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Wuppertal: Mit Wasserstoff vom Tal auf die Höhen

Wagen 2480, einer der Solaris Urbino 18 hydrogen | © Christian Marquordt

Ein kurzer Blick zurück

Wuppertal, die „Hauptstadt“ des Bergischen Lands und auch dessen größte Kommune, ist noch vergleichsweise jung. Die Stadt entstand erst zum 01. August 1929 durch den Zusammenschluss der Städte und Gemeinden Elberfeld, Barmen, Beyenburg, Cronenberg, Ronsdorf und Vohwinkel zur neuen Stadt Elberfeld – Barmen.  Wobei die Bürger der Stadt diesen Namen unattraktiv und zu kompliziert fanden, weshalb sie 1930 den neuen Namen Wuppertal erhielt.

Die Stadt erstreckt sich von Ost nach West im schmalen Tal der Wupper, oft nur wenige hundert Meter breit.

Gleich daneben geht es rechts und links, gerne auch steil, die Höhen hinauf. Mit der Folge, dass Wuppertal die ungewöhnlichste „U-Bahn“ der ganzen Welt hat: die fährt nicht in der „minus-1“, sondern in der „Plus-1-Ebene“. Also nicht unterirdisch. Vielmehr hat man (nach Planungen des Kölner Ingenieurs Eugen Langen) eine Hochbahn gebaut. An einem 13,5 Kilometer langen Stahlgerüst fährt – meistens über der Wupper, in Vohwinkel aber auch über der Straße – die „Schwebebahn“, eine Einschienen-Bahn, an der die Fahrzeuge – in Maßen pendelnd – aufgehängt sind. Die Schwebebahn ist ebenso legendär wie im Grunde auch vollkommen unfallfrei. Spektakulär war der Sprung des Elefanten „Tuffi“, der für das Gastspiel eines Circus in der Stadt werben sollte, aus der Schwebebahn – so was war der nicht gewöhnt, da bekam er Panik. Und etwa um die Jahrtausendwende stürzte Triebwagen 4 am Robert-Daum-Platz vom Gerüst in die Wupper – bei Bauarbeiten war eine Krampe in der Fahrschiene vergessen worden.

Bedingt durch die Geschichte der Stadt hatte Wuppertal zwei inkompatibele Straßenbahn-Netze: die meterspurige ehemalige Barmer Straßenbahn und ihre regelspurige Schwester aus Elberfeld. Und wie das so geht: zwei Spurweiten in einer Stadt, das hält sich auf die Dauer nicht. So wurde zunächst das schmalspuríge Barmer Netz auf Bus umgestellt, und bald folgte auch das regelspurige Elberfelder Netz.

Ein kurzes Zwischenspiel gab von 1949 bis 1972 auch der Trolleybus in der Stadt. Unter den 25 Wagen dieses Betriebszweigs gab es auch so bemerkenswerte Fahrzeuge wie Obus-Anderthalbdecker. Wuppertal war sogar die erste Stadt, die derartige Trolleybusse einsetzte.

Längst sind die Wuppertaler Stadtwerke (WSW) – abgesehen von der Schwebebahn mit ihren 31 Gelenk-Triebwagen – ein reiner Busbetrieb. Die Flotte umfasst gut 280 Wagen, die auf den Betriebshöfen Nächstebreck (auf den Höhen im Nordosten der Stadt) und Varresbeck (ziemlich zentral in Elberfeld) stationiert sind.

Nach der Einstellung des Trolleybusbetriebs fuhren Wuppertals Busse lange Zeit ausschließlich mit Diesel. Das änderte sich 2020, als die WSW in einer Gemeinschaftsbestellung mit der Köln/Bonner RVK beim belgischen Busbauer Van Hool zehn Wasserstoffbusse des Typs New A 330 FC orderten. Und weil man mit deren Fahrleistungen und Ergebnissen zufrieden war, kamen im Jahr 2022 weitere zehn Wasserstoffbusse dazu, wiederum in einer Gemeinschaftsbestellung mit der RVK: dieses Mal war Lieferant für beide Betriebe der polnisch/spanische Busbauer Solaris.

Solowagen 2435, einer der Solaris Urbino 12 hydrogen, von vorne links | © Christian Marquordt
Dr. Katrin Linthorst (Geschäftsbereich Klima- und Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Grünflächen und Recht der Stadt Wuppertal), Heiner Fragemann (Bürgermeister Wuppertal), Sabine Schnake (Geschäftsführerin der WSW mobil GmbH), Lars Jakobsen (Geschäftsführer Everfuel), Markus Hilkenbach (WSW-Vorstandsvorsitzender), Dietmar Bell (WSW-Aufsichtsratsvorsitzender) und Christian Goll (Geschäftsführer Solaris) (v. l.) | © Christian Marquordt

Februar 2025: 32 neue Wasserstoffbusse

Und jetzt geben die WSW richtig „Gas“ in Sachen Wasserstoffbusse. Am 25. Februar präsentierte man auf dem Betrieshof Nächstebreck gleich 32 neue Hydrogenbusse. 19 von ihnen sind 12 Meter lange Solowagen des Typs „Solaris Urbino 12 hydrogen“, die 13 anderen Gelenkbusse des Typs „Solaris Urbino 18 hydrogen“.

Stolz ist man in Wuppertal darauf, eine der größten Flotten von Wasserstoffbussen in Deutschland zu betreiben. Andere Betriebe, die bereits eine große Zahl dieser Wagen im Einsatz haben, sind zum Beispiel die Köln/Bonner RVK mit schon heute mehr als 100 Wagen der Hersteller Van Hool, Solaris und Wrightbus, und die “rebus“ des Landkreises Rostock, die vor kurzem gleich 52 Solaris Urbino 12 hydrogen in Dienst gestellt hat, siehe: https://www.urban-transport-magazine.com/landkreis-rostock-52-wasserstoffbusse-von-solaris-fuer-rebus/.

Solaris Urbino 18 hydrogen von rechts, Wagen 2484 | © Christian Marquordt
Innenraum eines der Gelenkwagen | © Christian Marquordt

Sehen wir uns die Wuppertaler Wagen etwas genauer an. Sie zeigen sich im bekannten Look der WSW in einem kräftigen Mittelblau. Die Solowagen können 88 Fahrgäste befördern, von denen 32 einen Sitzplatz vorfinden, die Gelenkwagen nehmen 119 Fahrgäste mit und bieten 49 Sitzplätze. Die Fahrer werden von  mehreren Assistenzsystemen unterstützt, den Fahrgästen bieten die Wagen Annehmlichkeiten wie WLAN und Klimaanlagen. Die Solowagen haben ein Leergewicht von 12.800 kg, die Gelenkwagen bringen es hier auf 19.200 kg.

Die elektrischen Zentralmotoren verleihen den Solowagen eine Antriebsleistung von 160 kW (entspricht 218 PS). Das ist bemerkenswert, denn gerade in einer Stadt mit der anspruchsvollen Topographie Wuppertals würde man bei Dieselbussen deutlich PS-stärkere Maschinen erwarten. Aber ein Elektromotor ist eben viel drehfreudiger als ein Dieselmotor, und deshalb sind die Wagen absolut ordentlich motorisiert. Die Gelenkwagen verfügen über eine Antriebsleistung von 208 kW (entspricht 283 PS).

Für den Vortrieb sorgen elektrische Zentralmotoren, die ihre Kraft beim Solowagen auf die zweite und beim Gelenkbus auf die dritte Achse, also die des Hinterwagens, abgeben. Der Gelenkwagen ist also ein echter Schubgelenkbus.

Der Wasserstoff reagiert in einer Brennstoffzelle des kanadischen Herstellers Ballard mit dem Sauerstoff der Luft und erzeugt so den Strom, mit dem die Busse fahren.

Der Tank der Solowagen befindet sich in Form von fünf Druckflaschen auf dem Dach des Busses. Sie können 37,5 kg Wasserstoff tanken, also 7,5 kg pro Druckflasche. Ein Verbrauch von 8,5 kg pro 100 Kilometer verschafft ihnen eine völlig unproblematische Reichweite von gut und gerne 350 bis 400 Kilometern.

Die Gelenkbusse nehmen 51,2 kg Wasserstoff an Bord, die in acht Druckflaschen auf dem Dach gespeichert werden. Damit fasst jede Druckflasche durchschnittlich 6,4 kg Wasserstoff. Bei einem Verbrauch von 11 kg auf 100 Kilometer kommen auch die Gelenkwagen poblemlos auf eine Reichweite von gut 400 Kilometern.        

Betankt werden die Busse auf dem Betriebshof Nächstebreck oder unmittelbar auf dem Nachbargrundstück auf dem Gelände der Wuppertaler Müllverbrennungsanlage. Ein Tankvorgang dauert 10 bis 12 Minuten.  WSW-Vorstandsvorsitzender Markus Hilkenbach bei der Präsentation der neuen Wasserstoffbusse: „Es war uns wichtig, Tankzeiten zu haben, die in etwa denen eines Dieselbusses entsprechen.“


Getankt wird zu etwa 20 % gleich neben dem Betriebshof Nächstebreck in der Wuppertaler Müllverbrennunganlage, wo mit der bei der Verbrennung freiwerdenden Energie auch Wasserstoff erzeugt wird. Gleichzeitig mit der Indienststellung der neuen Busse wurde jetzt auf dem Betriebshof Nächstebreck zudem eine neue Wasserstoff-Tankstelle des dänischen Herstellers „Everfuel“ eröffnet, die die restlichen 80 % des von den Buasen benötigten Wasserstoffs liefert. Sie besteht aus zwei Tanksäulen. Die Anlage speichert 180 Kilogramm Wasserstoff in einem „Zwischenspeicher“ und 900 Kilogramm auf den Tank-Sattelaufliegern, mit denen Everfuel den Wasserstoff anliefert. Täglich können 60 Brennstoffzellen-Busse betankt werden – so viele hat Wuppertal einstweilen noch gar nicht. Zudem kann die Tankanlage erweitert werden. Sabine Schnake, die Geschäftsführerin der WSW mobil GmbH: „Durch dieTankstelle auf unserem eigenen Gelände kostet es weniger Zeit, einen Bus zu betanken. Und wir können das Tanken besser planen. Was dazu führt, dass wir den Einsatz unserer Busse besser planen können.“

Solange der Wasserstoff unter hohem Druck steht, strömt er von selber von der Tankanlage in den Bus. Erst wenn der Druck durch Abgabe des Wasserstoffs an die Busse nachlässt, muss ein Kompressor zugeschaltet werden. Und dafür gibt es auch eine Kompressor-Anlage zwischen den Tanktrailern und den Tanksäulen. Wasserstoff wird fast täglich per Tank-Sattelauflieger angeliefert. Und Everfuel sagt: „Wir bauen nicht nur die Tankstelle, wir können auch die Belieferung der Tankstelle mit Wasserstoff übernehmen.“ Getankt wird übrigens „grüner“ Wasserstoff. Und pro Woche werden etwa 3.600 Kilogramm Wasserstoff verbraucht.

Die Tankstelle wurde in acht Monaten gebaut, insgesamt hat des Projekt „Wasserstofftankstelle Nächstebreck“ von den ersten Planungen bis zur Übergabe an die WSW zwei Jahre gedauert. WSW-Vorstandsvorsitzender Hilkenbach: „Die Investition in die Wasserstoff-Infrastruktur auf unserem Betriebshof ist eine Investition in eine emissionsfreie Zukunft. Damit treiben wir den Übergang zu einer umweltfreundlichen und zukunftssicheren Gestaltung des öffentlichen Nahverkehrs voran.“

Warum Wasserstoffbusse?

Um den Schadstoffausstoß durch den Betrieb von Bussen zunächst zu reduzieren und schließlich überhaupt keine Schadstoffe mehr in die Umwelt freizusetzen, will auch Wuppertal in Zukunft mit seinen Bussen elektrisch fahren. Wobei derzeit sehr viele Verkehrsbetriebe auf den Batteriebus setzen. Nicht so Wuppertal, hier setzt man auf den Bus mit Brennstoffzelle. Für die Umwelt ist das gleichgültig, Batterie- wie auch Wasserstoffbus fahren elektrisch und setzen keinerlei Schadstoffe frei. Warum also hat Wuppertal sich für den Wasserstoffbus entschieden? WSW-Vorstandsvorsitzender Markus Hilkenbach: „Für eine Stadt mit der Topographie Wuppertals ist der Bus mit Brennstoffzelle wesentlich geeigneter. Das liegt einfach daran, dass er besser als ein Batteriebus Strom rekuperieren kann. Und da wir sehr viele (auch starke) Gefälle in der Stadt haben, wollen wir die Möglichkeiten, zu rekuperieren, auch so gut wie möglich ausnutzen.“

Zudem sei ergänzt, dass der Wasserstoffbus zurzeit gerade bei vielen Verkehrsbetrieben sein Debüt feiert, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Genannt seien Bielefeld (mit Bussen mit Brennstoffzelle von Mercedes – UTM berichtete) sowie Duisburg, Essen (aus beiden Städten wird UTM in Kürze berichten) und Krefeld, wo überall Wagen von Solaris in den Einsatz kommen. In der chemischen Industrie des Ruhrgebiets fällt Wasserstoff gewissermaßen als Nebenprodukt an …, und in den Bussen des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs lässt er sich prächtig nutzen.

Die Demonstrationsfahrt

Zum Abschluss der Vorstellung der neuen Brennstoffzellen-Busse boten die WSW eine Vorführfahrt mit einem der neuen Solaris Urbino 18 hydrogen-Gelenkwagen. Es ging vom Betriebshof Nächstebreck zunächst den Berg hinauf in Richtung der Nachbarstadt Sprockhövel, von dort in moderatem Gefälle Richtung Richtung Gevelsberg, von dort nach Wuppertal-Langerfeld und dann wieder den Berg hinauf zurück zum Betriebshof Nächstebreck. Bergauf, bergab: der Wagen zeigte, was in ihm steckt. Bergauf ging es zügig, keine Spur davon, dass der Gelenkbus sich hätte anstrengen müssen. Bergab: die Pufferbatterien  wurden mit rückgewonnenem Strom gefüllt. Und der Verfasser, der einen Platz vorne beim Fahrer bezogen hatte, um die Anzeigen auf der Armaturentafel während der Fahrt beobachten zu können, hörte vom Antrieb des Busses (Elektromotor, Antriebsachse) rein gar nichts. Und das ist ja auch nicht schlecht, wenn der Straßenverkehr leiser wird.

Solowagen 2423 von vorne rechts | © Christian Marquordt
Wagen 2480 von vorne rechts | © Christian Marquordt
05.03.2025