
Die neue Gleisverbindung zwischen Bochum und Witten ist geschafft. Damit ist ein wichtiger Baustein des neuen Liniennetzes der Bochum-Gelsenkirchener-Straßenbahn (BoGeStra) in Betrieb genommen worden. Die 2,6 km lange Neubaustrecke ersetzt die ältere Trassierung, die in Papenholz nahezu durchgehend über Wald und Felder verlief. Zwar verschwindet damit für Straßenbahnfreunde das eine oder andere beliebte Fotomotiv der Überlandstraßenbahn, dafür werden aber die Anwohner der neuen Strecke zwischen Witten und Langendreer sowie das Universitätsklinikum per Straßenbahn an das Bochumer Straßenbahnnetz angeschlossen. Interessant: Bis in die 1950er und -60er Jahre waren Langendreer und Witten durch mehrere Straßenbahnlinien angebunden. Die große Stilllegungswelle bedeutete für viele Überlandstrecken das Aus. Mit der Neubaustrecke wird die Straßenbahn im Bochumer Osten als zukunftsweisendes Verkehrsmittel gestärkt und erneuert.
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Der erste Umlauf im Morgengrauen des 1. November 2020: Variobahn an der Endstelle in Heven Dorf I © Tim Rümmel Im Oktober fanden auf der neuen und alten Strecke nach Heven Dorf erste Testfahrten mit den Variobahnen statt I © Jan Rümmel Variobahn auf der Altstrecke mit der jetzt angebundenen Neubaustrecke im Hintergrund rechts und die geradeaus verlaufende Altstrecke I © Jan Rümmel Kurz nach dem Anschluss der Neubaustrecke an die Altstrecke, die am rechten Bildrand in Richtung Wald verlief I © Jan Rümmel
Leider fand aufgrund der Pandemie-Situation die Einweihung ohne Eröffnungsaktivitäten statt (weder Fahrzeugtaufe noch Variobahn-Freifahrten), die ursprünglich einmal geplant waren. Bereits in den vergangenen Wochen fanden auf der neuen Strecken und auf dem Verbindungsgleis erste Schleif- und Probefahrten statt.
Acht Jahre Bauzeit
Im Oktober 2012 haben die Gleisbauarbeiten zur Verlängerung der Straßenbahnlinie 310 von Bochum nach Witten begonnen und sind nun nach achtjähriger Bauzeit abgeschlossen. Seit dem 1. November 2020, Betriebsbeginn, ist der Linienbetrieb mit der Straßenbahn aufgenommen. Der Bus-Ersatzverkehr zwischen Bochum-Langendreer und Heven Dorf endete folglich am Samstag, 31. Oktober 2020, Betriebsende. Die weiteren Bauarbeiten im Straßenbereich werden noch fortgeführt. Die Haltestelle Papenholz kann erst nach Abschluss der Arbeiten in Straßenbereich freigegeben werden.
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Zum ersten Mal kommen die Variobahnen nach Witten – hier auf Probefahrt I © Tim Rümmel Ein bekanntes Motiv: Variobahn in der Herbeder Straße in Witten I © Tim Rümmel
Neue Fahrzeuge und neue Streckenführung
Seit Sonntag, 1. November 2020, sind auf den Linien 309/310 in Witten Variobahnen im Einsatz. Sie lösen die 40 Jahre alten M6S Straßenbahnen ab, die noch bis Ende September auf der alten Strecke Crengeldanz – Heven Dorf im Pendenbetrieb im Einsatz waren.
Bislang verlief die Linie 310 aus Bochum kommend über die Wittener Straße, bevor die Bahnen nach der Haltestelle Unterstraße im Kreuzungsbereich Universitätsstraße/Wittener Straße rechts auf die Universitätsstraße abbiegen. Von dort aus nahm die Linie 310 ihre eingleisige Fahrt über die Baroper Straße entlang der Haltestellen „Im Ümminger Feld“, „Kaltehardt“, „Urbanusstraße“ und „Am Honnengraben“ auf. Ab der Haltestelle „Papenholz“ führt die Strecke über die Bochumer Straße ins Wittener Stadtgebiet. Bis 2028 soll der bislang eingleisige Abschnitt zwischen Papenholz und Crengeldanz mit dem Neubau der Eisenbahnunterführung erneuert werden.

Nach der Erweiterung verlässt die neue Linie 310 an der Kreuzung Universitätsstraße/Wittener Straße ihre herkömmlichen Bahnen um weiter geradeaus Kurs über die Unterstraße in Richtung Langendreer Markt zu nehmen. Genutzt wird hier die im Jahr 2017 eröffnete Neubaustrecke der Linie 302, die bis zum S-Bahnhof Langendreer führt. Dadurch werden die entsprechenden Ortsteile besser an die Straßenbahn angebunden. Von Langendreer Markt knickt die Strecke nach Süden auf die Hauptstraße und führt bis Witten Papenholz, wo die Neubaustrecke Anfang Oktober 2020 an die bestehenden Gleise angeschlossen wurden. Die Neubaustrecke hat eine Länge von 2,6 km.
Neben der neuen Gleis- und Oberleitung wurden auch die unterirdischen Ver- und Entsorgungsleitungen erneuert. Insgesamt kostete die Neubaustrecke gut 62 Mio. Euro.
Die Linien 309 und 310 verkehren auf der Strecke im 30-Minuten-Takt. Die Linie 310 (Bochum-Wattenscheid-Höntrop – Witten-Heven) Montags bis Sonntags, die Linie 309 (Bochum-Langendreer – Witten-Heven) montags bis samstags. Somit ergibt sich in nachfragestarken Zeiten ein 15-Minuten-Takt.
Die neue Linienführung ist Teil des neuen BoGeStra Netzes, welches im Dezember 2019 startete. Wir berichteten hier:
Das Ende für die letzten M6S
Die neue Strecken und der Einsatz der Variobahnen auf den Linien 309 und 310 bedeutet auch das endgültige Ende der legendären Düwag M6S Straßenbahnen in Bochum. Nach der Netzumstellung am 15. Dezember 2019 gab es eine Gnadenfrist bis zum 1.4.2020, als der verbliebene Inselbetrieb zwischen Papenholz und Heven Dorf durch den Schienenersatzverkehr ersetzt wurde. Der Streckenabschnitt Papenholz – Unterstraße diente als Betriebsstrecke. Vom 22. Juni bis 27. September 2020 lebte der M6S Einsatz nochmals auf. Zuletzt befanden sich noch sechs M6S Triebwagen im Einsatzbestand der BoGeStra.
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Dasselbe Motiv wie oben, hier noch mit dem M6S Wagen 311 im August 2020 I © Krystian Jacobson Auch Wassertauglich: die robusten Düwag M6S kamen auch mit kleinen Hochwassern zurecht – August 2020 in Witten I © Krystian Jacobson Der Einsatz der M6S endete am 27. September 2020 I © Krystian Jacobson Ein Teil der jetzt stillgelegten Strecke war eingleisig und mit Ausweichen ausgestattet I © Krystian Jacobson
Zu den letzten M6S gehört auch der Triebwagen 311 in der rot-weißen Stadtbahn Lackierung. Über das Schicksal der restlichen M6S ist bislang noch nichts bekannt. Auch die Ära der Düwag Niederflurstraßenbahnen der Type MGT6D ist jetzt nahezu beendet. Bis auf zwei Triebwagen (401 und 421) wurden alle Triebwagen in den vergangenen Jahren ins polnische Łódź veräußert. Die Flotte der Straßenbahn besteht somit heute ausschließlich aus 87 Stadler Variobahnen. Acht weitere werden Mitte 2021 ausgeliefert, so dass der Wagenpark der BoGeStra aus insgesamt 94 Variobahnen bestehen wird.
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Einst vorbereitet für die Normalspurstadtbahn: M6S im September 2019 an der Haltestelle Unterstraße I © Stefan von Mach Diese Strecke wird seit dem 27. September nicht mehr befahren: M6S in der Baroper Straße I © Stefan von Mach M6S in Bochum Hbf – heute fahren hier ausschließlich Variobahnen I © Stefan von Mach
Geschichtsträchtigen Streckennetz
Die Straßenbahnen östlich von Bochum haben eine lange Geschichte. Ursprünglich bestanden auf dem heutigen Netz der Bochum-Gelsenkirchener-Straßenbahn je nach Zählweise fünf verschiedene kommunale Straßenbahnbetriebe. Die Strecke vom Bahnhof Langendreer Nord über Witten nach Bommern wurde bereits am 5. Januar 1899 durch die damalige Märkische Straßenbahn eröffnet. Es folgten weitere Streckeneröffnungen um die Jahrhundertwende, um die Dörfer und Städte des Umlands an die Großstadt anzubinden. Am 5. Mai 1912 wurden die Kleinstraßenbahnbetriebe zwischen Bochum und Dortmund unter der Westfälischen Straßenbahn zusammengefasst, so dass dieses zwischen Castrop-Rauxel, Laer, Witten und Herbede/ Bommern ein Netz von knapp 55 km geschaffen wurde. Die Verlängerung von Witten nach Herbede über Heven wurde 1929 eröffnet. Mit den Nachbarbetrieben wie der BoGeStra bestanden Gemeinschaftslinien.

Aufgrund von wirtschaftlichen Schwierigkeiten erfolgte 1937 die Übernahme durch die BoGeStra. In den 1960er wurde das Straßenbahnnetz duschzahlreiche Stilllegungen ausgedünnt. Am 30. Juni 1969 wurde die Linie 20 Abzweig Laer – Langendreer stillgelegt, die jetzt als Verlängerung der Linie 302 wiederauferstanden ist. Am 28. Mai 1972 wurde der Abschnitt zwischen Heven Dorf und Herbede der Linie 12 stillgelegt. Seit dem ist Heven Dorf der Endpunkt der Straßenbahn. Ende der 1960er Jahre wurden für das Ruhrgebiet und die angrenzenden Städte ein umfangreiches normalspuriges U-Stadtbahnnetz entworfen, welches auch die Umstellung der (teilweise) meterspurigen Straßenbahnen vorsah. Neben der tatsächlich verwirklichten U35 (Schloß Strünkede – Riemke Markt – Hustadt) sollten auch Witten (als Verlängerung der U35) und Laer/ Lanendreer (als U21) geplant. Ein Teil der heutigen Straßenbahntrasse wurde für den U-Stadtbahnbetrieb vorbereitet. Die Umsetzung wurde letzten Endes in den 1990er Jahren aus finanziellen Gründen nicht weitergeführt, so dass der meterspurige Straßenbahnbetrieb auch in Zukunft ein wichtiges Standbein des Bochum-Gelsenkirchener sein.
Weitere Informationen zum Straßen- und Stadtbahnnetz in Bochum gibt es hier:
http://www.urbanrail.net/eu/de/bo/bochum.htm
02.11.2020
Der 311 wird KEIN Museumswagen werden!
Die alte Strecke ist in schwarz/gelb markiert nicht wie beschrieben in blau/gelb.