• de
  • en

Autonom durch Monheim

Bis 1963 fuhr in Monheim eine Straßenbahn, seit 2020 der autonome Bus I © Frits van der Gragt, Bildsammlung VDVA/ Christian Marquordt

Auf dem rechten Rheinufer liegt zwischen den Städten Köln, Leverkusen und Düsseldorf die Stadt Monheim mit rund 50.000 Einwohnern. Sie hat, dieses am Rande angemerkt, dank eines großen Chemiekonzerns, der wesentliche Einrichtungen auf Monheimer Stadtgebiet unterhält, die Freude, zu den reichsten Kommunen Nordrhein-Westfalens zu gehören. Zudem ist sie die Heimat der bekannten Schriftstellerin Ulla Hahn, in deren Büchern Monheim („umgetauft“ auf Dondorf) eine große Rolle spielt.

Zur Geschichte des ÖPNV in Monheim

Öffentlichen Personen-Nahverkehr gibt es in Monheim schon seit mehr als 100 Jahren. Denn weil Monheim nie einen eigenen Anschluss an die Staatsbahn gehabt hat, ging in den Zehner-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zwischen Monheim und dem Staatsbahnhof im benachbarten Langenfeld eine „Gleislose Bahn“ in Betrieb – ein sehr früher Trolleybusbetrieb mit gar urig aussehenden Fahrzeugen, eröfnet 1904. Es gab zwei Obusse und zwei Anhänger.

Monheims „Gleislose Bahn“ war nicht die einzige in Deutschland, aber es gab nicht viele dieser Systeme. Ein weiteres Beispiel möge die „Gleislose Bahn“ im Ahrtal sein, die die damaligen Nachbarstädte Bad Neuenahr und Ahrweiler verband (heute zusammengeschlossen zu der Stadt mit dem hübschen Bandwurm-Namen „Bad Neuenahr-Ahrweiler“).

Offensichtlich waren die „Gleislosen Bahnen“ die wahre Freude nicht. Denn sie verschwanden sehr schnell wieder – zehn Jahre Betriebsdauer hat keine von ihnen erlebt.

An Stelle des „Obusbetriebs“ zwischen Monheim und Langenfeld eröffnete der RWE-Konzern 1908 eine elektrische Kleinbahn, die von Langenfeld über Monheim in den heutigen Monheimer Stadtteil Baumberg und den heutigen Leverkusener Stadtteil Hitdorf führte. Hier fuhren nicht nur Güterzüge, die die Produktionsstätten entlang der beiden Strecken bedienten, sondern auch – mit echten Straßenbahn-Fahrzeugen – „Personenzüge“. Beide Strecken führten gemeinsam von Langenfeld nach Monheim, gabelten sich hier am „Dreieck“ und erreichten dann ihre Endpunkte in Baumberg (seit 1909) und Hitdorf (ab 1912 bis Rheindorf).

Anschlussverkehr am alten Monheimer Rathaus am 7.5.1959, links der Tourenwagen Langenfeld – Rheindorf mit einem der 1955 neu gelieferten Verbandstriebwagen von DWM und rechts der Aufbautriebwagen 5| Foto: Frits van der Gragt, Bildsammlung VDVA

Tw 2 und Bw 31 am 15.03.1961 zwischen Langenfeld und Monheim
| Foto: Frits van der Gragt, Bildsammlung VDVA

Trassiert war die Bahn im wesentlichen zwar auf eigenem Bahnkörper, aber unmittelbar in Seitenlage neben den Straßen. Besonders „nett“ sah das aus im Monheimer Zentrum auf der Baumberger Straße, wo in Fahrtrichtung Norden vor den Häusern auf der rechten Straßenseite und dem vor ihnen liegenden Bürgersteig erst einmal der Bahnkörper der Kleinbahn und erst dann die Fahrbahn kam … Da gab es im ganz normalen Straßenbild auch schon mal Güterzüge zu sehen. Die durchaus lang sein konnten, denn ein großer Kunde der Bahn war lange Zeit eine Raffinerie von Shell.

Es kam der Tag, an dem die Bahn in das Eigentum der bedienten Gemeinden überging. Fortan firmierte man als „Bahnen der Rheingemeinden“. Und als die „Rheingemeinden“ in den zentralen Ort Monheim eingemeindet wurden, wurden daraus die „Bahnen der Stadt Monheim“ (BSM).

Baumberg Endstation mit Tw 5 im März 1959 | Foto: Reinhard Todt – Sammlung Klaus Jördens

Langenfeld Bahnhof mit Tw 20 im September 1953 | Foto: Reinhard Todt – Sammlung Klaus Jördens

Lok 1 und 2 am Lokscjuppen in Langenfeld im April 1967 | Foto: Reinhard Todt – Sammlung Klaus Jördens

1963: nur noch Busse

1963 kam das Ende des Personenverkehrs auf der Schiene. Gleichzeitig gründeten die „Bahnen der Stadt Monheim“ einen Busbetrieb, der seither alleine für die Beförderung der Fahrgäste zuständig ist. 1963 begann man mit fünf Büssing Senator 13 und fünf gebaucht beschafften Bussen, heute umfasst der Wagenpark 50 Busse: 8 Gelenkwagen, 37 Zwölf-Meter-Busse – und fünf autonome Minibusse, auf die gleich einzugehen sein wird.

Im Monheimer Zentrum entstand am „Dreieck“ als zentralem Punkt im Liniennetz ein Busbahnhof.

Beim Güterverkehr auf der Schiene ist es im Grunde bis heute geblieben, bis 1979 fuhren sogar die alten Elloks auf der Strecken durch die Innenstadt, bevor wenig später zwei Umgehnungsstrecken eröffnet werden konnten. Auch wenn die „Bahnen der Stadt Monheim“ sich 2014 aus diesem Geschäft zurückgezogen haben und nur noch das Unternehmen sind, dem die Strecke gehört. Ihre beiden Diesellokomotiven „Max“ und „Moritz“ konnten die BSM verkaufen. Um die Abwicklung des Zugverkehrs kümmert sich die Firma, die als einziger Kunde der Schiene übriggeblieben ist. Und da dieses Unternehmen keine Lokomotiven hat, werden die von einer Düsseldorfer Privatfirma gestellt.

Lok 14 , die heute in Salzburg fährt, im Juli 1958 in Hitdorf beim Güterumschlag | Foto: Frits van der Gragt, Bildsammlung VDVA

Die BSM sind heute also ein reiner Busbetrieb. Beim alt-eingeführten Namen „Bahnen der Stadt Monheim“ ist es dennoch geblieben. Wobei man heute auch gerne das etwas „knackigere“ „Bahnen Monheim“ verwendet.

26. Februar 2020: Konzession für Linie „A 01“ mit autonomen Minibussen

Seit dem 26. Februar dieses Jahres gibt es jetzt in Monheim eine „Deutschland-Premiere“. Seit diesem Tag haben die BSM die Konzession für eine Minibus-Linie vom Busbahnhof zur Altstadt und wieder zurück, die ausschließlich auf öffentlichen Straßen fährt.  Geschäftsführer Hövermann präzisiert: „Das ist eine vorläufige und außerdem eingeschränkte Konzession. Mit einer Konzession erhalten Sie ja nicht nur das Beförderungsrecht, sondern zugleich auch die Beförderungspflicht. Die eingeschränkte Konzession ermöglicht es uns, auch schon mal Fahrten ohne Ankündigung ausfallen zu lassen. Schließlich ist das technische System des autonomen Busses völlig neu. Da könnte es ja mal Störungen geben.“

Am Busbahnhof | © Christian Marquordt

Linie „A 01“ beginnt am Monheimer Busbahnhof. Über die Baumberger Straße erreicht sie die Kirchstraße und fährt auf ihr bis zur Haltestelle „Evangelische Kirche“. Hier biegt sie ab in die Altstadt, passiert Monheims Wahrzeichen, den „Schelmenturm“, und erreicht schließlich in einer Schleifenfahrt die Haltestelle „Altstadt“ am Rheinufer. Von dort geht es durch die Altstadt und via Kirch- und Baumberger Straße zurück zum Busbahnhof.

Eingesetzt werden fünf autonome Minibusse vom Typ „EZ 10“ des französischen Herstellers EasyMile (BSM-Wagen 72 bis 76). „Betriebsleiter BOKraft“ Michael Hamann: „Wir können auf dieser Linie nur mit Minibussen fahren. Da gibt es Stellen auf der Strecke, wo ein ausgewachsener Bus schlicht nicht durchkäme.“ Die Wagen bieten Platz für 11 Fahrgäste. Und noch muss der Bus mit einem „Bediener“ gefahren werden, der hier zu Recht nicht „Fahrer“ heißt, denn eigentlich fährt der Bus ja ganz alleine. Der Bediener ist zum einen vorgeschrieben, und zum anderen muss er aufpassen, das alles störungsfrei abläuft. Sollte irgendwo etwas im Wege sein – zum Beispiel ein Auto wäre falsch geparkt – schaltet der Bediener den Automatikmodus aus und steuert mit Hilfe einer Console den Wagen von Hand an dem Hindernis vorbei. Auch wenn der Wagen bei dieser Betriebsform nur noch eine Höchstgeschwindigkeit von 5 km/h erreichen darf: auf einer Probefahrt erlebte der Verfasser, dass es tatsächlich einmal notwendig wurde, dass der Bediener in dieser Form eingriff, und er kann nur bestätigen: funktioniert!

EasyMile betont, dass der EZ 10 längst mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h unterwegs sein könnte. Aber noch sind die Aufsichtsbehörden vorsichtig. So haben sie den kleinen EZ 10 in Monheim bislang nur eine Höchstgeschwindigkeit von 16 km/h zugestanden. Das ist aber im Einsatz in Monheim eigentlich kein Problem. Auf der Baumberger Straße ist Tempo 20 vorgeschrieben. Das ist zwar eine Hauptstraße, aber sie ist auch eine sehr belebte Einkaufsstraße. Überall sonst auf dem Linienweg gilt Tempo 30. Hamann: „Die einzigen Verkehrsteilnehmer, die auf diesen Straßen mit korrekter Geschwindigkeit unterwegs sind, sind unsere autonomen Minibusse. Alle anderen fahren zu schnell.“

Linie „A 01“ verkehrt an sieben Tagen in der Woche im 15-Minuten-Takt. Eine Runde von Busbahnhof über Altstadt bis Busbahnhof dauert 30 Minuten, es werden also einschließlich Pausenzeit drei Wagen auf der Linie benötigt. Die beiden anderen stehen an der Haltestelle Altstadt an den Säulen zum Nachladen der Batterien.

Abstellplatz an der Haltestelle Altstadt

Die fünf EasyMile EZ 10 der BSM sind nicht auf dem normalen Betriebshof zuhause. Vielmehr haben sie ihren Abstellplatz auf einem normalen Parkplatz an der Haltestelle Altstadt. Hier stehen auch ihre Nachlade-Säulen. Geschäftsführer Hövermann: „Es ist natürlich nicht ideal, dass die Wagen da bei Wind und Wetter draußen stehen und auch jeder an sie dran kann. Wir wollen deshalb dort eine Garage für unsere fünf Minibusse bauen.“

Die neuen Wagen 75 und 76 auf dem Abstellplatz | © Christian Marquordt

Die „Probefahrt“

Natürlich wollte der Verfasser wissen, wie es sich denn so mit einem autonomen EZ 10-Minibus fährt. Also fuhr er von der Altstadt zum Busbahnhof mit, sah sich hier ein wenig den Einsatz der Minibusse an und kehrte dann zur Altstadt zurück. Das Fazit: die Wagen fahren angenehm laufruhig und leise. Zwar sollen die Fahrgäste sich wegen eventueller Notbremsungen anschnallen, aber bei der „Probefahrt“ wäre das nicht notwendig gewesen. Beide Wagen bremsten nicht stärker, als man es auch von jedem anderen Bus gewohnt ist. Und unterschieden sich damit deutlich von einem autonomen Minibus, mit dem der Verfasser im Januar 2019 im luxemburgischen Contern mitgefahren ist. Und der noch sehr schreckhaft immer gleich sehr stark „in die Eisen ging“. Die Programmierung autonomer Busse hat offensichtlich große Fortschritte gemacht …

Sonst? Es fällt auf, dass der kleine EZ 10, wenn er denn einmal angehalten hat, nicht von alleine wieder losfahren kann. Hier wird noch der „Bediener“ gebraucht: er muss sich überzeugen, dass die Strecke frei ist, und dem Bus dann über ein Display den Abfahrtsauftrag erteilen. Den der Kleine mit einem Glockenton quittiert – zugleich als Mitteilung an die Umgebung: „Ich fahre jetzt los.“

Etwas „irritiert“ zeigten zwei der EZ 10 sich, als sie sich auf der Kirchstraße begegneten. Ihre Sensoren erkannten den jeweils schräg gegenüberstehenden Artgenossen, worauf beide Wagen nicht mehr weiter wollten. Kein Problem: die Bediener können ja den Automatikmodus ausschalten und den Wagen von Hand steuern … Und so kamen die beiden Kleinen denn doch aneinander vorbei – hier könnte man die Programmierung wohl doch noch verbessern.

Fazit der Probefahrt: der kleine EasyMile EZ 10 tut tadellos, was er soll, und vermag zu gefallen. Die Entwicklung ist vielversprechend.

Und noch etwas: Geschäftsführer Hövermann berichtete, dass schon nach der kurzen Zeit seit dem 26. Februar täglich etwa 240 Fahrgäste mit Linie „A 01“ fahren. Ohne etwas dafür bezahlen zu müssen: auf Linie „A 01“ gilt der Nulltarif.

Technische Daten zum EasyMile EZ 10

Länge: 4.020 mm
Breite:  1.998 mm
Höhe:   2.871 mm

1 „Bediener“ (vorerst noch nötig)
11 Fahrgastplätze: 6 Sitzplätze (je 3 hinter der Front- und vor der Heckscheibe), 5 Stehplätze

Kapazität der Batterien: 32 kWh

Einsatzdauer (bevor wieder nachgeladen werden muss): 7 bis 9 Betriebsstunden, unter besonders günstigen Umständen – zum Beispiel weder Heizung noch Klimatisierung notwendig) bis zu 15 Stunden

Leergewicht:  2.030 kg
zul. Gesamtgewicht:  3.030 kg (also eine Tonne Zuladung)  

Literaturhinweis:
Stefan Kunig / Gunter Mackinger: Die Bahnen der Stadt Monheim, Verlag Kenning, Nordhorn 2008

Vielen Dank an Klaus Jördens und Axel Reuther für das Bereitstellen der historischen Fotos.

19.03.2020
5 1 Stimme
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments