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Das geht noch besser: Eine erste Bilanz von Madrids neuem BRT-System ‚Bus Rápido‘

von Erik Buch

Die erste Bus-Rapid-Transit (BRT)-Linie in der spanischen Hauptstadt ging am 30. Mai 2023 unter großem Medienecho in den Fahrgastbetrieb. Da nicht alle Komponenten des Systems rechtzeitig fertiggestellt werden konnten, wurde dieser Linienverkehr in den ersten Wochen als „Testbetrieb“ bezeichnet und auch so den Passagieren kommuniziert. Inzwischen hat sich der Betriebsablauf eingespielt und die Linie wurde nun Anfang November an ihrem äußeren Ende verlängert – sie bedient damit die ursprünglich bereits vor einigen Monaten angekündigte Gesamtstrecke. Wir ziehen eine erste Bilanz des neuen Angebots – ist doch BRT in Europa im Vergleich so manch anderer Region der Welt nicht sehr stark verbreitet, und vieles was unter diesem Label läuft, weist oft nur einzelne Merkmale eines vollwerten Bus Rapid Transit Systems auf.

Der Betrieb in Madrid

Die neue Linie „BR1“ der EMT Madrid beginnt am großen Krankenhauskomplex Ramón y Cajal, verläuft dann zunächst ohne Halt über mehrere Kilometer entlang verschiedener Abschnitte der Stadtautobahnen, bevor sie den Stadtteil Sanchinarro durchquert. Dort wurden jeweils Fahrspuren von bestehenden, mehrspurigen Straßen als Busspuren neu markiert und Haltestellenplattformen neu geschaffen. Bei der Fortsetzung in den Stadtteil Valdebebas verläuft die Linie auf eigenen Spuren, die auch baulich vom Individualverkehr getrennt sind. Der erste Endpunkt in Valdebebas lag abseits der größeren Bebauung, doch nun durchfährt die Linie nach Abschluss von Bauarbeiten entlang weiterer, separater Fahrspuren das ganze Stadtviertel und erschließt es damit deutlich besser.


Eingesetzt werden zehn 12-Meter-Busse im BRT-Design des Herstellers Irizar e-mobility vom Modell „ie tram 12“. Da einzelne Fahrzeuge der Serie für die Fahrerschulung gebraucht werden, setzt die EMT vereinzelt auch E-Busse des konventionellen Typs „ie bus 12“ vom gleichen Hersteller auf der Linie mit ein.

Der neue „Bus Rápido“ (Schnellbus) stellt eine interessante Alternative zu den bisherigen Angeboten dar, allerdings ist Verbesserungsbedarf unübersehbar. Dieser liegt vor allem an der gewählten Streckenführung, die das Potenzial eines solchen Systems kaum ausschöpft. Dazu trägt vor allem die gewählte, stadtnahe Endstelle am Krankenhaus Ramón y Cajal bei, die Umsteigemöglichkeit (neben einigen Buslinien) lediglich zur S-Bahn Cercanías bietet, die hier tagsüber in unregelmäßigen Abständen von 10-20 Minuten verkehrt. Anschluss und Übergangsmöglichkeit an die Metro besteht an keiner Stelle. Die Linie BR1 kreuzt allerdings die Straßenbahnlinie ML1 im Stadtteil Sanchinarro gleich zweimal und in Valdebebas noch einmal die S-Bahn. In den ausgehängten Strecken- und Haltestellenplänen sind diese Übergangsstellen allerdings gar nicht aufgeführt und werden in der Praxis auch wenig genutzt, zumal die Umsteigewege zur Straßenbahn unattraktiv lang sind – von einer echten Verknüpfung der beiden elektrischen Oberflächen-Verkehrsmittel kann man dieser Stelle also gar nicht sprechen.

Keine sinnvolle Umsteigemöglichkeit zur Straßenbahn Metro Ligero im Stadtteil Sanchinarro | © UTM/b
Keine Umsteigemöglichkeiten im Linienplan verzeichnet… (auch nicht in der neuen Version) | © UTM/b
Die verlängerte Linie BR1 – Fahrzeit planmässig 41 Minuten statt 30 Minuten wie anfangs angegeben | © Ministerio de Transportes, Movilidad y Agenda Urbana
Auf der Stadtautobahn | © Budach

Zu alledem kommt noch die Tatsache hinzu, dass die Fahrzeit der Linie mit knapp 40 Minuten durch ihre verschlungene Streckenführung gegenüber dem Individualverkehr nicht wirklich attraktiv ist. Eine Pkw-Fahrt aus dem Stadtteil Valdebebas bis zum Hospital Ramón y Rajal dauert nur die meiste Zeit des Tages über kaum mehr als 15 Minuten, und wenn die Autos in der Hauptverkehrzeit am Morgen auf der Stadtautobahn im Stau stehen, so trifft dies leider auch auf den Bus Rápido zu!

Aktuell funktioniert die Vorrangschaltung an den Lichtsignalanlagen allerdings noch nicht so, dass sie den Bussen wirklich an allen Stellen Präferenz einräumt, stattdessen stehen sie nicht selten vor einer roten Ampel. Hier ist auf jeden Fall noch nachzubessern.

Rot und Halt für den Bus Rápido – fehlende Ampelpräferenz an diversen Stellen | © UTM/b

Die Integration der neuen Linie in das umfangreiche ÖPNV-Netz von Spaniens Hauptstadt lässt sich künftig sicher noch nachbessern, um so die Akzeptanz des komfortablen, neuen „Bus Rápido“ noch deutlich zu steigern und weitere Ausbauten an anderer Stelle im Großraum Madrid zu beflügeln. Diese wurden von der Politik bereits für das Madrider Umland angekündigt, u.a. in Majadahonda-Las Rozas, Alcorcón und jüngst auch für neue Wohngebiete im Südosten der Stadt. Die Fahrgastzahlen der ersten 6 Wochen der neuen Linie BR1 lagen insgesamt bei rund 40.000 Mitfahrern, das entspricht etwa 750-900 Fahrgäste pro Tag bei einer durchschnittlichen Besetzung der von 4-5 Fahrgästen pro Linienfahrt auf der Gesamtstrecke. Inzwischen haben sie sich um einiges erhöht, sind jedoch von einer angemessenen Auslastung noch weit entfernt. Es ist gar nicht so selten, die Busse auf Teilstrecken nahezu leer fahren zu sehen.

Vielleicht denken die Verantwortlichen vor Ort ja noch einmal darüber nach, ob ein sinnvoller Umsteigepunkt zum Metronetz, etwa an der Plaza Castilla, nicht doch zu einer höheren Akzeptanz beitragen könnte. Die für das Projekt ausgegebenen Investitionsmittel von EUR 18,1 Mio. an öffentlichen Geldern und nicht zuletzt natürlich auch die laufenden Betriebskosten im Millionenbereich pro Jahr sollten dies allein sicherlich schon rechtfertigen.

Insgesamt 10 Fahrspuren für den Individualverkehr und 2 reservierte Spuren für den BRT – aber kein nennenswertes Verkehrsaufkommen auf der Avenida de las Fuerzas Armadas! | © Budach
Eigentrasse auf der Verlängerung in Valdebebas | © Budach
Nicht überall auf eigenen Fahrspuren, wie hier nahe am Hospital Ramón y Cajal | © UTM/b
Valdebebas | © Budach
05.02.2024
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