1018er Pärchen seit 10 Jahren abgestellt waren und eigentlich im Jahr 2019 hätten verschrottet werden sollen. Der 1017 mit seinem Beiwagen wurden noch jährlich zum Mannheimer Maimarkt eingesetzt. Für den neuen Einsatz wurden die Züge für ca. 400.000 Euro wieder fit gemacht und erhielten eine Neulackierung in weiß mit orangem Zierstreifen und „Düwag Zierspitz“ an der Fahrzeugstirn sowie einem blauen Zierstreifen an der Unterkante, so dass auch der historische Aspekt nicht zu kurz kommt. Die Lackierung hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem beige der 1960er Jahre, kommt aber gleichzeitig sehr modern daher.

Jeweils zwei Züge fahren in der morgendlichen und nachmittäglichen Hauptverkehrszeit. Ein Umlauf führ dabei auch auf das alte Einsatzgebiet der Rhein-Haardt-Bahn nach Bad Dürkheim sowie von Mannheim nach Ludwigshafen. Sobald die Hochbrücke im Sommer 2020 abgetragen sein wird, werden die Düwag Züge in den geplanten Einsatz auf der Linie 6E gehen. Mindestens bis 2021 werden die Altwagen somit in Ludwigshafen und Mannheim im Einsatz stehen. Dann sollen die ersten der 80 neuen RNT 2020 Niederflurbahnen von ŠkodaTransportation ausgeliefert werden, die dann die letzten Düwag Bahnen in Mannheim und Ludwigshafen sowie die Düwag Niederflurstraßenbahnen 6MGT der Jahre 1994/ 1995 ersetzen werden.

Aufgrund der Corona Krise wurde der Takt im Rhein Neckar Netz ausgedünnt. Außerdem werden im Zuge der Straßenbahnlinie 7 nach Oppau in der Carl-Bosch-Straße die Gleis ausgetauscht, weshalb bis 19. April auch hier Schienenersatzverkehr besteht. Die Altwagen kommen somit voraussichtlich erst nach der Corona Krise wieder zum Einsatz.

Brückensperrung auch in Brandenburg/ Havel

Auch in Brandenburg/ Havel stellte eine kurzfristige Brückenvollsperrung die Verkehrsbetriebe Brandenburg VBBr vor eine große Herausforderung. Der Landesbetrieb für Straßenwesen ordnete an, die Brücke „20. Jahrestag“ am Altstadt Bahnhof aufgrund ihrer Baufälligkeit zu sperren. Konsequenz: die Straßenbahnlinie 2 zur Quenzbrücke wurde ab Freitag, den 6. Dezember 2019 vollständig im Schienenersatzverkehr mit Bussen betrieben. Auch bei den Buslinien gab es Änderungen. Der Schienenersatzverkehr fährt ab der Haltestelle Dreifertstraße über Quenzbrücke nach Waldcafé Görden mit Übergang von und zur Straßenbahnlinie 1 und zurück. Alle Zwischenhalte auf der Umleitungsstrecke werden bedient. Es entfallen lediglich die Haltestellen Wilhelmsdorfer Straße, Nicolaiplatz, Magdeburger Straße, Fouquéstraße, Bahnhof Altstadt und Dreifertstraße. Für den Schienenersatzverkehr wurden ausgemusterte Busse zurück nach Brandenburg geholt.

Was wird nun aus der Straßenbahnlinie 2?

Immer wieder war die Zukunft der Brandenburger Straßenbahn in der Diskussion. Nach der Einstellung der Überlandstraßenbahn nach Kirchmöser ist das Straßenbahnnetz mit 3 Linien auf etwas mehr als 16 km geschrumpft. Kein Wunder also, dass Bürger und Straßenbahnfreund nun (wieder) um die Zukunft der Tram und der Linie 2 bangen.

Die aktuelle Verkehrssituation im Liniennetzplan der VBBr I © VBBr

Diskutiert wird zunächst, ob die Brücke wiederaufgebaut oder sogar eine ebenerdige Kreuzung mit der Eisenbahnstrecke nach Rathenow hergestellt wird. Dabei kommt die Frage auf, wie die Straßenbahn in diese Planungen integriert werden kann. Technisch gibt es Lösungen. Der Brandenburger Oberbürgermeister Steffen Scheller und die Brandenburger Politik hat sich bereits für die Straßenbahnlinie 2 ausgesprochen. Würde man die Linie 2 aufgeben, würde das Kosten-Nutzen Verhältnis für das gesamte Straßenbahnnetz ins Wanken kommen.

Um die Zukunft der Brandenburger Straßenbahn zu sichern und den Wagenpark zu erneuern, führt der VBBr derzeit eine gemeinsame Ausschreibung mit den Städten Cottbus und Frankfurt/ Oder für zehn neue Niederflurstraßenbahnen für 28 Millionen Euro durch. Mit einer Bestellung wird in den kommenden Wochen oder Monaten gerechnet.

09.04.2020
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Anton
Anton
4 Jahre zuvor

Die Brückensperrung sollte Anlass sein, grundsätzlich über den Sinn einer Srassenbahn in der Stadt Brandenburg nachzudenken. Angesichts leerer Kassen und fehlender Nachfrage könnte man einen ÖV viel preiswerter und trotzdem umweltfreundlich auch mit ( Elekto- ) bussen durchführen. Denkbar ist hier, dann die verbliebenen Strecken ( Linie 1 und 6 ) noch für einige Jahre als Strassenbahn zu betreiben, bis auch hier grössere Investitionen anfallen.

Robert Wittek-Brix
Robert Wittek-Brix
3 Jahre zuvor

Da haben wohl Einige immer noch nicht begriffen, daß die Zeiten der „Auto-gerechten Stadt“ der 60er und 70er Jahre endgültig vorbei sind. Ein Ansatz, den Stadtplaner weltweit zurecht lautlos in der Versenkung haben verschwinden lassen.

Die Straßenbahn ist der Ur-Vater der E-Mobilität und ihre Wirtschaftlichkeit hängt u.a. von der Dimension des Gesamtbetriebes ab, d.h. auf wieviele Menschen und Streckenkilometer sich der Fixkostenblock verteilt.
Es ist scheinheilig, die willkürliche Amputation eines intakten Netzes zu fordern, wenn gleichzeitig der gebotene Anschluß von aufkommensstarken Siedlungsschwerpunkten wie der Nordstadt an das höherwertige System Bahn unterlassen und stattdessen ineffiziente Parallelverkehre mit Bussen bis in die Innenstadt toleriert werden. Eine Dreistigkeit, sich dann auch noch über die Folgen einer derart rückständigen Verkehrspolitik für die Wirtschaftlichkeit der Straßenbahn zu beschweren.

Die Ewiggestrigen haben keine Ahnung von „Grenzkosten“ oder warum die Menschheit jemals überhaupt auf die Idee gekommen ist, Personen und Güter auf der Schiene zu befördern. Die gleiche Logik hätte es, die Berliner U-Bahn durch den Einsatz von Taxen zu ersetzen. Sie haben auch bis heute nicht verstanden, daß nicht die einmaligen Erstinvestitionen in Neubau oder Erneuerung einer Schienentrasse über die Wahl des Verkehrsmittels entscheiden, sondern die täglich anfallenden jeweiligen Betriebskosten im Vergleich. Und die amortisieren nunmal die Straßenbahn gegenüber dem Bus auf Hauptverkehrsachsen, wo mehrere Buslinien mit einer Straßenbahnlinie „erschlagen“ werden können.
Dem Busverkehr bleibt in dieser Hierarchie die nicht minder wichtige Aufgabe des „Zu- und Abbringers“ zur Bahn, sowie der Tangentialverbindungen, damit das Gesamtverkehrssystem des ÖPNV der Stadt funktioniert und die verschiedenen Systeme voneinander partizipieren und nicht gegeneinander arbeiten. Damit am Ende nicht mehrheitlich leere Sitzplätze durch die Gegend kutschiert werden.

Hier sind planerische Phantasie und politischer Mut gefragt, keinesfalls jedoch städtebauliche Fehler des Westens, ausgerechnet Jetzt im Osten nachholen zu wollen !

Robert
Stadt- und Verkehrsplaner
Heidelberg