
Marseille, mit 830.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Frankreichs, setzt auf nachhaltige Mobilität und modernisiert ihr öffentliches Verkehrsnetz umfassend. Sowohl bei der Straßenbahn als auch bei der U-Bahn sind bedeutende Erweiterungs- und Modernisierungsprojekte im Gange und zwei Strecken werden noch dieses Jahr in Betrieb gehen.
Straßenbahn: Erweiterung nach Norden und Süden
Das Straßenbahnnetz von Marseille, betrieben von der Régie des Transports Métropolitains (RTM), umfasst derzeit drei Linien: T1, T2 und T3 mit einer Streckenlänge von lediglich 13 Kilometern. Im jähr 2023 wurden 20,4 Mio. Fahrgäste befördert.
Im Jahr 2007 ist das Netz aus der im Jahr 2004 stillgelegten Straßenbahnlinie 68, der einzigen Überlebenden des einst 167 km großen Netzes mit über 100 Linien, hervorgegangen. Nach der Wiederinbetriebnahme der Straßenbahn im Jahr 2007 wurde das Netz lediglich durch kürzere Abschnitte erweitert. Aktuell sind zwei bedeutende Erweiterungen in die nördlichen und südlichen Stadtteile in Bau und stehen kurz vor der Fertigstellung.

Die neue nördliche Strecke soll vom bestehenden Endpunkt Capitaine Gèze in Zukunft über Saint-Antoine bis nach La Castellane führen. Als erster Bauabschnitt wird noch in diesem Jahr eine 1,8 km lange Verlängerung der Linie von Arenc bis Capitaine Gèze eröffnet. Diese Erweiterung schafft wichtige Verbindungen zum U-Bahn-Netz und zu mehreren Buslinien, wodurch in Capitaine Gèze ein zentraler multimodaler Knotenpunkt entsteht.
Die weitere Verlängerung nach La Castellane wird etwa 7 Kilometer lang sein. Die Bauarbeiten sollen in den kommenden Jahren beginnen – geplant ist eine Eröffnung bis 2029.
Verlängerung nach Süden
Im Süden wird die Linie T3 um 4,4 Kilometer von der Place Castellane bis zur Station La Gaye verlängert. Diese Strecke umfasst neun neue Haltestellen und verbessert die Anbindung an wichtige Einrichtungen wie das Palais Omnisports Marseille Grand Est, das Stade Vélodrome und die Hôpitaux Sud. Die Bauarbeiten begannen im Jahr 2020, und die Inbetriebnahme ist für Ende 2025 geplant. Im Rahmen des Projekts werden auch städtebauliche Maßnahmen umgesetzt, darunter die Schaffung von 6,8 Kilometern Radwegen und die Pflanzung von 528 Bäumen.

Für die neuen Strecken liefert der spanische Schienenfahrzeughersteller CAF noch im Jahr 2025 insgesamt 15 siebenteilige Urbos Straßenbahnen, die sich in Punkto Design an die Bombardier Outlook Bahnen im maritimen Design anlehnen.
Erste Fahrt auf der großen Place Castellane
Der Place Castellane ist ein zentraler Verkehrsknotenpunkt im Süden von Marseille. Er entstand im 19. Jahrhundert im Zuge der Stadterweiterung und wurde nach dem Marquis de Castellane benannt. Der Platz ist bekannt für seinen monumentalen Obelisken (Obélisque de la Libération) und seine Rolle als wichtiger Umsteigepunkt: Hier treffen mehrere Metro- und Buslinien sowie die Straßenbahnlinie T3 zusammen. Dadurch hat der Platz eine hohe verkehrliche Bedeutung als Bindeglied zwischen Innenstadt, südlichen Stadtteilen und Vororten. Zugleich ist er ein belebter urbaner Raum mit Geschäften, Cafés und historischer Architektur.

Bislang endete die Tramlinie T3 vor der großen Place Castellane in der Rue de Rome. Seit zwei Monaten wurde der Straßenbahnverkehr in der Rue de Rome unterbrochen, um die Bauarbeiten der Verlängerung über die Place Castellane hinaus zu ermöglichen. Seit Montag, den 7. April, wurde der Betrieb zwischen Arenc und Rome-Dragon teilweise wieder aufgenommen und zeitgleich im Rahmen eines kleinen Volksfestes die erste Testfahrt über die Place Castellane zelebriert – der Bürgermeister und zahlreiche Lokalpolitiker waren vertreten.
Die Place Castellane war bis hierhin ein großer Auto-Kreisverkehr. Erfreulicherweise wurde knapp die Hälfte des Kreisverkehrs für die Straßenbahn und Fußgänger autofrei gestaltet. Somit ist mehr Platz für Cafés, urbanes Leben und man kann endlich auch den Springbrunnen des Obelisks von Nahem bewundern.

Anfang Juni wird sie die Endstation Castellane wieder anfahren, bevor sie bis Ende des Jahres die Verlängerung nach La Gaye in Betrieb geht.
Straßenbahnausbau – wie geht es weiter?
Auch die anderen Endpunkte in La Gaye und Les Caillols, gibt es Verlängerungsprojekte. Die Karte der Metropolregion Marseille sieht für Marseille bis zum Jahr 2030 folgende Ausbauprojekte vor:
- Nord-Süd-Straßenbahnstrecke Phase 2, für 453 Millionen Euro,
- Neue Straßenbahnstrecke Blancarde – Place du 4-Septembre, für 76 Millionen Euro,
- Straßenbahnstrecke Saint-Charles – Belle de Mai, für einen Betrag von 152 Millionen Euro,
- BHNS (französischer BRT) Martigues – Port-de-Bouc, für einen Betrag von 17 Millionen Euro,
- Verlängerung des BHNS aixpress bis Malacrida, für 18 Millionen Euro,
- Multimodaler Umsteigepunkt Frais Vallon für einen Betrag von 21 Millionen Euro,
- Multimodaler Umsteigepunkt Saint-André für einen Betrag von 10 Millionen Euro,
- Multimodaler Umsteigepunkt Plan de Campagne für einen Betrag von 14 Millionen Euro.
Darüberhinaus in Langfristplanung befinden sich folgende Projekte:
- Verlängerung der Straßenbahn von Les Caillols bis nach La Valentine (ursprünglich war sogar eine Verbindung mit dem Straßenbahnnetz in Aubagne geplant)
- Verlängerung der Straßenbahn von der Place du Général Ferrié über den Boulevard Rabatau und die Avenue du Prado bis zur Escale Borely
- Verlängerung der Straßenbahn von Belle de Mai bis Saint-Jérôme
- Verlängerung der Straßenbahn von Castellane bis zum EMP Saint-Antoine
- Verlängerung der U-Bahn-Linie 2 von Sainte-Marguerite Dromel bis zur ZAC Vallon Regny
- Realisierung des BHNS Aix-en-Provence Les Milles La Duranne in Abstimmung mit der Region Sud-Provence-Alpes-Côte d’Azur

U-Bahn: Modernisierung und neue Fahrzeuge
Das U-Bahn-Netz von Marseille besteht aus zwei Linien: Linie 1 (La Rose – La Fourragère) und Linie 2 (Bougainville – Sainte-Marguerite Dromel. Beide Linien wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren eröffnet und sind seither in Betrieb.
Zurzeit wird das U-Bahn-System umfassend modernisiert. Ein zentrales Element dieser Modernisierung ist die Einführung neuer Züge. Alstom wurde mit der Lieferung von 38 neuen, vierteiligen Metrozügen beauftragt und wird auch die Automatisierung für einen Gesamtwert von 430 Mio. Euro durchführen. Die ersten beiden Fahrzeuge wurden bereits fertiggestellt und befinden sich in der Testphase. Die neuen Züge werden voraussichtlich nicht dieses Jahr schrittweise in Betrieb genommen werden und bieten den Fahrgästen mehr Komfort und Kapazität.
