Ile-de-France Mobilités (IDFM), der Aufgabenträger des öffentlichen Verkehrs im Grossraum Paris (Ile de France) mit über 12 Millionen Einwohnern auf einer Fläche von 12 000 km2 hat Mitte Dezember den Zeitplan für die Marktöffnung der derzeit von der Staatsbahn SNCF betriebenen RER-, Vororts- und Regionalstadtbahn-Linien bekanntgegeben. Neue Betreiber sollen in Etappen zwischen 2023 und 2033 zugelassen werden. Anschliessend sollen ab 2040 die am stärksten frequentierten und gemeinsam zwischen SNCF und dem innerstädtischen Pariser Verkehrsunternehmen RATP betriebenen RER-Linien A und B im Wettbewerb vergeben werden.
In Umsetzung der EU-Richtlinien 2012/34/EG und 2016/2370/EG schreibt das französische Gesetz 2018-515 eine stufenweise Marktöffnung auch für den Pariser Vorortsverkehr vor. Diese Linien unterstehen dem Aufgabenträger Ile-de-France Mobilités (IDFM) und sind grösstenteils in Betrieb und Infrastruktur des nationalen Nah- und Fernverkehrsnetzes der SNCF integriert, was den Prozess der Marktöffnung stark kompliziert. Es geht um die von den Pariser Stadtbahnhöfen ins Umland ausgehenden „Transilien“-Vorortslinien H, J, K, L, N, P, R und U, sowie die Paris unterquerenden „RER“-Linien A bis E, von denen die Linien A und B von der SNCF und der RATP gemeinsam betrieben werden. Im Programm enthalten sind auch die Regionalstadtbahnen T4 und T11 sowie die zukünftigen Linien T12 und T13 der SNCF.
In der Zwischenzeit haben IDFM und SNCF Anfangs Dezember 2020 einen Vertrag für die nächsten vier Jahre unterzeichnet. Von den insgesamt 12 Mia. Euro entfällt davon mit 8 Mia. doppelt so viel wie in der Vorperiode auf Investitionen in Arbeiten am Netz und Werkstätten. Der Vertrag führt auch das Prinzip der automatischen Entschädigung der Fahrgäste bei wiederholten Verspätungen ein. Wenn über einen längeren Zeitraum weniger als 80 % der Züge pünktlich verkehren, werden die betroffenen Abonnenten entschädigt. Weiter wird das bestehende Bonus/Malus-System auf bis zu 100 Mio. Euro pro Jahr vervierfacht. Es errechnet sich zu 25 % aus den Ergebnissen der Fahrgastbefragungen über Sauberkeit, Sicherheit und die ordnungsgemäße Funktion der Stationseinrichtungen.
Vom zukünftigen Wettbewerb erwartet IDFM im Wesentlichen eine Verbesserung der Servicequalität und betrieblichen Zuverlässigkeit, die Wiederbelebung der vernachlässigten „Transilien“-Linien sowie niedrigere Kosten, was Handlungsspielraum für Investitionen in die Entwicklung des Verkehrsangebots schaffen sollte.
Das regionale Pariser Bahnnetz – ohne die innerstädtischen U-Bahn-Linien – beinhaltet rund 1700 km Streckenlänge, über 500 Bahnhöfe, 19 Betriebswerke und befördert täglich in mehr als 6000 Zügen gegen 4 Millionen Fahrgäste.
Der Prozess bedeutet zunächst einen Übergang der Betriebsmittel, das heisst nicht nur der Fahrzeuge sondern auch der Betriebshöfe, Werkstätten und weiterer Betriebseinrichtungen von SNCF an Ile-de-France Mobilités. Anschliessend wird die Betriebsführung zusammen mit der Instandhaltung der Fahrzeuge an den jeweiligen gewählten Betreiber übertragen. Für reine Bahnbetreiber wird dies eine Bietergemeinschaft mit einer Unternehmung, die Fahrzeuge instandhält, bedeuten.
Als erstes will IDFM Mitte 2021 ein Paket ausschreiben, das die Regionalstadtbahn-Linien T4 und T11 sowie den Esbly-Crécy-Zweig der „Transilien“-Linie P umfasst. Der neue Betreiber soll Mitte 2022 bestimmt werden und im Dezember 2023 den Betrieb aufnehmen. Diese vom übrigen Netz unabhängigen Linien – die lediglich 4,2 % des Geschäfts von SNCF Transilien ausmachen – verfügen über eine gemeinsame Werkstatt und Fahrzeuge. IDFM plant dann, die im Bau befindlichen Regionalstadtbahn-Linien T12 und T13, Anfang 2022 auszuschreiben, wobei der Gewinner im Jahr 2023 ausgewählt werden soll und die Aufnahme des Betriebs im Dezember 2024 vorgesehen ist.
Es folgen die Linien J und L in die vom Bahnhof Saint-Lazare aus erschlossenen Vororte, die ab Dezember 2025 vergeben werden sollen, und schliesslich die vom Bahnhof Montparnasse ausgehenden Linien N und U ein Jahr später.
Für die Linie R vom Bahnhof Gare de Lyon aus soll die Ausschreibung im Dezember 2026 oder 2027 erfolgen. Die Linien P vom Bahnhof Gare de l’Est aus und die RER E sollten folgen, mit der Wahl des Betreibers im Dezember 2027, und die Linien H und K (Gare du Nord) ein Jahr später.
Die RER-Linien D und C sollen ab Dezember 2032 bzw. Dezember 2033 von den jeweils aus den Ausschreibungen hervorgegangenen Unternehmen betrieben werden. Die am stärksten frequentierten und wichtigsten RER-Linien A und B, die heute in Zusammenarbeit zwischen SNCF und RATP betrieben werden, sollen ab 2040 als Letzte dem Wettbewerb unterstellt werden: das Gesetz eine Entlassung aus der Hand der staatlichen Betreiber nicht vor dem 31. Dezember 2039 vor.
22.01.2021