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Ohne Feier: Bochumer BoGeStra eröffnet neue Strecke der Linien 309/ 310 – das Ende der Düwag M6S

Am 1. November haben die Stadler Variobahnen (links) auf den Linien 309/ 310 nach Witten/ Heven Dorf die letzten klassischen Düwag M6S ersetzt (rechts) I © Jan Rümmel/ Krystian Jacobson

Die neue Gleisverbindung zwischen Bochum und Witten ist geschafft. Damit ist ein wichtiger Baustein des neuen Liniennetzes der Bochum-Gelsenkirchener-Straßenbahn (BoGeStra) in Betrieb genommen worden. Die 2,6 km lange Neubaustrecke ersetzt die ältere Trassierung, die in Papenholz nahezu durchgehend über Wald und Felder verlief. Zwar verschwindet damit für Straßenbahnfreunde das eine oder andere beliebte Fotomotiv der Überlandstraßenbahn, dafür werden aber die Anwohner der neuen Strecke zwischen Witten und Langendreer sowie das Universitätsklinikum per Straßenbahn an das Bochumer Straßenbahnnetz angeschlossen. Interessant: Bis in die 1950er und -60er Jahre waren Langendreer und Witten durch mehrere Straßenbahnlinien angebunden. Die große Stilllegungswelle bedeutete für viele Überlandstrecken das Aus. Mit der Neubaustrecke wird die Straßenbahn im Bochumer Osten als zukunftsweisendes Verkehrsmittel gestärkt und erneuert.

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Leider fand aufgrund der Pandemie-Situation die Einweihung ohne Eröffnungsaktivitäten statt (weder Fahrzeugtaufe noch Variobahn-Freifahrten), die ursprünglich einmal geplant waren. Bereits in den vergangenen Wochen fanden auf der neuen Strecken und auf dem Verbindungsgleis erste Schleif- und Probefahrten statt.

Acht Jahre Bauzeit

Im Oktober 2012 haben die Gleisbauarbeiten zur Verlängerung der Straßenbahnlinie 310 von Bochum nach Witten begonnen und sind nun nach achtjähriger Bauzeit abgeschlossen. Seit dem 1. November 2020, Betriebsbeginn, ist der Linienbetrieb mit der Straßenbahn aufgenommen. Der Bus-Ersatzverkehr zwischen Bochum-Langendreer und Heven Dorf endete folglich am Samstag, 31. Oktober 2020, Betriebsende. Die weiteren Bauarbeiten im Straßenbereich werden noch fortgeführt. Die Haltestelle Papenholz kann erst nach Abschluss der Arbeiten in Straßenbereich freigegeben werden.

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Neue Fahrzeuge und neue Streckenführung

Seit Sonntag, 1. November 2020, sind auf den Linien 309/310 in Witten Variobahnen im Einsatz. Sie lösen die 40 Jahre alten M6S Straßenbahnen ab, die noch bis Ende September auf der alten Strecke Crengeldanz – Heven Dorf im Pendenbetrieb im Einsatz waren.

Bislang verlief die Linie 310 aus Bochum kommend über die Wittener Straße, bevor die Bahnen nach der Haltestelle Unterstraße im Kreuzungsbereich Universitätsstraße/Wittener Straße rechts auf die Universitätsstraße abbiegen. Von dort aus nahm die Linie 310 ihre eingleisige Fahrt über die Baroper Straße entlang der Haltestellen „Im Ümminger Feld“, „Kaltehardt“, „Urbanusstraße“ und „Am Honnengraben“ auf. Ab der Haltestelle „Papenholz“ führt die Strecke über die Bochumer Straße ins Wittener Stadtgebiet. Bis 2028 soll der bislang eingleisige Abschnitt zwischen Papenholz und Crengeldanz mit dem Neubau der Eisenbahnunterführung erneuert werden.

Die neue Streckenführung der Linien 309/ 310 in blau und die am 27.9. außer Betrieb genommene Altstrecke in blau-gelb I © BoGeStra/ Montage UTM

Nach der Erweiterung verlässt die neue Linie 310 an der Kreuzung Universitätsstraße/Wittener Straße ihre herkömmlichen Bahnen um weiter geradeaus Kurs über die Unterstraße in Richtung Langendreer Markt zu nehmen. Genutzt wird hier die im Jahr 2017 eröffnete Neubaustrecke der Linie 302, die bis zum S-Bahnhof Langendreer führt. Dadurch werden die entsprechenden Ortsteile besser an die Straßenbahn angebunden. Von Langendreer Markt knickt die Strecke nach Süden auf die Hauptstraße und führt bis Witten Papenholz, wo die Neubaustrecke Anfang Oktober 2020 an die bestehenden Gleise angeschlossen wurden. Die Neubaustrecke hat eine Länge von 2,6 km. 

Neben der neuen Gleis- und Oberleitung wurden auch die unterirdischen Ver- und Entsorgungsleitungen erneuert. Insgesamt kostete die Neubaustrecke gut 62 Mio. Euro.

Die Linien 309 und 310 verkehren auf der Strecke im 30-Minuten-Takt. Die Linie 310 (Bochum-Wattenscheid-Höntrop – Witten-Heven) Montags bis Sonntags, die Linie 309 (Bochum-Langendreer – Witten-Heven) montags bis samstags. Somit ergibt sich in nachfragestarken Zeiten ein 15-Minuten-Takt.

Die neue Linienführung ist Teil des neuen BoGeStra Netzes, welches im Dezember 2019 startete. Wir berichteten hier:

Das Ende für die letzten M6S

Die neue Strecken und der Einsatz der Variobahnen auf den Linien 309 und 310 bedeutet auch das endgültige Ende der legendären Düwag M6S Straßenbahnen in Bochum. Nach der Netzumstellung am 15. Dezember 2019 gab es eine Gnadenfrist bis zum 1.4.2020, als der verbliebene Inselbetrieb zwischen Papenholz und Heven Dorf durch den Schienenersatzverkehr ersetzt wurde. Der Streckenabschnitt Papenholz – Unterstraße diente als Betriebsstrecke. Vom 22. Juni bis 27. September 2020 lebte der M6S Einsatz nochmals auf. Zuletzt befanden sich noch sechs M6S Triebwagen im Einsatzbestand der BoGeStra. 

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Zu den letzten M6S gehört auch der Triebwagen 311 in der rot-weißen Stadtbahn Lackierung. Über das Schicksal der restlichen M6S ist bislang noch nichts bekannt. Auch die Ära der Düwag Niederflurstraßenbahnen der Type MGT6D ist jetzt nahezu beendet. Bis auf zwei Triebwagen (401 und 421) wurden alle Triebwagen in den vergangenen Jahren ins polnische Łódź veräußert. Die Flotte der Straßenbahn besteht somit heute ausschließlich aus 87 Stadler Variobahnen. Acht weitere werden Mitte 2021 ausgeliefert, so dass der Wagenpark der BoGeStra aus insgesamt 94 Variobahnen bestehen wird.

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Geschichtsträchtigen Streckennetz

Die Straßenbahnen östlich von Bochum haben eine lange Geschichte. Ursprünglich bestanden auf dem heutigen Netz der Bochum-Gelsenkirchener-Straßenbahn je nach Zählweise fünf verschiedene kommunale Straßenbahnbetriebe. Die Strecke vom Bahnhof Langendreer Nord über Witten nach Bommern wurde bereits am 5. Januar 1899 durch die damalige Märkische Straßenbahn eröffnet. Es folgten weitere Streckeneröffnungen um die Jahrhundertwende, um die Dörfer und Städte des Umlands an die Großstadt anzubinden. Am 5. Mai 1912 wurden die Kleinstraßenbahnbetriebe zwischen Bochum und Dortmund unter der Westfälischen Straßenbahn zusammengefasst, so dass dieses zwischen Castrop-Rauxel, Laer, Witten und Herbede/ Bommern ein Netz von knapp 55 km geschaffen wurde. Die Verlängerung von Witten nach Herbede über Heven wurde 1929 eröffnet. Mit den Nachbarbetrieben wie der BoGeStra bestanden Gemeinschaftslinien.

Straßenbahn im Jahr 1938 am Bahnhof Witten I © Postkarte (Verlag Hermann Lorch)/ Wikipedia/ Manfred Kopka

Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten erfolgte 1937 die Übernahme durch die BoGeStra. In den 1960er wurde das Straßenbahnnetz duschzahlreiche Stilllegungen ausgedünnt. Am 30. Juni 1969 wurde die Linie 20 Abzweig Laer – Langendreer stillgelegt, die jetzt als Verlängerung der Linie 302 wiederauferstanden ist. Am 28. Mai 1972 wurde der Abschnitt zwischen Heven Dorf und Herbede der Linie 12 stillgelegt. Seit dem ist Heven Dorf der Endpunkt der Straßenbahn. Ende der 1960er Jahre wurden für das Ruhrgebiet und die angrenzenden Städte ein umfangreiches normalspuriges U-Stadtbahnnetz entworfen, welches auch die Umstellung der (teilweise) meterspurigen Straßenbahnen vorsah. Neben der tatsächlich verwirklichten U35 (Schloß Strünkede – Riemke Markt – Hustadt) sollten auch Witten (als Verlängerung der U35) und Laer/ Lanendreer (als U21) geplant. Ein Teil der heutigen Straßenbahntrasse wurde für den U-Stadtbahnbetrieb vorbereitet. Die Umsetzung wurde letzten Endes in den 1990er Jahren aus finanziellen Gründen nicht weitergeführt, so dass der meterspurige Straßenbahnbetrieb auch in Zukunft ein wichtiges Standbein des Bochum-Gelsenkirchener sein.

Weitere Informationen zum Straßen- und Stadtbahnnetz in Bochum gibt es hier:

http://www.urbanrail.net/eu/de/bo/bochum.htm

02.11.2020
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Strab-Fan
Strab-Fan
3 Jahre zuvor

Der 311 wird KEIN Museumswagen werden!

Jeff
Jeff
3 Jahre zuvor

Die alte Strecke ist in schwarz/gelb markiert nicht wie beschrieben in blau/gelb.