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1955 – 2021: Der Schnellbus in Hamburg

Schnellbus im modernen Outfit: Mercedes-Benz Wagen 6022 der HHA vor dem S-Bahnhof in Blankenese | © Christian Marquordt

Am 30. Oktober 1955 betrat ein neues Ensemble-Mitglied die Bühne des Hamburger Nahverkehrs: der Schnellbus. Eröffnet wurde das neue System mit der Linie 36 vom S-Bahnhof Blankenese über Teufelsbrück sowie Altona und Sankt Pauli zum Zentralen Omnibus-Bahnhof am Hauptbahnhof. Ziel des neuen Angebots war es, zusätzliche bequeme, komfortable und attraktive Verbindungen in der Stadt zu schaffen. Die Busse waren besser ausgestattet – zum Beispiel mit Sitzen, die mit Veloursplüsch statt mit Kunstleder bezogen waren und die zudem mit größerem Abstand von Sitzreihe zu Sitzreihe eingebaut waren, so dass der Fahrgast bequemer saß. Zumindest in den Schnellbussen des Typs Mercedes-Benz O 305 gab es zum Beispiel auch keine Rückwärtssitze. Den höheren Komfort und die höhere Reisegeschwindigkeit der Schnellbusse liess man sich durchaus bezahlen: für die Fahrt mit dem Schnellbus musste man einen Zuschlag lösen, der zumindest zeitweise dem für die Fahrt mit der S-Bahn in der ersten Klasse entsprach. 

„Schweinchenrosa“: Am 17. Juni 1979 (damals ein Feiertag) posiert der HHA-Schnellbus 5702, ein „großer“ Magirus-Deutz Saturn II, auf fremdem Terrain, nämlich auf dem Betriebshof der VHH in Hamburg-Bergedorf | © Christian Marquordt

Das Schnellbusnetz wuchs schnell (wie auch nicht angesichts des Namens?). Schon am 22. Dezember 1956 kam Linie 32 dazu: Burgwedel – Niendorf – Lokstedt – Hoheluft – Rathausmarkt – Hauptbahnhof/ZOB – Hamm – Wandsbek – Tonndorf – Rahlstedt.

Die Schnellbusse sollten eine attraktive Alternative bieten zur Straßenbahn -die es damals in Hamburg noch gab. Deshalb gab es durchaus Parallelverkehre zur Straßenbahn. Und der Schnellbus hatte den Vorzug, dass er an weniger Haltestellen hielt.

Das Schnellbussystem blieb übrigens nicht auf die Stadt Hamburg beschränkt. Auch die Nachbarbetriebe „Verkehrsbetriebe Hamburg – Holstein (VHH)“ und „Pinneberger Verkehrs Gesellschaft (PVG)“ hatten Schnellbuslinien. Für die spätere Linie 31 vom Rödingsmarkt in Hamburg nach Geesthacht hatte die VHH sogar einen Doppeldecker von Setra.

Doppeldecker-Schnellbus: VHH-Wagen 0331, ein Tetra S 431 DT-L, steht am 17. Januar 2004 an seiner Endhaltestelle Rödingsmarkt in Hamburg | © Christian Marquordt

Wir haben es kurz schon angedeutet: für die Schnellbuslinien gab es spezielle Busse. Die nicht nur wie oben beschrieben besser ausgestattet waren, sondern die auch eine Sonderlackierung trugen. Auch trugen sie zusätzlich den Schriftzug „Schnellbus“. Zur Sonderlackierung: üblicherweise tragen Hamburgs Busse die Farben weiß (crème) und rot. Nicht so die Schnellbusse: für sie erfand man zumindest zeitweilig eine eigene „Corporate identity“, bei der das Rot durch rosa ersetzt worden war. Rosa? Rosa! Na gut, über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber die Schnellbusfarbe fing sich gar bald den Spottnamen „Schweinchenrosa“ ein… Mit den Hochbodenbussen vom Typ O 305 endete die Zeit von „schweinchenrosa“, danach kehrte man auch bei den Schnellbussen zum üblichen Hamburger rot zurück, gerne etwas anders auf dem Wagen angeordnet und gerne mit mehr oder weniger „schwungvollem“ Schnellbus-Schriftzug.

Mercedes-Benz O 305 in Schnellbuslackierung auf Linie 34 am Hauptbahnhof 1994 | © Dirk Budach

Auch das gab es: Schnellbus mit Vollwerbung – ein weiterer Mercedes-Benz O 305 am Hauptbahnhof 1994 | © Dirk Budach

Als Schnellbus-Fahrer gehörte man anfangs zu einer Gruppe von „besseren“ Busfahrern. Es soll vorgekommen sein, dass ein Fahrer aus dieser Gruppe bei seinem Eintrag im Telefonbuch nicht etwa einfach „Busfahrer“ vermerken liess. Nein, das ging schon präziser. Zum Beispiel mit dem Eintrag „Schnellbusfahrer“.

Vom Wagenpark her ging es auf den Schnellbuslinien im Laufe der Jahre recht vielfältig zu. Hier sind Busse der Marken Magirus-Deutz, Büssing und Mercedes-Benz eingesetzt worden. Gerne waren sie etwas kürzer als die Wagen auf den normalen Stadtlinien. So fuhr die HHA auf ihren normalen Stadtlinien zum Beispiel mit dem 11 Meter langen Typ Büssing Präfekt 13 Standard, während als Schnellbus der 9.570 mm lange Büssing Präfekt 11 Standard zum Einsatz kam (11 und 13 jeweils die Anzahl der Sitzreihen). Beim kleinen Büssing standen, da er einfach in der Wagenmitte um ein Fensterfeld gekürzt worden war, die Achsen eher dicht beieinander, was dem Wagen ein etwas unruhiges Fahrverhalten bescherte. Und ihm den Spitznamen „Schaukelpferdchen“ eintrug.

„Schaukelpferdchen“ von Büssing: am 1. August 1979 bedient der ehemalige Hochbahn-Wagen 6913, ein Büssing Präfekt 11 Standard, im steiermärkischen Judenburg die Stadtlinie zwischen dem Bahnhof und der Innenstadt (Firma Hirner, Judenburg) | © Christian Marquordt
„Schaukelpferdchen“ auch von Magirus: Wagen 5966 der HHA, ein kurzer Magirus Standardbus, fand seinen Weg zu Firma Beckermann in Bramsche, hier vor dem Hauptbahnhof in Osnabrück | © Christian Marquordt
Am 4. Oktober 1975 steht der ehemalige HHA-Wagen 5256, ein kurzer Magirus-Deutz Saturn II, auf dem Betriebshof von Firma Quantius in Rheinbach (bei Bonn), provisorisch ausgeschildert für die damalige Linie 25 der Bonner SWB | © Christian Marquordt
Am 28. Dezember 1976 bedient Firma Kreidel aus Salzgitter mit dem ehemaligen Hochbahn Schnellbus 6733, einem Mercedes-Benz O 302 von 1967, die Linie 2 der KVG Braunschweig. Hier vor dem Bahnhof in Goslar | © Christian Marquordt
Die Bergziegen in Blankenese

Ein besonderer Fall waren die ursprünglich zwei Linien im „Treppenviertel“ des Stadtteils Blankenese, die vom S-Bahnhof Richtung Elbufer führen. Es geht um die Linien 48 und 49, die ab 1959 als Linien „B 6“ und „B 8“ in Betrieb gingen. Wegen der steilen und vielfach engen Straßen im Stadtteil Blankenese war der Einsatz „ausgewachsener“ Busse hier platterdings unmöglich. Aus einem gescheiterten Projekt in der Innenstadt mit Linien mit Minibussen, die Parkhäuser mit zentralen Punkten in der City hatten verbinden sollen, stand eine nicht geringe Flotte (25 Wagen) von Minibussen vom Typ Mercedes-Benz O 319 zur Verfügung, die auf eine neue Aufgabe warteten. Sie waren doch nachgerade ideal für die Gässchen in Blankenese.

Am 17. Juni 1979 posiert Hochbahn-Schnellbus 6500, ein Mercedes-Benz/Ernst Anwärter O 319 von 1965, vor dem Museum des Hamburger Omnibus Vereins HOV in Henstedt-Ulzburg | © Christian Marquordt
Weit herumgekommen: am 23. August 2008 hat es den ehemaligen Hochbahn-Schnellbus 6310, einen Mercedes-Benz/Jessen O 309 von 1981 und inzwischen Wagen 249 der Pinneberger PVG, verschlagen zu einem Oldtimer-Bustreffen ins belgische Sint Truden, hier dort auf dem „Grote Markt“ | © Christian Marquordt

Am 29. November 1965 wurde der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) gegründet. Aus den Linien „B 6“ und „B 8“ wurden die Schnellbuslinien 48 und 49, die später zu einer Linie 48 vereinigt wurden. Zum Einsatz kamen Busse wie ein einzelner kurzer Magirus-Deutz, von dem jener Hersteller vermutlich nur einen einzigen Wagen je gebaut hat. Es gab zwei Generationen von Mercedes O 309 für die Linie (einer von ihnen hat bis heute als historischer Bus überlebt). Es folgte die Übernahme des Schnellbusses im Blankeneser Treppenviertel durch die Pinneberger Verkehrs-Gesellschaft, die hier auch mit Mercedes-Benz-Minibussen mit Aufbauten von Ernst Auwärter gefahren ist. Dann wurde die PVG durch die VHH übernommen … Die setzte auch Midibusse aus dem Haus MAN ein. 2014 und 2016 gab es dann revolutionäre Neuzugänge: dem Testeinsatz eines italienischen Cacciamali/EPT Elfo vom Jahrgang 2002, den der Verkehrsbetrieb der italienischen Stadt Genova (Genua) zur Verfügung gestellt hatte, folgte die Beschaffung eines nicht minder italienischen Rampini Elektro-Midibusses, dem 2016 sogar noch ein „Zwilling“ folgte. Diese beiden Wagen waren fortan als „Bergziegen“ in Blankenese unterwegs. Nach jeder Runde wurden sie am S-Bahnhof Blankenese über Steckdose und Kabel nachgeladen. – Der Verfasser wollte natürlich einen Rampini in Blankenese (im wortwörtlichen Sinne) „erfahren“: der kleine italienische Stromer machte sich prächtig.

Der kleine Rampini, VHH Wagen 1449, am 05. November 2014 als „Bergziege“ auf Schnellbuslinie 48 am S-Bahnhof Blankenese | © Christian Marquordt

Vor drei Jahren, im Dezember 2018, wurden die noch verbliebenen Blankeneser Schnellbuslinien 48 und 49 zu normalen Stadtbuslinien; die Fahrgäste mussten keinen Schnellbuszuschlag mehr zahlen. Was, diese etwas kritische Anmerkung sei erlaubt, doch eigentlich auch nur gerecht war. Wer in Blankenese wohnt(e), konnte sich doch nur mit den „Bergziegen“ per ÖPNV im Stadtteil bewegen. Andere Busse gab es nicht, sie wären auch angesichts der Straßen dort gar nicht durchgekommen. Für das einzig mögliche Busangebot im Stadtteil die Leute auch noch mit einem „Luxuspreis“ bestrafen?

Das Ende des Hamburger Schnellbus-Netzes

Schon seit Jahren kündigte sich das Ende der Schnellbusse in Hamburg so peu à peu an. Nach und nach wurden Linien eingestellt beziehungsweise in zuschlagfreie Metrobus- und Expressbuslinien umgestellt. Am 11. Dezember 2021 fuhren jetzt die letzten Schnellbusse in der Hansestadt, und zwar auf den Linien 31, 34 und 37. Die letzten noch vorhandenen Busse für diese Linien werden jetzt auf den übrigen Linien der HHA eingesetzt werden. Einen Vorteil für die Fahrgäste gibt es mit Sicherheit: es gibt keinen Schnellbus-Zuschlag mehr. Grund für die Einstellung des (noch verbliebenen) Schnellbusnetzes waren wohl in erster Linie die Finanzen: für das Geld, das für den Betrieb der Linien aufgewendet werden musste, seien oftmals zu wenig Passagiere mitgefahren. Denn nicht wenige Fahrgäste scheuten den „1. Klasse-Zuschlag“ und ließen den leeren Schnellbus fahren, um auf den folgenden zwar volleren, aber vor allem preiswerteren zuschlagfreien nächsten Bus zu warten …   

Mercedes-Benz Citaro auf einer der letzten drei Schnellbuslinien, der Linie 34, hier im Frühjahr 2019 am Hauptbahnhof | © Dirk Budach

21.01.2022
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Harald Muras
Harald Muras
7 Monate zuvor

Korrektur: Schweinchenrosa waren zuletzt die EILbusse