
86 Jahre gibt es ihn schon – den Trolleybusbetrieb in Italiens beliebter Ferienregion zwischen Rimini und Riccione an der Adriaküste. Doch die wohl größte Änderung in seiner Geschichte liegt gerade einmal 3 ½ Jahre zurück: Seit Oktober 2021 bedienen Batterie-Trolleybusse im „BRT-Design“ eine ganz neue Strecke, die ebenfalls die beiden Badeorte verbindet, aber auf separater, vom Indivualverkehr getrennter Trasse in einiger Entfernung von der traditionellen Route. Diese führt zwar durch noch dichter besiedeltes Gebiet entlang der Küste, der Busse „schwimmen“ aber im allgemeinen Verkehr mit. Und der ist gerade im Sommerhalbjahr häufig so stark, dass sich die Fahrzeit nicht nur durch die mit 11,5 km längere Strecke, sondern vor allem durch die häufigen Staus deutlich verlängert. Die neue Route verläuft unmittelbar neben der bestehenden Haupteisenbahnstrecke Rimini-Ancona und erzielt dank ihrer praktisch vollständigen Abgrenzung vom Individualverkehr eine Reisegeschwindigkeit von 26 km/h auf der 9,8 km langen, neuen Linie, die als „Metromare“ vermarktet wird.



Echter BRT Standard
Langer Vorarbeit hatte es bedurft, bevor der elektrische Fahrbetrieb auf der neuen Trasse endlich aufgenommen werden konnte – allein der Zulassungsprozess der neuen Wagen zog sich über mehr als ein Jahr hin. 9 Van Hool „ExquiCity“ Batterie-Trolleybusse stehen für den Betrieb auf der durchgehend elektrifizierten Strecke zur Verfügung, deren elektrische Ausrüstung stammt von Kiepe Electric. Sie haben 49 kWh Lithium-Titan Traktionsbatterien für Fahrten abseits der Oberleitung. Wir berichteten HIER über die Ablieferung des ersten Wagens in 2020.
4 Wagen sind beim 15-Minuten-Takt Einsatz, 6 Wagen sind es beim 10-Minuten-Takt.
Die Trassierung entspricht sehr weitgehend dem Bus Rapid Transit (BRT) Standard: kreuzungsfrei auf Eigentrasse, mit Haltestellen im modernen, einheitlichen Design. Zufahrtsmöglichkeiten zur Trasse gibt es nur an zwei Stellen, darunter an der Endstelle am Bahnhof Riccione, wo die ExquiCity in einem Kreisverkehr wenden und dabei den allgemeinen Straßenraum benutzen – die einzige Stelle im ganzen Verlauf. Kurios mutet auf den ersten Blick an, dass etwa 2/3 der Strecke nur einspurig sind. Das liegt zumeist an dem sehr engen Raum zwischen der Eisenbahnstrecke und der angrenzenden Bebauung, der an diversen Stellen schlicht keine zwei Fahrspuren erlaubt. Die Oberleitung ist dagegen durchgehend zweispurig verlegt. In der Praxis stellt die streckenweise einspurige Führung – anders als man vielleicht erwarten würde – kaum ein Problem dar, fast alle Haltestellen bieten Ausweichmöglichkeit oder liegen ohnehin an zweispurigen Abschnitten, die Trolleybusse müssen nur selten länger auf entgegenkommende Kurse warten.





Die bestehende Trolleybuslinie
Ins „Hintertreffen“ geraten ist bei all diesen Bemühungen die schon erwähnte, wesentlich ältere Obuslinie, die seit 1.7.1939 im wesentlichen über die Uferstraße entlang der Strände verläuft und damit das Gebiet der meisten Restaurants, Hotels und sonstigen Touristenattraktionen direkt bedient. Bis zur nächsten Haltestelle der neuen METROMARE sind es jeweils zwischen 300 und bis zu 900 Meter zu Fuß. Hatte man wohl ursprünglich gedacht, dass die neue BRT-Linie den Trolleybusbetrieb auf der zumindest in der Hauptsaison stark verstopften Uferstraße vollständig ersetzen könnte, so stellte sich das schon bald als unrealistisch heraus. Der naheliegende Gedanke, dass die beiden Linien ja durchaus komplementär sind, denn sie nehmen unterschiedliche Erschließungsfunktionen wahr, findet in der Praxis allerdings nur wenig Widerhall. Der Takt auf der Linie 11 wurde stark gedehnt, im Sommer auf eine 17-18 Minuten-Frequenz, die meiste Zeit des Jahres aber sogar nur auf einen unattraktiven 35-40 Minuten-Takt. Zugleich gibt es an allen Haltestellen der Linie 11 Wegweiser und Hinweise auf die METROMARE. Die Fahrleitung ist seit rund einem Jahr an drei Stellen unterbrochen, aufgrund von Bauarbeiten, und auf dem Stück von der Endstelle in der Altstadt von Rimini bis kurz hinter dem Bahnhof wurden Oberleitung und alle Masten gleich ganz entfernt.




Die sechs vorhandenen, 2009-11 beschafften Van Hool/Kiepe Electric Gelenk-Trolleybusse vom Typ AG 300 T stehen seither im Depot abgestellt, überwiegend betriebsbereit unter dem dort installierten Fahrleitungsabschnitt. Dank ihrer Traktionsbatterien könnten sie, wie auch die ExquiCity der METROMARE, fehlende Oberleitungsabschnitte problemlos überbrücken. In der Praxis geschieht dies aber nicht, auch sind die für einen zügigen Betriebsablauf nötigen Eindrahttrichter an den passenden Stellen nicht vorhanden. Das weitere Schicksal der Linie 11 ist aktuell unklar, die wenigen Kurse werden seit Mai 2024 mit Dieselbussen befahren, darunter gebrauchte Neoplan-Gelenkwagen aus Lausanne.


Ausbauten
Ausbaupläne bestehen dagegen für die METROMARE, ist doch die Akzeptanz der neuen Linie gut – die ungestörte, zügige und dank des elektrischen Antriebs geräuscharme Fahrt macht das System attraktiv für die Fahrgäste. Noch in diesem Jahr sollen die Bauarbeiten für eine rund 4,2 km lange, westliche Verlängerung vom Bahnhof in Rimini bis zum Ausstellungs- und Messeglände Fiera di Rimini beginnen. Hierfür sind 49 Mio. EUR veranschlagt, nachdem die aktuell befahrene Strecke 78 Mio. EUR gekostet hatte.
Auch von Riccione aus soll die Strecke künftig verlängert werden, nach Misano und weiter bis nach Cattolica. Ungeklärt ist die Frage des künftigen Fahrzeugeinsatzes: Die ExquiCity können aufgrund der Insolvenz des Herstellers Van Hool nicht nachbeschafft werden, es wird also im Rahmen einer Ausschreibung zur Beschaffung eines neuen Modells kommen.
