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Vier Ebusco 2.2 für SWB Bonn

SWB 2032 im ZOB am Hauptbahnhof | © Volkhard Stern

Schon sehr früh zeigten sich Bonns „SWB Bus und Bahn“, der städtische Verkehrsbetrieb der Bundesstadt Bonn, sehr interessiert an emissionsfreiem (bzw. –armem) Stadtverkehr. Schon 1995 testete man deshalb mit den Wagen 9501 und 9502 zwei Erdgasbusse von MAN. Die taten auch was sie sollten. Sie hatten nur ein Problem: in Bonn gab es keine Erdgastankstelle, an der sie hätten tanken können. So mussten sie jeden Tag zum Tanken ins 13 Kilometer entfernte Siegburg fahren – hin und zurück 26 Leerkilometer, und das mal 2 Wagen, zusammen also 52 Leerkilometer. Das fanden die SWB auf Dauer nicht so gut.

Da traf es sich nicht schlecht, dass der Nachbarbetrieb RSVG aus Troisdorf (Rhein – Sieg Verkehrs-Gesellschaft) ein paar Erdgasbusse im Betrieb hatte, mit denen man auch durchaus zufrieden war. SWB und RSVG kamen überein, Busse zu tauschen: die RSVG bekam die beiden Bonner Erdgasbusse, die SWB bekamen zwei gleich alte Dieselbusse der RSVG (fortan SWB-Wagen 9503 und 9504), die aber eine deutlich höhere Laufleistung hatten als die eigenen Erdgasbusse. Dass die SWB sich unter solchen Umständen auf diesen Tausch eingelassen haben, zeigt, dass sie froh waren, dass ihre Erdgasbusse vom Hof „verschwanden“.

Das Interesse der SWB an Bussen mit umweltfreundlichen Antrieben war damit aber keinesfalls erloschen. Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts kamen die ersten batterie-elektrischen Busse auf die Straßen. So präsentierte zum Beispiel der chinesische Hersteller BYD (nach wie vor einer der größten Hersteller weltweit von Elektro-Fahrzeugen) seinen „eBus-12. Im Sommer 2013 testeten die SWB einen solchen BYD eBus-12. Nein, geschont wurde er nicht: er fuhr auf Linie 630, die nicht nur Bonns längste Buslinie ist, sondern auf der es am westlichen Stadtrand auch mal steil bergauf und mal steil bergab geht. Der BYD musste also zeigen, wie er mit anspruchsvoller Topographie klar kam.

Zudem absolvierte er Fahrten mit Fahrgästen auf einer Sonderlinie in Form einer Acht zwischen dem Bonner Hauptbahnhof und dem Bahnhof Bonn-Beuel über Bertha-von-Suttner-Platz und Kennedybrücke. Auch hier tat er brav, was er sollte. Er hatte nur ein Problem: damals waren die Batterien noch viel zu schwer. Der BYD brachte ein Gesamtgewicht von 23 Tonnen auf die Waage – maximal zulässig waren mal gerade 18 Tonnen. Also: Ausnahmegenehmigung wegen Übergewichts. Und trotzdem durfte der Wagen aus Gewichtsgründen nur 60 Fahrgäste mitnehmen – das ist für einen 12-Meter-Wagen vielleicht doch ein bisschen wenig. Kurz: die SWB gaben den Vorführwagen mit Dank an BYD Europe in Rotterdam zurück.

Vorführwagen BYD eBus-12 im Sommer 2013 auf dem Betriebshof Friesdorf | © Christian Marquordt
Schon im Oktober 2014 testen die SWB auf Linie 607 erstmals einen Ebusco (der Generation 1), hier auf Linie 607 am Malteser-Krankenhaus | © Christian Marquordt

Schon bald folgte erneut ein Elektro-Vorführwagen, und zwar dieses Mal schon ein Ebusco. Das niederländische Unternehmen Ebusco („Elektro-Bus-Companie“) wurde 2012 in Deurne (Region Eindhoven) gegründet. Jener erste Vorführwagen in Bonn war einer der allersten Ebusco überhaupt: sein Wagenkasten war ein chinesischer Golden Dragon, den Ebusco zum Elektrobus komplettiert hatte. Er absolvierte seine Testrunden auf Linie 607, und das durchaus mit Erfolg.

Das ermutigte die SWB, mit den Tests von Elektrobussen fortzufahren. Es kamen mehrere Vorführwagen des Herstellers Sileo aus Salzgitter, und die überzeugten so, dass die SWB Anfang 2016 gleich sechs Sileo S 12 in ihren Bestand übernahmen (Wagen 1501 bis 1506). Ihnen folgte Ostern 2018 sogar noch ein siebter Wagen dieses Typs (Wagen 1801). Der Verfasser ist oft mit diesen Wagen durch seine Stadt gefahren. Sie hatten nur ein Problem: Sileo hatte zugesagt, sie schafften 200 Kilometer, bevor sie wieder nachgeladen werden müssten – und dabei hatten die Busse wohl nicht so richtig zugehört. Es kam vor, dass sie schon früher neuen Strom wollten. Deshalb gaben die SWB sie an ihren Hersteller zurück.

Sileo S 12 Wagen 1506 bei der Präsentation der Elektrobusse von Sileo im April 2016 auf dem Betriebshof Friesdorf | © Christian Marquordt

Und damit kehrte erst einmal Ruhe ein auf dem Gebiet der Elektrobusse in Bonn. Man hatte nicht den Glauben an diese neue Technik verloren, aber sie durfte sich ruhig noch etwas weiterentwickeln, bevor man hier wieder einstieg.

Anfang 2020 fanden die SWB, der batterie-elektrische Bus habe hinreichend Fortschritte gemacht. So entschloss man sich, erneut Elektrobusse zu beschaffen. Bei Solaris, einem der Pioniere des Elektrobusses und Europas größtem Hersteller solcher Wagen, wurden drei Elektro-Gelenkbusse vom Typ „Solaris Urbino 18 electric“ bestellt – die seit Ende März 2021 hier in Bonn im Einsatz sind. Und Ebusco bekam den Auftrag, vier 12 Meter lange Solowagen seines „Ebusco 2.2“ zu liefern. Sie drehen ihre Runden seit dem 26. April 2021 auf allen möglichen Bonner Linien.

Präsentation auf dem Friedensplatz, Wagen 2030 mit SWB-Chefin Anja Wenmakers, Fahrer Hans-Josef Kleinmeyer und Bonns Oberbürgermeisterin Katja Dörner | © SWB / Benjamin Westhoff

Die Wagen sind so genannte „Depot-Lader“. Sie werden nicht unterwegs auf der Linie nachgeladen, sondern nur während der nächtlichen Betriebspause über Kabel und Combo-Stecker auf dem Betriebshof. Die SWB haben sich für dieses System der Nachladung entschieden, damit jeder Wagen völlig freizügig auf jeder Linie laufen kann, ohne dass auf jeder Linie teure Ladestationen aufgebaut werden müssten.

Die Reichweite geben die SWB betont vorsichtig mit 200 Kilometern an. Die schaffen die Ebusco in jedem Fall, auch wenn es sehr kalt ist und die Busse deshalb mehr Strom verbrauchen, auch wenn Heizung oder Klimaanlage mit voller Leistung laufen. Ebusco dagegen nennt eine Reichweite der Wagen unter günstigen Bedingungen von 350 Kilometern. Damit könnten sie schon fast jeden Kurs im Bonner Busnetz fahren: von der Ausfahrt vom Betriebshof am frühen Morgen gegen 3.30 Uhr bis zur Rückkehr in der tiefen Nacht gegen 2.30 Uhr. Aber noch sind die SWB vorsichtig.

Dass der Ebusco keine Schwierigkeiten mit einer Entfernung von rund 250 Kilometern hat, haben vier Wagen dieses Typs vor kurzem gezeigt. Sie wurden auf eigener Achse über rund 800 Kilometer über die Autobahn vom Werk in Deurne an ihren Einsatzort in Bad Tölz gebracht. Natürlich mussten sie unterwegs nachladen, und so war die Strecke in vier Etappen unterteilt: von einer Nachlade-Möglichkeit unterwegs zur nächsten. Die längste dieser vier Etappen führte über rund 250 Kilometer von Nürnberg nach Bad Tölz.

Aber auch wenn man die Wagen vorsichtshalber noch so einsetzt, dass sie nur eine tägliche Laufleistung von 200 Kilometern erreichen, können sie problemlos auf allen Kursen eingesetzt werden, die am Morgen vom Betriebshof ausfahren und gegen 19 oder 20 Uhr zurückkehren. Und solche Kurse hat jeder Verkehrsbetrieb in großer Zahl in seinem Netz.

Eins zeigt die Reichweite moderner Batteriebusse sehr deutlich: die Batterietechnik hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Nicht nur, was die Reichweite anbetrifft, sondern auch unter dem Gesichtspunkt des Gewichts. Ein moderner Elektrobus hat keine schweren Bleibatterien, wie wir sie aus unseren Pkw kennen, sondern speichert seinen Fahrstrom aufgrund chemischer Prozesse. Dabei spielt zurzeit Lithium eine herausragende Rolle. Aber die Entwicklung bleibt nicht stehen: inzwischen fahren erste Elektrobusse mit ganz neuen, so genannten „Feststoff-Batterien“.

Zudem ist es längst nicht mehr unüblich, den Fahrstrom nicht in wenigen Großbatterien (auf dem Dach oder im Heck da, wo der Dieselbus seinen Motor hätte) zu speichern, sondern in einer Vielzahl von Batteriezellen, die sich bei nur sehr geringem Platzbedarf auf dem Dach oder auch an anderer Stelle im Bus unterbringen lassen – zum Beispiel bei ganz neuen Entwicklungen auch unter dem Fußboden, ohne dass deshalb der Bus kein Niederflurbus mehr wäre.

Die technische Weiterentwicklung der Batterien ist also in vollem Gange, ein Ende ist nicht absehbar. Wer da meint, die Entwicklung der Batterien habe langsam das Ende ihrer Möglichkeiten erreicht, der zeigt, dass er nicht wirklich weiß, was sich technisch tut und was möglich ist. Erste Hersteller sprechen davon, dass eine Reichweite der Batteriebusse von 1000 (tausend) Kilometern in absehbarer Zeit nicht mehr unrealistisch ist.

Kehren wir zu den neuen Ebusco in Bonn zurück: Ebusco sagt, dass ihre Batterien in nur vier Stunden komplett aufgeladen werden können. – Und die Wagen können 90 Fahrgäste mitnehmen und damit genau so viele wie ein herkömmlicher Dieselbus.

Ebusco 2.2 auf Linie 605 am Bahnhof Duisdorf | © Christian Marquordt
SWB 2029 – Ebusco 2.2 auf Linie 605 am Bahnhof Duisdorf | © Christian Marquordt
Ebusco 2.2 | © Christian Marquordt

Und noch ein kurzer Ausblick in die Zukunft

Schon im Oktober 2019 präsentierte Ebusco in seinem Werk in Deurne den Prototypen seines „Ebusco 3.0“. Anders als beim aktuellen Modell 2.2 besteht der Wagenkasten des 3.0 nicht mehr aus Stahl und Aluminium, sondern aus dem Kunststoff „Composite“. Das macht den Wagen im Vergleich zum 2.2 um 33 % leichter, und das senkt den Stromverbrauch. So kündigt Ebusco für den 3.0 denn auch schon eine Reichweite von 500 (!) Kilometern an. Und die Batteriezellen haben im 3.0 einen bislang ungewöhnlichen Platz gefunden, nämlich unter dem Niederflur(!)-Fußboden.  

Der erste Serienwagen des Typs 3.0 wird im Oktober an Münchens MVG geliefert werden, mit der Ebusco seit 2017 in einer Entwicklungspartnerschaft verbunden ist.      

Technische Daten: Ebusco 2.2 für SWB Bonn

Länge:  12.000 mm

Breite:  2.550 mm

Höhe:   3.350 mm

Innen-(Steh-)Höhe:       2.400 mm

Radstand:                    5.850 mm

Fahrgastkapazität:        90 Fahrgäste, davon: 41 Sitzplätze, 49 Stehplätze

Elektroantrieb:              Wechselstrom, 400 Volt

Asynchron-Zentralmotor, 270 kW

maximales Antriebsdrehmoment:          18.000 Nm

Batterien:                     LFP = Lithium-Eisen-Phosphat (Lithium-Ferrum-Phosphat)

Kapazität:                     105 Ah

Nennspannung:            576 Volt

Kapazität:                     363 bzw. 423 kWh

Leergewicht:                12.850 kg

zul. Gesamtgewicht:     19.000 kg

Zulieferer:

Bus-Design:     Kessels-Granger

Vorderachse:    ZF

Hinterachse:     ZF

Reifen:             Continental oder Michelin

Fahrersitz:        ISRI

Armaturenbrett:            Continental

Kamerasystem statt Rückspiegel: Stoneridge-Orlaco

sonstige Spiegel: Mekra

Türen:  Ventura

Druckluftsystem: Wabco

Fahrgastsitze:  Kiel oder Ster

Beleuchtung:    Hella

Heizung:          Valeo

Klimaanlage:    Heavac

Fußboden:        Gerflor

Bremsanlage:   Knorr Bremse

Alufelgen:         Alcoa

Telematik:        ViriCity

Wagen 2032 in Bad Godesberg, Heinemannstr. am 27.04.21 | © Volkhard Stern
07.05.2021