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Die END – Straßenbahn Esslingen–Nellingen–Denkendorf

„Die END – Straßenbahn Esslingen – Nellingen – Denkendorf – Bahnen und Busse in und um Esslingen“

Die drei Buchstaben END elektrisieren immer noch jeden Freund klassischer Überlandstraßenbahnen, unabhängig davon, ob sie den vor nunmehr 41 Jahren eingestellten Betrieb nun noch selbst erlebt haben oder nicht. Im Netz gibt es eine Vielzahl von Bildern und die Hype wurde im vergangenen Jahr durch den 40. Jahrestag der Einstellung noch einmal befeuert.  Zwar lebt die Erinnerung in Fotos und Filmen, so richtig nachvollziehen, was den besonderen Reiz dieser Bahn ausmachte, kann aber wohl nur jemand, der sie selbst gekannt und sie auch benutzt hat. Der Rezensent gehört dazu und hat im Verlauf der letzten Jahre der Existenz jeden Streckenmeter mehrfach unter seinen Schuhen gehabt!

Erstaunlich ist es angesichts der Bekanntheit des Betriebes, dass er all die Jahrzehnte literarisch ein Schattendasein fristete, denn neben den Kapiteln in der zunächst von Zeunert und dann vom EK-Verlag herausgegebenen Buchreihe über Straßen- und Stadtbahnen in Deutschland und im Straßenbahn-Magazin, gab es immer nur eine Veröffentlichung über die END. Diese 1976 zum 50jährigen Jubiläum vom Unternehmen herausgegebene Broschüre gilt als Musterbeispiel für eine gelungene Betriebschronik, enthält trotz ihrer recht geringen Seitenzahl aber eigentlich alles, was man bis zu diesem Zeitpunkt zur Bahn wissen musste. Entsprechend antiquarisch gesucht ist sie heute noch.

Erst 41 Jahre später ist nun auch ein „richtiges“ Buch über die END erschienen und setzt ihr ein spätes aber würdiges Denkmal. Der Untertitel „Bahnen und Busse in und um Esslingen“ weist aber schon darauf hin, dass neben der END die für eine Stadt der Größe Esslingens recht beachtliche Zahl verschiedener Verkehrsarten und Betreiber nicht unerwähnt bleiben. Die städtische Straßenbahn strich schon sehr früh die Segel und wurde durch den heute noch existierenden und erfreulicherweise auf Expansionskurs befindlichen Oberleitungsbus abgelöst. Im Busverkehr mischten auch verschiedene private Betreiber mit, auch die END besaß ein ansehnliches Busnetz hauptsächlich in ihrem Hauptbedienungsgebiet Filderhochebene. Die Filderbahn erreichte, lange Jahre nur noch im Güterverkehr, Neuhausen auf Normalspur von Stuttgart aus bis 1983 und die Stuttgarter Stadtbahn fährt seit etlichen Jahren auf gleicher Spurweite bis Nellingen, dem früheren Betriebsmittelpunkt der END mit Depot und Verzweigung der beiden Strecken.

Schon beim ersten Durchblättern fallen die großformatigen farbigen Karten im Vor- und Nachsatz und als Beilage positiv auf, erlauben sie doch auch Ortsunkundigen eine wesentlich bessere Orientierung als eine Beschreibung bestimmter Sachverhalte durch Worte. Auch innerhalb der einzelnen Kapitel gibt es immer wieder Kartenausschnitte, welche bestimmte Situationen verdeutlichen.

Das Inhaltsverzeichnis zeigt eine übersichtliche Gliederung in viele kleine Zeit- und Themenabschnitte, welche als Ganzes ein wirklich vollständiges Bild der Nahverkehrsentwicklung im Einzugsbereich der END liefern. Der Schwerpunkt liegt natürlich auf diesem Betrieb und es gibt wohl keinen Aspekt, der im Buch nicht ausführlich behandelt wird. Hier hat zwar die schon erwähnte Broschüre Maßstäbe gesetzt, in ihr fehlen aber die recht turbulent verlaufenen Jahre bis zur Einstellung. Da sie es aufgrund des verfügbaren Platzes aber nicht vermochte, Abbildungen in ausreichender Zahl und Größe zu veröffentlichen, setzt dieses Buch nun hier einen weiteren Schwerpunkt.

Zahlreichen schönen, zum Teil aber nicht unbekannten schwarz-weiß Aufnahmen folgen aus den letzten Betriebsjahren viele äußerst gelungene Farbbilder, welche in ihrer Motivgestaltung den besonderen Reiz hervorragend herüberbringen, den die END als letzte Überlandstraßenbahn in der alten Bundesrepublik ausmachte. Findet man in anderen Publikationen Winterbilder eher selten, so gibt es in diesem Werk zahlreiche Bilder „mit weiß“, was auch damit zu tun hat, dass es in den letzten Wochen der Existenz der Bahn auf den Fildern noch einmal einen richtigen Winter gab, was zahlreiche Fotografen anlockte.

Man merkt dem Autor nicht nur in den Bildern und der Auswahl der Motive, sondern auch in den Bildlegenden und den Texten seine Verbundenheit und Liebe zur END an, die der Rezensent aus eigenen Erlebnissen durchaus nachvollziehen kann. Fotografisch zeigt er hohes Können bei der Motivgestaltung, was bei der heutigen digitalen Fotografie trotz eigentlich besserer technischer Möglichkeiten leider häufig fehlt.   

Natürlich finden auch die Menschen Erwähnung, ohne die ein Bahnbetrieb nicht funktioniert. Sehr schön angelegt ist auch eine Streckenreise in Bildern auch mit Vergleichen in die Anfangsjahre und die Zeit nach der Straßenbahn. Das Kapitel über die Fahrzeuge besticht durch Detailaufnahmen, Wagenzeichnungen und übersichtlich aufbereitete Daten zur Statistik und Technik. Auch der Verbleib der END-Fahrzeuge nach der Einstellung wird in Wort und Bild dokumentiert, von denen es auch heute noch recht viele gibt. Layout, Druckqualität auf schwerem Papier und Verarbeitung verdienen es ebenfalls positiv hervorgehoben zu werden. Bei dem Buch stimmt das Preis-/Leistungsverhältnis unbedingt. Für den Rezensenten stellt die lange vermisste zeitgemäße Darstellung eines seiner Lieblingsbetriebe eine seiner Meinung nach besten Veröffentlichungen für den Bereich des Nahverkehrs der letzten Zeit dar. Absolut empfehlenswert!

Autor: Andreas Ilgen

192 Seiten im Format 21,5 x 29,0 cm, gebunden

Herausgeber: Verlagsgruppe Bahnen VGB und Klartext-Verlag, Fürstenfeldbruck und Essen 2019

Preis: 39,95 €

ISBN: 978-3837520941

22.02.2020
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AffiliateLabz
4 Jahre zuvor

Great content! Super high-quality! Keep it up! 🙂

Dirk
Dirk
4 Jahre zuvor

Wirklich ein sehr lesenswertes Buch, die Qualität der Fotos ist bestechend.