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Riedbahn Frankfurt – Mannheim: Fünf Monate Bus statt Bahn

Berlin BEx B-EX 826, MAN Lion's Intercity LE, in Mannheim-Luzenberg | © Christian Marquordt

Die Deutsche Bahn AG hat sich Großes vorgenommen: auf der 70 Kilometer langen „Riedbahn“ zwischen Frankfurt und Mannheim führt sie seit dem 15. Juli und bis zum 14. Dezember 2024 eine „Generalsanierung“ durch. Es werden 117 Kilometer Gleise, 152 Weichen und die Oberleitung erneuert, 380.000 Tonnen Schotter und 265.000 Schwellen ausgetauscht und 15 Kilometer neue Lärmschutzwände errichtet. Die größte Sanierungsmaßnahme, die es je bei Deutschlands Eisenbahn gegeben hat.

Das alles lässt sich nicht „unter rollendem Rad“ durchführen, und es soll ja auch möglichst schnell fertig werden. Damit der Bahnverkehr anschließend um so besser und zuverlässiger läuft. Erst einmal bedeutet das allerdings, dass die „Riedbahn“ komplett für jeglichen Verkehr gesperrt werden musste. Wo monatelang keine Schienen liegen, können auch keine Züge fahren. Der Fernverkehr auf der Schiene (Intercities und ICE) wird umgeleitet über Ludwighafen, Worms und Mainz oder über Bensheim und Darmstadt. Und der Regionalverkehr auf der Schiene? Findet für die Dauer der Generalsanierung per Bus auf der Straße statt. Keine kleine Aufgabe, im Gegenteil, der Bus-Ersatzverkehr für die Riedbahn ist der größte Ersatzverkehr, den die DB AG bis heute je organisiert hat.

Ihren Busverkehr führt die DB bundesweit durch regionale Bus-Tochtergesellschaften durch. Sechs von denen sind jetzt mit Fahrzeugen im Ersatzverkehr der Riedbahn aktiv, nämlich

  • Bayern Express & P. Kühn (BEx, gehört zu DB Regio Bus Ost), aus Berlin
  • Busverkehr Rheinland (BVR) mit Sitz in Düsseldorf
  • DB Regio Bus Mitte (DRM), Mainz
  • Friedrich Müller Omnibusunternehmen (FMO) aus Schwäbisch Hall (auch dieses ehemalige Privatunternehmen gehört heute der DB)
  • Omnibusverkehr Franken (OVF), mit Sitz in Nürnberg
  • Regionalverkehr Alb – Bodensee (RAB), Ulm. 
Ein Wagen von der „Busverkehr Rheinland“ am Darmstädter Hauptbahnhof am 30. Juli 2024 | © Ulrich Kleinrensing

Für diesen Ersatzverkehr hat die Bahn 170 fabrikneue Busse beschafft, je zur Hälfte Low-Entry-Überlandbusse und Gelenkwagen. 150 der Wagen werden für den täglichen Einsatz gebraucht, die restlichen 20 sind Reservewagen. Sie alle sind bei MAN in Werk Ankara gebaut worden. Die Low-Entry-Überlandwagen sind von der Baureihe „MAN Lion’s Intercity LE“, die Gelenkwagen vom Typ „MAN Lion’s City 18“. Sie alle sind von der Bauform „efficient hybrid“: beim Bremsen gewinnen sie durch Rekuperation Strom zurück, mit dem sie beim nächsten Anfahren starten – was ihnen eine Dieselersparnis von 16 % und einen um 16 % geringeren Schadstoffausstoß beschert.

Es gibt einen provisorischen Betriebshof auf dem „Messplatz“ in Darmstadt für sie, für nur fünf Monate braucht man nicht mehr als einen provisorischen Betriebshof. Die Busse stehen hier durch Bauzäune geschützt, selbstverständlich ist der „Zutritt für Unbefugte verboten“. Denn „Fremdlack“ (Grafitti) ist – zum  Beispiel – selbstredend nicht erwünscht.)

Alle 170 Busse zeigen sich in einheitlichem „verkehrspurpur“ (so nennt die DB die Farbe) mit weißen Applikationen. Verkehrspurpur ist überhaupt „die“ Farbe des Riedbahn-Ersatzverkehrs: die Haltestellen zeigen sich in diesem Outfit, die Hinweisschilder zu den Haltestellen, selbst Aufkleber auf den Fußwegen zu den Bussen, und in einem Ort zwischen Mannheim und Frankfurt sah der Verfasser sogar einen Wetterschutz-Unterstand für die Fahrgäste in verkehrspurpur. So etwas nennt man ja wohl Corporate identity, und sie ist sehr sinnvoll, denn da erkennt der Fahrgast sofort, „wo es lang geht“.

26 der Busse haben eine geräumige Toilette. Da hat der Fahrgast mehr Platz als in manchem Zug auf der Schiene. Und da ja auch Fahrgäste mit Gepäck mitfahren werden, gibt es auch Busse mit speziellen Gepäckablagen (im ICE heißt so etwas „Gepäckrack“), wo sie ihre Koffer und sonstige sperrige Gegenstände unterbringen können.

Schwäbisch Hall Müller SHA-DB 109: Das hätte Friedrich Müller vermutlich nicht für möglich gehalten: ein MAN Lion’s City 18 unter seinem Namen gehört der DB | © Christian Marquordt

Vor allem aber haben die Busse komfortabele Sitze mit hochgezogenen Rückenlehnen, Armlehnen und Sicherheitsgurten an jedem Platz. Auch das ist sinnvoll, denn angesichts der möglichen Entfernungen fahren die Menschen schon mal längere Strecken mit dem Ersatzverkehr. Und „über Land“ oder gar auf der Autobahn werden auch schon mal höhere Geschwindigkeiten erreicht. Immerhin darf ein Linienbus auf der Landstraße zwischen zwei Orten auch 80 km/h fahren – vorausgesetzt, es steht niemand (sonst nur 60 km/h). Die Wagen sind mit WLAN und USB-Ladebuchsen ausgestattet. Für Rollstuhlfahrer und Kinderwagen gibt es barrierefreie Bereiche in den Bussen. Und digitale Anzeigen in den Wagen informieren ihre Fahrgäste über den Fahrtverlauf, die nächste Haltestelle, Umsteigemöglichkeiten etc.

Die DB hat seit 2023 für den Riedbahn-Ersatzverkehr 400 Fahrer gewonnen, die aus 18 Ländern kommen. Sie sind gründlich für den Ersatzverkehr geschult worden. Dazu gehörte nicht nur Streckenkunde, sondern vor allem auch Unterricht in der deutschen Sprache, damit die neuen Mitarbeiter sich auch mit der Leitstelle und ihren Fahrgästen verständigen und Auskünfte geben können. Auch Wohnraum hat die DB für ihre neuen Kollegen besorgt. Denn man möchte, dass sie nach Ende des Riedbahn-Ersatzverkehrs den Busgesellschaften der DB erhalten bleiben. 

Nürnberg OVF N-EV 2371, ein MAN Lion’s Intercity LE, wartet im südhessischen Langen auf Fahrgäste | © Christian Marquordt

Es sind 13 Ersatzverkehrslinien eingerichtet worden, die alle im 30-Minuten-Takt bedient werden. Wo mehrere Linien auf einem Abschnitt gemeinsam unterwegs sind, ist der Takt entsprechend dichter. Siehe dazu die Aufstellung der Linien des Ersatzverkehrs, siehe dazu der Netzplan. Die längste Linie ist die „RB 70“, die die gesamte Strecke von Mannheim bis Frankfurt fährt. Aus dem Rahmen fällt der „IC Bus“, der – Fahrzeit eine Stunde – ohne Halt vom Mannheimer Hauptbahnhof zum Frankfurter Flughafen fährt – die einzige Verbindung des Fernverkehrsnetzes per Ersatzbus, während alle anderen Züge des Fernverkehrs ja sonst über andere Strecken umgeleitet werden. Unter den Ersatzbus-Linien sind auch solche, die Direktverbindungen bieten, die es auf der Schiene gar nicht ohne Umsteigen gibt: so zum Beispiel die Linien Q 1 von Darmstadt über Riedstadt-Goddelau, Gernsheim und Bürstadt nach Mannheim und S 91 von Darmstadt über Gernsheim und Bürstadt nach Mannheim. Wobei zum Beispiel gerade diese beiden Linien zeigen, dass eben auch öfter als alle 30 Minuten gefahren wird, denn sie verkehren ja beide zwischen Darmstadt und Mannheim.

Wobei es eine Besonderheit in Mannheim gibt: die von Norden kommenden Busse des Ersatzverkehrs fahren (in der Regel) nur bis Mannheim-Luzenberg. Dort muss Richtung Hauptbahnhof und Innenstadt in die städtische Straßenbahn umgestiegen werden. Lediglich in den späten Abendstunden, wenn Mannheims Straßenbahn nicht mehr so oft unterwegs ist, kommen die Busse aller Ersatzverkehrslinien auch zum Hauptbahnhof.

Und was wird aus den Bussen nach dem Ende des Ersatzverkehrs auf der Riedbahn? Ganz einfach: Schienenersatzverkehr gibt es immer wieder, nicht zuletzt stehen auch schon weitere Großsanierungen auf der Agenda. Und bis dahin gehen die Wagen erst einmal an die Tochtergesellschaften, auf die sie ja ohnehin zugelassen sind.  

Die Linien im Ersatzverkehr für die Riedbahn:

(geordnet nach Nummern; angegeben sind nur die wichtigsten Orte unterwegs)

  • Q 1:     Darmstadt Hbf – Riedstadt-Goddelau – Gernsheim – Bürstadt – Mannheim-Luzenberg (am späten Abend auch bis Mannheim Hbf)
  • Q 2:     Frankfurt Hbf – Frankfurt Stadion – Zeppelinheim – Walldorf – Mörfelden – Langen
  • S 6 (Nord):       Mainz-Laubenheim – Nackenheim
  • S 6 (Süd):        Guntersblum – Worms Hbf
  • 67 N:    DarmstadtHbf – Zwingenberg – Bensheim
  • 67 S:    Bensheim – Heppenheim – Weinheim – Ladenburg
  • S 7:      Frankfurt Hbf – Gross Gerau – Riedstadt-Goddelau – Gernsheim
  • RE 70:  Frankfurt Hbf – Riedstadt-Goddelau (bis dahin über die Autobahn) – Gernsheim – Bürstadt – Mannheim-Luzenberg (am späten Abend auch bis Mannheim Hbf)
  • S 71:    Frankfurt Gateway Gardens – Gross Gerau – Riedstadt-Goddelau
  • S 72:    Frankfurt-Niederrad – Gross Gerau – Gross Gerau-Dornberg
  • S 91:    Darmstadt Hbf – Gernsheim – Bürstadt – Mannheim-Luzenberg (am späten Abend auch bis Mannheim Hbf)
  • 652:     Bürstadt – Bobstadt
  • IC Bus: Mannheim Hbf – Frankfurt Flughafen (ohne Zwischenhalt, Fahrzeit rund eine Stunde)
Ulm RAB UL-A 9355: Alb und Bodensee sind weit, und doch fährt dieser MAN Lion’s City 18 der DB-Tochter RAB in Mannheim-Luzenberg Ersatzverkehr für die Riedbahn | © Christian Marquordt
Bahnhof Dörnburg: MAN Lion’s City 18 der DB Regio Bus Ost GmbH | © Christian Marquordt
23.08.2024