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Rollout des Stadler Tramlink für die EVAG in Erfurt

Am 20. Mai wurde die erste Stadler Tramlink Straßenbahn geladenen Gästen und der Presse vorgestellt I © UTM

Eine Straßenbahn, „gebaut von einer „schweizerischen Firma mit spanischem Handwerk und spanischer Leidenschaft“. Mit diesen Worten präsentierte Peter Zaiß, Geschäftsführer der Stadtwerke Erfurt die erste der neuen Stadler Tramlink Niederlfurstraßenbahn am 20. Mai 2021 Pressevertretern, Politiker:innen sowie geladenen Gästen von EVAG und den Lieferanten Stadler, Kiepe, dem TÜV Rheinland sowie der Technischen Aufsichtsbehörde.

Mit dabei waren u.a. auch der Botschafter der Schweiz, Dr. Paul Seger, der zur feierlichen Inbetriebnahme des Tramlink nach Erfurt kam, Andreas Bausewein, Oberbürgermeister von Erfurt, Susanne Karawanskij, Staatssekretärin im Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, Jure Mikolčić, CEO Stadler Deutschland, Bilal El-Saghir, Technischer Projektleiter von Kiepe Electric GmbH, Robert Martin vom TÜV Rheinland InterTraffic GmbH sowie Michael Nitschke, Prokurist und Betriebsleiter der EVAG.

Zur feierlichen Inbetriebnahme des Wagens 801 auf dem EVAG-Betriebshof Magdeburger Allee: Guy Montavon, Honorarkonsul der Schweiz, Íñigo Parra, Geschäftsführer Stadler Rail Valencia S.A.U., Peter Zaiß, Geschäftsführer der SWE Stadtwerke Erfurt GmbH, Jure Mikolčić, CEO Stadler Deutschland, Staatssekretärin Susanne Karawanskij vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft, Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein und S.E. der Botschafter der Schweiz, Herr D. Paul Seger (v. l.) I © Jacob Schröter

Erste Jungfernfahrt

Der erste von insgesamt 14 neuen Tramlink Niederflurstraßenbahnen hatte am 20. Mai 2021 seine Jungfernfahrt. Nach der Auslieferung Ende März und darauffolgenden intensiven Tests und Probefahrten im Liniennetz der EVAG war es nun so weit: Die erste neue Straßenbahn nimmt ihren Betrieb auf. Der Wagen 801 die erste Runde mit geladenen Fahrgästen durch die Stadt. Die Bahnen wurden im Stadler Werk Valencia Albuixech gefertigt, wo auch die restlichen 12 Wagen sowie die derzeit in Produktion befindlichen Tramlinks für Augsburg und Jena produziert werden.

Der neue Tramlink während der Jungfernfahrt am Anger I © UTM

Die Straßenbahn mit der Nr. 801 ist die erste von insgesamt 14 Bahnen, die künftig in der Landeshauptstadt Erfurt fahren. Ab Anfang Juni kommt sie auf der BUGA-Linie (Linie 2) zum Einsatz und verbindet die beiden BUGA-Standorte egapark und Petersberg miteinander.

Europäisch-thüringische Unterstützung

Die Fahrzeugbeschaffung wurde mit der Unterstützung durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und den Freistaat Thüringen getätigt. 47 % der Anschaffungskosten in Höhe von 56 Mio. Euro (4 Mio. Euro pro Fahrzeug) wurden gefördert. Die restliche Summe hat die EVAG als Tochterunternehmen der SWE Stadtwerke Erfurt GmbH mit Eigenmitteln finanziert. Es ist übrigends die erste EFRE Finanzierung für Straßenbahnen deutschlandweit. Die Dresdner DVB ist für die Finanzierung ihrer neuen Straßenbahn auch diesen Weg begangen.

Übergabe der Inbetriebnahmegenehmigung von Staatssekretärin Susanne Karawanskij vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft an Dipl. Ing. Michael Nitschke, Prokurist und Betriebsleiter der EVAG I © UTM

Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass die EFRE Förderung nur dadurch möglich wurde, dass die neuen Fahrzeuge mit innovativen Energiesparsystemen ausgestattet wurden, die letzten Endes auch den rechnerischen CO2 Ausstoß reduzieren. Es kommt ein Wärmerückgewinnungssystem, eine bedarfsgerechte Umluftsteuerung mit CO2-Sensoren, optimierte Heizgeräte sowie Displays mit dem Traktionsenergieverbrauch-Anzeige für die Fahrer zum Einsatz. Außerdem wurden Gewichtsreduktionsmaßnahmen eingeführt.

Teil der EFRE Förderung ist deshalb auch eine sogenannte Energieeffizienzfahrt, in der die vertraglich zugesagte CO2-Reduktion in Höhe von gut 7 Gramm CO2/ Fahrplankilometer nachgewiesen werden muss. Davon fällt eine Reduktion von 3,5 g CO2 auf die Traktionsenergie und 3,7 g CO2 auf die Klimaanlage bzw. Heizung.

Energieeinsparungen

Die Hersteller Stadler und Kiepe haben sehr viel Mühe und Ideenreichtum in die neue Tramlink Straßenbahn investiert. Die technischen Projektleiter haben am 20. Mai dementsprechend stolz ihre Innovationen vorgestellt. Die Abwärme der wassergekühlten Motoren wird über Rückkühler den Klimaanlagen bzw. den Heizaggregaten zur Verfügung gestellt – eine Neuheit für Straßenbahnen. Dank der Wärmerückgewinnung können über das Jahr verteilt ca. 10% Energie eingespart werden, mehrheitlich natürlich in der kalten Jahreszeit wenn der Heizbedarf am höchsten ist.

Mit gut 42 Metern länge werden die 14 neuen Tramlink die längsten Fahrzeuge der EVAG sein I © UTM

Die im Fahrzeuginnern installierten CO2-Sensoren messen den CO2 Gehalt im Fahrzeug, der je nach Beladungszustand zunimmt. Je mehr Fahrgäste einsteigen, desto höher der CO2 Gehalt. In diesem Fall befördert die Klimaanlage Frischluft ins Wageninnere. Wenn der Zug leer ist, wird nur so viel Frischluft bereitgestellt wie notwendig. Das spart Energie.

Sofern überflüssige Bremsenergie vorhanden ist, zum Beispiel in Schwachlastzeiten oder auf Streckeabschnitten auf denen kein anderes Fahrzeug die Bremsenergie über das Netz aufnehmen kann, nutzt die intelligente Heizgerätesteuerung diese Energie.

Ein besonderes Augenmerk setzten die Techniker aus Spanien, Deutschland und der Schweiz auf die Gewichtsreduktion. Hier gab es vom Kunden klare Vorgaben. Mit 52,53 Tonnen bringt der achtachsige Siebenteiler knapp 4 % weniger Gewicht auf die Waage als vergleichbare Niederflurbahnen. Auch dies wirkt sich natürlich positiv auf den Traktionsenergieverbauch aus.

Die Fahrerkabine mit Touchscreen-Display und Energieverbrauchsanzeige I © UTM

Weil die Fahrweise wie bei allen Verkehrsmitteln einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf den Traktionsenergieverbrauch hat, wurde in das Fahrerdisplay eine Energieverbrauchsanzeige integriert, der den über die Zeit gemittelten Energieverbrauch darstellt und den Fahrern und Fahrerinnen der EVAG eine Indikation darüber gibt, wie sich ihre Fahrweise auf den Energieverbrauch auswirkt. Während der Jungfernfahrt am 20.05. lag der Wert bei 1 kWh/km.

Inbetriebnahme Anfang Juni

Anfang Juni sollen die ersten beiden neuen Tramlink-Züge auf der Straßenbahnlinie 2 in Betrieb gehen. Mit Unterstützung des TÜV Rheinland Inter Traffic finden in den kommenden Wochen weitere Abnahmen und Qualitätschecks statt. Der TÜV Rheinland hat die EVAG seit dem Beginn der Ausschreibung im Jahr 2018 begleitet. Grundsätzlich sind die neuen Bahnen aber auf dem gesamten Netz einsetzbar und sollen auf dem Erfurter Straßenbahnnetz für mehr Kapazität sorgen. Mit 42,49 m sind die neuen Bahnen über 10% mehr Kapazität als die vorhandenen 30 m und 35 m Fahrzeuge der.

Schrittweise und abhängig vom Erhaltungszustand sollen auch die ältesten MGT6D Niederflurbahnen der ersten Generation aus dem Jahr 1994 abgelöst werden, wobei sicherlich auch viel davon abhängt wie und ob sich die Fahrgastzahlen nach der Corona Krise wieder erholen. Insofern hofft die EVAG und die Industrie auch auf die Einlösung der Deren Finanzierung ist aber noch nicht gesichert. Strukturelle Probleme in den Wagenkästen der in den Jahren 1994 – 1998 gebauten Duewag/ Siemens MGT6D, wie sie in Bochum beobachtet wurden, kennt man in Erfurt nicht.

Abhängig von Fahrzeugzustand, Laufleistung und Fahrgastenwicklung sollen die ältesten MGT6D Niederflurbahnen aus dem Jahr 1994 in absehbarer Zeit als Betriebsreserve abgestellt werden I © UTM

Fahrtechnik und Fahrgefühl

Schon während des Rollouts des Tramlinks im Betriebshof Magdeburger Allee wurde allen Teilnehmenden klar: „dieses Fahrzeug macht keinen Lärm!“ Tatsächlich ist das Fahrzeug frei von störenden Elektronikgeräuschen. Die von Kiepe entwickelte optimierte Ansteuerung der Umrichter sorgt dafür, dass die Lärmemissionen sowohl im Innern als auch Äußeren des Fahrzeugs zwar hörbar, aber angenehm leise sind.

Bildergalerie (zum Öffnen bitte anklicken):

Im Innenraum des 42-Meter Fahrzeuges mit Edelstahlwagenkasten finden bis zu 248 Fahrgäste im großzügig gestalteten Innenraum der Fahrzeuge Platz, 102 davon auf Sitzplätzen. Der S-förmige Gang, der aus vorherigen Tramlink Projekt bekannt war, wurde begradigt und ist kaum noch auffällig. Podeste und Rampen gibt es bei diesem Fahrwerkkonzept mit durchgehenden Radsatzwellen nicht. Die patentierte Anlenkung der Fahrwerke ermöglicht ein Ausdrehen der Fahrwerke, wodurch Kurvenfahrten deutlich sanfter werden. Dank der zwischen Fahrwerk und Wagenkasten befestigten Lenker wird in Kurven ein Parallelogramm gebildet, wodurch der Drehpunkt von der Fahrwerksmitte nach vorne wandert.

Ansicht des motorisierten Stadler Fahrwerks mit jeweils zwei AC-Asynchronmotoren mit jeweils 100 kW Leistung, 3-stufigem Stirnradgetriebe und Keilpaketringkupplung mit durchgehenden GHH V60 Achsen I © UTM

Neu ist zudem die Türtechnik. Über grün oder rot blinkende LED-Leuchtleisten zeigt sie dem Fahrgast, ob ein gefahrloses Ein- oder Aussteigen möglich ist.

Die Farbtemperatur LED-Innenraumbeleuchtung passt sich entsprechend der Tageszeit und der Außentemperatur an: Kältere Farben bei warmen Wetter und wärmere Farben bei kühlem Wetter.

Sprechende Straßenbahn

Um die Barrierefreiheit für an der Haltestelle wartende, sehbehinderte Fahrgäste zu verbessern, wurde bei der neuen Tramlink Staßenbahn auch das akustische Ansagesystem von GSP installiert, welches bereits bei den Altfahrzeugen der EVAG eingesetzt wird. Um Liniennummer, Fahrtziel und Haltestellen ansagen zu können, wurden elektromagnetische Erreger in die Seitenwände eingebaut, die Schwingungen auf die Außenhaut übertragen. Die geräuschabhängige Lautstärkeregelung (GLR) sowie die intelligente Nachtabsenkung der Lautstärke vermeiden zudem unnötige Belästigungen von Anwohnern der Erfurter Straßenbahntrassen. In dieses Entwicklungsprojekt zwischen GSP, den Erfurter Verkehrsbetrieben und der Fachhochschule Erfurt war auch der Blindenverein Erfurt mit eingebunden.

Kleine Fahrzeugparade während des Tramlink Rollouts am 20. Mai (v.l.n.r.): Tatra KT4D Stadtrundfahrt, Duewag/ Siemens MGT6D sowie ein Siemens Combino der letzten Generation (Baujahr 2012) I © UTM

Stellungnahmen:

„Mit den neuen Bahnen gewährleisten wir einen stabilen ÖPNV im Verkehrsverbund Mittelthüringen und leisten unseren persönlichen Beitrag zur Reduzierung von Kohlendioxid und Feinstaub. Um den Nahverkehr auch in Zukunft als moderne und attraktive Alternative zum Individualverkehr etablieren zu können, hoffen wir auch weiterhin auf die Unterstützung durch den Freistaat Thüringen und Förderprogramme der EU“, sagt Peter Zaiß, Geschäftsführer der SWE Stadtwerke Erfurt GmbH.

Peter Zaiß, Geschäftsführer der Stadtwerke Erfurt, während des Tramlink Rollouts am 20. Mai 2021 I © UTM

„Wir freuen uns sehr, dass wir mit Stadler und Kiepe Electric aus Düsseldorf so erfahrene und kompetente Partner für dieses große Projekt gewinnen konnten. Die Integration der längeren Fahrzeuge in unser bestehendes Schienennetz war eine Herausforderung. Umfangreiche Tests waren notwendig, die wir aber gern auf uns genommen haben, denn die Bahnen sind nicht nur aufgrund ihrer größeren Kapazität ein großer Gewinn für Erfurt“, betont Myriam Berg, Vorstand der EVAG.  

Jure Mikolčić, CEO Stadler Deutschland: „Mit dem Tramlink wird der Fahrkomfort für Fahrgäste und Fahrer verbessert. Die neuen Straßenbahnen sind mit Klimaanlagen ausgestattet und schaffen mit einem offenen Raumgefühl, hochwertigen Materialien sowie einer vollständiger Durchgängigkeit eine freundliche Umgebung. Auch der Arbeitsalltag der Fahrer verbessert sich: Der ergonomisch gestaltete Fahrerarbeitsplatz ermöglicht eine gute Rundumsicht. Er ist außerdem mit einem modernen Touchbildschirm ausgestattet.“

Jure Mikolčić, CEO Stadler Deutschland, präsentierte stolz die neue Tramlink Straßenbahn für Erfurt I © UTM

„Das nachhaltige Mobilitätskonzept der EVAG überzeugt und wir haben für die Fahrzeuge ein umfangreiches Paket an elektrischen Systemen geschnürt, die perfekt aufeinander und auf die Tramlink-Plattform abgestimmt sind“, sagt Alexander Ketterl, Geschäftsführer von Kiepe Electric.

21.05.2021
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