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Schleswig Holstein bestellt 55 FLIRT Akku-Triebzüge bei Stadler

Stadler FLIRT Akku Testträger am 14. Oktober 2019 auf Präsentationsfahrt im Kieler Hbf I © Stadler

Es ist eine „Renaissance“ der ganz besonderen Art: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wurden heute in Deutschland Batterietriebzüge für den Regionalverkehr bestellt – seit Anfang den 20. Jahrhunderts bis 1995 gab es bereits einmal sogenannte Akkuzüge, die mit schweren Blei-Säure-Akkus betrieben wurden. Dank der Fortschritte in der Lithium-Ionen Technologie ist nun auch der Batteriebetrieb bei Vollbahnen möglich: Der Nahverkehrsverbund NAH.SH und Stadler haben am 14. Oktober 2019 die im Juli bekannt gegebenen Vergabe des Liefervertrag über die ersten in Deutschland im Wettbewerb vergebenen Batterie-Triebzüge in Kiel unterzeichnet. Die lokal emissionsfreien Fahrzeuge sollen ab Ende 2022 in den bisher mit Diesel-Triebzügen betriebenen Netzen Nord und Ost zum Einsatz kommen. Neben der Lieferung der Fahrzeuge ist Stadler über einen Zeitraum von 30 Jahren für die Instandhaltung der Fahrzeuge verantwortlich. Der Auftragswert liegt bei rund 600 Millionen Euro. 

Zweiteiler mit > 100 km Reichweite

Dem Vernehmen nach liefert Stadler 55 zweiteilige FLIRT Akku Gelenktriebwagen, die unter der 15 kV 16,7 Hz AC-Oberleitung oder anderen Ladestationen nachgeladen werden. Der längste nicht-elektrifizierte Abschnitt auf dem Dieselnetz beträgt 80 km. Unter optimalen Bedingungen soll aber auch eine Batteriereichweite von 150 km möglich sein. Die Fahrzeuge haben eine Sitzplatzkapazität für 124 Passagiere. Für Test- und Versuchszwecke hat Stadler bereits im Jahr 2018 einen Prototypen auf die Schienen gestellt. Dabei handelt es sich um einen dreiteiligen FLIRT Akku Triebwagen, der im Herbst 2018 erstmals der Presse vorgestellt wurde und bald auf mehreren nicht-elektrifizierten Strecken in Deutschland zum Einsatz kommen soll.

Vergabeverfahren mit fast 3 Jahren Dauer

Nach Abschluss eines fast drei Jahre dauernden Vergabeverfahrens der ersten technologieoffenen Ausschreibung Deutschlands haben Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz und Jure Mikolčić, CEO von Stadler in Deutschland, am Montag, 14. Oktober 2019, in Kiel den Liefer- und Instandhaltungsvertrag über 55 batteriebetriebene Züge des Typs FLIRT Akku unterzeichnet. Die neuen Triebzüge sparen zum einen aufgrund des höheren Wirkungsgrades des Elektroantriebes im Vergleich zum Diesel Energie, zum anderen sind diese deutlich emissionsärmer unterwegs. Hergestellt werden die neuen Batterie-Elektrotriebzüge von der deutschen Tochter des Schweizer Schienenfahrzeugherstellers Stadler. Neben der Lieferung wird Stadler die Fahrzeuge über einen Zeitraum von 30 Jahren instand halten. Dass der Fahrzeughersteller für die Instandhaltung der Fahrzeuge verantwortlich sein wird, ist in Schleswig-Holstein eine Neuheit. Verkehrsminister Dr. Bernd Buchholz: «Gerade nach den Erfahrungen auf der Marschbahn, aber auch in anderen Netzen, war es uns wichtig, den Hersteller mit in die Alltagsverantwortung zu nehmen.» Stadler plant, die Instandhaltung an den Standorten Neumünster und Rendsburg durchzuführen. 

Probefahrt mit dem Prototyp

Im Anschluss an die Vertragsunterzeichnung stellte Stadler dem Verkehrsminister die neuen Züge während einer Fahrt mit dem FLIRT Akku-Testträger von Kiel nach Oppendorf vor. Sie sind leiser, spurtstärker und dank einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h deutlich schneller. Betrieben werden die Fahrzeuge auf den nicht elektrifizierten Strecken über zusätzlich installierte Akkus. Für die Aufladung werden bereits vorhandene beziehungsweise vereinzelt neu zu errichtende Oberleitungen als auch weitere Ladevorrichtungen genutzt. Indem bei den neuen Fahrzeugen Bremsenergie in die Batterie zurückgespeist wird, kann zusätzlich Energie eingespart werden. Ab Dezember 2022 werden die neuen Züge auf den Strecken Kiel – Lübeck-Lüneburg, Bad Oldesloe – Neumünster – Heide – Büsum, Kiel – Husum, Husum – Bad St. Peter Ording, Kiel – Rendsburg und Kiel – Eckernförde – Flensburg unterwegs sein. Mit Inbetriebnahme der FLIRT Akku-Triebzüge werden in Schleswig-Holstein zukünftig kaum noch Dieseltriebwagen unterwegs sein. 

Buchholz: «Die neuen Triebwagen sind emissionsfrei. Wir schaffen hier ein Stück der nötigen Elektrifizierung des Bahnverkehrs, ohne in die teuren Oberleitungen investieren zu müssen. Mich freut besonders, dass diese Lösung auch so wirtschaftlich ist. Über den Investitionszeitraum gerechnet liegen wir hiermit etwas günstiger als mit Dieseltriebwagen.» 

Jure Mikolčić ergänzt: «Der heutige Vertragsschluss ist ein wesentlicher Meilenstein für die weitere Reduzierung der CO2-Emissionen im Schienenverkehr. Die Eisenbahn ist schon heute ein sehr umweltfreundliches Verkehrsmittel. Durch den Einsatz von lokal CO2-emissionsfreien Fahrzeugen auf nicht- elektrifizierten Strecken rückt das Ziel einer CO2-Neutralität ein grosses Stück näher. Wir freuen uns, mit der Lieferung der ersten Akku-Triebzüge für einen grossen Verkehrsvertrag aktiv zu dieser Entwicklung beizutragen.» 

Das im August 2016 gestartete Vergabeverfahren zur Auswahl neuer Fahrzeuge für die nicht oder nur zum Teil elektrifizierten Netze Nord und Ost fand in Form einer so genannten Investitionspartnerschaft statt. Buchholz: «Mit dieser Vergabe wird Schleswig-Holstein bundesweit Vorreiter im Bahnverkehr sein. Ich danke der NAH.SH dafür, dieses für uns alle neue Verfahren erfolgreich geführt zu haben.» Buchholz geht davon aus, dass andere Bundesländer mit grossem Interesse auf das schleswig-holsteinische Verfahren blicken werden: «Das Ergebnis stimmt, aber auch der Weg dahin war spannend. Dieser sehr enge Austausch mit den Herstellern scheint mir ein erfolgversprechender Weg zu sein, um Innovationen im Bahnbereich voranzubringen.» 

14.10.2019
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