
PESA Bydgoszcz wird sein Straßenbahnportfolio um zwei neue Fahrzeugplattformen namens Swing 3.0 und Twist 3.0 erweitern. Dabei handelt es sich in erster Linie um neue Fahrzeugarchitekturen, die im Wesentlichen eine Weitentwicklung der bestehenden Swing, Jazz, Twist und Foxtrot Straßenbahnen darstellen. Bei der klassischen Twist Straßenbahn handelt es sich um Drehgestellfahrzeuge mit Stufen über den Drehgestellen im Innenraum.
Die neuen Straßenbahnplattformen setzen auf Barrierefreiheit mit vollständig niederflurigem Design, einfacher Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen und Rollstuhlfahrern sowie speziellen Einrichtungen für blinde Fahrgäste. Zudem sollen sie modernste technische Innovationen beinhalten.
PESA folgt damit dem internationalen Trend für Drehgestellfahrzeuge ohne Rampen und Hochflurbereiche. Ähnliche Fahrzeuge wurden in den vergangenen Jahren bereits durch Alstom und Stadler für den zentral- und westeuropäischen Markt vorgestellt. Man darf gespannt sein, wie sich die Innenraumlandschaft im Vergleich zu den bisherigen PESA Fahrzeugen verändern wird.
Ein zentrales Merkmal der neuen Straßenbahnen ist der Einsatz von Energiespeichern, die eine Strecke von mindestens drei Kilometern ohne Oberleitung ermöglichen sollen. Diese Technologie erlaubt den Betrieb bei Oberleitungsausfällen oder auf oberleitungsfreien Streckenabschnitten. Zusätzlich wird ein modernes Antikollisionssystem integriert, das mithilfe von Radar- und Kameratechnologie Hindernisse wie Fahrzeuge oder Fußgänger bis zu einer Entfernung von 80 Metern erkennt und so die Unfallwahrscheinlichkeit deutlich reduziert. Die Frontgestaltung der Fahrzeuge ist zudem so optimiert, dass das Verletzungsrisiko für Fußgänger minimiert wird.
Die Fahrzeugarchitektur
Auf den in den vergangenen Monaten veröffentlichten Informationen ist sichtbar, dass es sich um ein reines Drehgestellfahrzeug handelt. Zwei Drehgestellwagen sind zentral mit einer Sänfte verbunden, während am jeden Fahrzeugende jeweils ein Wagenkasten mit dem Enddrehgestell „aufliegt“. Die Fahrzeuglänge in dieser Variante dürfte zwischen 40 m und 42 m betragen. Sowohl die Verkehrsbetriebe in Kraków (Krakau) als auch in Gdansk (Danzig) haben Interesse an 40-Meter Straßenbahnen. Eine Ausschreibung in Kraków ist bereits im Jahr 2024 angelaufen (siehe unten).

Es ist davon auszugehen, dass PESA neben dem Heimmarkt Polen auch Kunden in anderen zentral- und südosteuropäischen Ländern wie dem Baltikum, Rumänien u.a. ins Auge fast. Ein Eintritt in den deutschsprachigen Straßenbahnmarkt war dem polnischen Hersteller bislang nicht gelungen. In den Jahren 2012 – 2014 lieferte PESA Link Dieseltriebzüge an die Deutsche Bahn und an die Niederbarnimer Eisenbahngesellschaft.
Technische Innovationen
Ein technisches Highlight ist das fortschrittliche Kamerasystem, das die Sicherheit sowohl im Fahrzeuginneren als auch im Außenbereich überwacht. Dieses System kann unter anderem zurückgelassene Gegenstände erkennen, während externe Kameras die Umgebung auf der Straße und den Bahnsteigen überwachen. Eine spezielle Kamera für die Stromabnehmer ermöglicht die Fernüberwachung und Analyse des Oberleitungszustands in Echtzeit.
PESA setzt bei der Entwicklung auf moderne Materialien, darunter geräuschdämpfende Komponenten wie spezielle Isolierungen und Raddämpfer. Statt herkömmlicher Heizsysteme sollen leisere Lösungen den Fahrkomfort verbessern. Tests an den Straßenbahnen des Typs 146N für Wrocław zeigten bereits erste Ergebnisse: Ein gemessener Geräuschpegel von 49,9 dB im Führerstand und 54,1 dB im Fahrgastraum belegt die Fortschritte in der Schallreduktion.
Wir berichteten über die 146N in Wrocław und die Schwesterfahrzeuge in Tallinn hier:
Darüber hinaus werden die neuen Plattformen durch ihr geringeres Gewicht überzeugen, was sowohl den Energieverbrauch als auch die Belastung der Gleisinfrastruktur verringern soll. Eine leichte, lasergeschweißte Wagenkastenstruktur, geschützt durch das Kataphoreseverfahren, trägt zur Gewichtsreduktion bei. Auch die Antriebstechnologie auf Basis von Siliziumkarbid-Umrichtern sorgt für eine energieeffiziente Leistung.
Neben den neuen Fahrzeugen plant PESA die Einführung des Diagnosesystems DiagApp 2.0, das die Flottenverwaltung und Wartung durch eine Web- und Mobilanwendung optimieren soll.
Erstes Fahrzeug soll im Jahr 2027 fahren
PESA und seine Partner haben ehrgeizige Ziele: Bereits 2027 soll das erste Fahrzeug der neuen Plattform vorgestellt werden. Ob es sich dabei um einen ersten Auftrag oder Prototypen handelt, ist nicht bekannt. Derzeit liegt der Fokus der Ingenieure in Bydgoszcz auf der Konstruktion der Stahlstrukturen und Drehgestelle, während im Jahr 2025 die Gestaltung des Innenraums und die Auswahl der Komponenten vorangetrieben werden.
Die größte Herausforderung besteht darin, die vielfältigen Anforderungen der Kunden zu berücksichtigen. Um der Vielfalt städtischer Straßenbahninfrastrukturen gerecht zu werden, plant PESA eine flexible Grundkonstruktion, die individuell angepasst werden kann, um möglichst viele Kundenanforderungen zu erfüllen.

Expertenkreisen zufolge möchte sich PESA mit der neuen Plattform an der Straßenbahnausschreibung für 90 Fahrzeuge in Kraków (Krakau) beteiligen.
PESA untersucht zudem die Möglichkeit, alternative Antriebstechnologien wie Wasserstoff-Brennstoffzellen, Batterien oder Superkondensatoren in die neuen Straßenbahnen zu integrieren. Dies entspricht dem Unternehmensziel, Fahrzeuge zu produzieren, die den Anforderungen an emissionsarmen Verkehr gerecht werden und „hydrogen ready“ sind. Erste Erfahrungen mit Brennstoffzellen hat PESA bereits: Die vierachsige Rangierlokomotive SM42 6Dn befindet sich derzeit in der Validierungsphase und soll ab dem Jahr 2025 einsatzfähig sein. Lieferant der Brennstoffzellen ist Ballard.
Die Einführung der neuen Straßenbahnplattform ist Teil der PESA-Strategie mit einer Perspektive bis 2025+, die auf Produktentwicklung, neue Technologien und internationale Expansion abzielt.
16.01.2025