Für alle Verkehrsbetriebe ist die erstmalige Einführung von Elektrobussen eine besondere Herausforderung, gilt es doch, die Depot-, Werkstatt- und sonstige Infrastuktur anzupassen, die Mitarbeiter im Fahr- und Werkstättendienst entsprechend zu schulen, die Dienstpläne neu auszurichteen etc.
In Kassel ist es gerade soweit. Hier ein paar Einblicke von der KVG, aus einem „Werkstattgespräch“ mit Pressevertretern:
Bei der KVG hätten alle Mitarbeitenden „in bewährter Teamarbeit an einem Strang gezogen, um das herausfordernde Projekt E-Busse gemeinsam zu realisieren“, betonte KVG-Vorstand Dr. Olaf Hornfeck. „Den Erfolg sehen wir jetzt. Die Busse sind bei uns eingetroffen, und die Vorbereitungen für ihren Linienbetrieb laufen auf Hochtouren. Bis sie in den Fahrgastdienst gestellt werden können, liegt jedoch noch viel Arbeit vor uns.“
„Ein vollelektrischer Bus ist nicht mit Dieselbussen vergleichbar“, fing Karten Kamutzki den Ball auf. „E-Busse charakterisieren eine völlig andere Technikgeneration, vergleichbar mit dem Sprung vom ersten Handy zum Smartphone.“ Ein E-Busbetrieb in einer Stadt wie Kassel mit ihren starken Steigungs- und Gefällstrecken und langlaufenden Linien sei anspruchsvoll, betonte der Leiter des KVG-Bereichs Verkehr und Technik und KVG-Betriebsleiter. „Wir haben viel Glück mit dem Wetter, dem Schnee, dem klirrenden Frost“, fügte Kamutzki mit einem Augenzwinkern hinzu. „Gerade bei dieser Kälte wird den Batterien alles abverlangt. Eine bessere Zeit, die Leistungsfähigkeit der Busse auf Herz und Nieren zu testen, gibt es wohl nicht.“
Alle zwölf neuen Elektrobusse wurde schon seit November 2023 vom polnischen Hersteller Solaris Bus & Coach nach Kassel angeliefert. Es handelt sich um 8 Gelenk- und 4 Solobusse, die den Fahrgästen 37 Sitz- und 68 Stehplätze (Gelenkwagen) bzw. 25 Sitz- und 45 Stehplätze bieten.
Warum ist der Linienbetrieb mit den Bussen erst in einigen Monaten geplant?
„Mit Straßenbahnen sind wir schon länger als 100 Jahre elektrisch unterwegs. Jetzt gehen wir den ersten Schritt zu einer emissionsfreien Busflotte. Was für den Fahrgast eine klimaschonendere, moderne Form der Fortbewegung ist, bedeutet für uns bei der KVG den Start in einen Technologiewechsel mit vielen neuen Aspekten für die Infrastruktur, die Fahrzeuge und auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt KVG-Vorstand Dr. Olaf Hornfeck.
Bei Testfahrten auf unterschiedlichen Strecken wird vor allem die Reichweite der Batterien geprüft. Nach Herstellerangaben beträgt diese mindestens 220 km bei den Solo- und 170 km bei den Schubgelenkbussen. Erfahrungen werden auch gesammelt über Einflüsse wie Witterung, Verkehrslage, unterschiedliche Auslastung mit Fahrgästen (anhand von Ersatzgewichten), auch unter Einbindung der Zwischenladestation an der Wendeschleife „Holländische Straße“. Auf Grundlage dieser Ergebnisse verifiziert die KVG das geplante Einsatzkonzept der Busse im Stadtgebiet Kassel.
Im Programm stehen zudem die Schulung der rund 200 Busfahrerinnen und -fahrer der KVG, das KVG-Werkstattpersonal muss Routine beim täglichen Technik-Handling der Busse gewinnen. Auch wird die künftige Abstellfläche der Busse auf dem neuen KVG-Gelände Sandershäuser Straße 59 (ehemals Gelände der Firma Hübner) fertiggestellt. Nach der Inbetriebnahme eines Prüfstandes für das Gesamtsystem E-Bus, Pantograph und Ladevorgang wird in der KVG-Buswerkstatt noch ein neuer Dacharbeitsstand gebaut.
Warum hat sich die KVG für vollelektrische Busse entschieden?
Die zwölf Busse sind der erste Schritt der KVG für die Umstellung ihrer Dieselbusflotte (aktuell 80 Fahrzeuge) auf emissionsfreie Antriebe bis zum Jahr 2030. Anschließend kann die KVG einen emissionsfreien Verkehr auf ihren acht Straßenbahn- und 16 Buslinien anbieten. Damit leistet sie ihren Beitrag zur Verkehrswende in Kassel. Die Stadt hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden. Hinzu kommen die Vorgaben der EU-Richtlinie Clean Vehicle Directive.
Welche Prüfungen und Untersuchungen gingen der Bestellung voraus?
In einer großen Machbarkeitsstudie hatte die KVG untersucht, wie die Einführung des Elektrobussystems in der Stadt Kassel gelingen kann. Dabei hat sie u. a. ermittelt, welche Anforderungen Elektrobusse für den Einsatz in der Stadt Kassel erfüllen müssen, auf welchen Linien sie verkehren können und wie das Ladekonzept einschließlich Lademöglichkeiten und Stromversorgung aussehen muss.
Um die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie in der Praxis zu überprüfen, hatte die KVG im Jahr 2022 E-Busse verschiedener Hersteller getestet, bevor sie im Januar 2023 nach europaweiter Ausschreibung bei Solaris ihre ersten zwölf E-Busse bestellte.
Neuere Untersuchungen zeigen, dass der Wirkungsgrad und die Effizienz von E-Bussen höher ist als der von Wasserstoffbussen. Damit punkten vollelektrische Busse auch bei der Wirtschaftlichkeit.
Wie werden die Busse geladen und welche Batterien nutzen sie?
Voraussichtlich im Februar 2024 wird die stationäre Ladeinfrastruktur auf dem KVG-Gelände Sandershäuser Straße 59 in Betrieb gehen: Zwölf Ladepunkte (an sechs Doppellademasten) mit jeweils maximal 150 kW Leistung zum nächtlichen Laden sowie ein weiterer Mast mit bis zu 350 kW in der Wendeschleife Holländische Straße für einen E-Bus. Gebaut wird die gesamte Ladeinfrastruktur von dem Dinslakener Unternehmen SBRS GmbH.
Der Ladevorgang ist einfach: Der E-Bus wird unter den Mast gefahren. Per Knopfdruck aktiviert das Fahrpersonal den Stromabnehmer (Pantograph) auf dem Dach, und der Bus wird vollautomatisch geladen. Das Laden der Busse erfolgt batterieschonend, was die Lebensdauer der Batterien erhöht. Bis die stationäre Ladeinfrastruktur ihren Betrieb aufnimmt, werden die Busse durch mobile Ladegeräte mit Strom versorgt.
Die Akkus bestehen aus NMC (Nickel-Mangan-Cobalt). Bei den Solobussen befinden sich je zwei Batterien im Heck und auf dem Dach mit jeweils 88 kWh Kapazität, bei den Schubgelenkbussen sind zwei Batterien im Heck und vier auf dem Dach mit je 88 kWh. Die Bremsenergie der Busse wird genutzt, um die Batterien zu laden (Rekuperation).
Der Strom für die vollelektrischen Busse der KVG stammt zu 100 Prozent aus europäischer Wasserkraft sowie Regionalstrom vom Windpark Stiftswald.
Wie viel kosten die Busse, wie viel die Ladeinfrastruktur?
Die zwölf E-Busse kosten insgesamt etwa zehn Millionen Euro, die Ladeinfrastruktur rund 2,3 Millionen Euro. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWI) fördert 80 Prozent der Mehrkosten eines neuen Elektrobusses gegenüber einem Dieselbus und 40 Prozent der Ladeinfrastruktur.
15.01.2024