im Osten Nordrhein-Westfalens liegt Paderborn. Die Stadt hat rund 157.000 Einwohner, ist damit sehr wohl eine Großstadt – und nicht mal eine kleine – und trotzdem „kreisangehörig“. Zusammen mit dem ebenfalls nordrhein-westfälischen Neuss mit rund 161.000 Einwohnern „streitet“ man sich um den (dubiosen) Ruf, Deutschlands größte kreisangehörige Stadt zu sein.
Seit 1900 gab es in Paderborn eine Straßenbahn, zunächst gegründet und betrieben von einem Kaufmann aus Bochum. Mit dem 9. Januar 1909 wurde das Unternehmen in die PESAG (Paderborner Elektrizitätswerk- und Straßenbahn AG) umgewandelt. Die PESAG betrieb ein umfangreiches Straßenbahnnetz, das weit ins Umland und sogar ins damalige Nachbarland Lippe-Detmold hineinreichte (heute ebenfalls ein Landesteil von Nordrhein-Westfalen). Es gibt ein Foto des Paderborner Triebwagens 37 mit zwei Beiwagen zwischen den Externsteinen (bekanntes Naturdenkmal) auf der Linie Paderborn – Detmold; aus urheberrechtlichen Gründen können wir es hier leider nicht zeigen.
Am 27. September 1963 verkehrte zum letzten Mal eine Straßenbahn in Paderborn, die PESAG war seither ein reiner Busbetrieb. Zunächst fuhr man mit Solobussen, zum Teil auch mit Anhängern. Um 1980 fand man, Gelenkwagen könnten auch sinnvoll sein. Zum „Ausprobieren“ kaufte man einen gebrauchten Gelenkbus von den Stadtwerken Lübeck, einen Mercedes-Benz O 317 mit Aufbau der Berliner Karosseriefabrik Gaubschat, der die Wagennummer 81 erhielt und sich in der Domstadt bewährte. Weshalb Gelenkbusse heute in Paderborn eher die Regel denn eine Ausnahme sind.
Unterdessen wandelte sich Paderborns Verkehrsbetrieb von der privatrechtlichen Aktengesellschaft PESAG zu einem kommunalen Eigenbetrieb, der den Namen „PaderSprinter“ (just so geschrieben) trägt.
Der eCitaro-Gelenk mit Brennstoffzellen-Range-Extender
Vorbei die Zeiten, da man in Paderborn mit neuer Technik eher zurückhaltend gewesen ist (siehe der gebrauchte Gelenkbus aus Lübeck). Ganz im Gegenteil! Heute ist Paderborn bei neuer Technik ganz vorne dabei.
So fiel schon früh der Beschluss, in Zukunft mit seinen Bussen elektrisch zu fahren. Und zwar mit batterie-elektrischen Bussen. Im Januar 2022 kam ein erster Mercedes-Gelenkbus vom Typ „Mercedes eCitaro G“ (mit dem Kennzeichen „DO-OZ 3000“), der bis August 2023 und mithin 20 Monate in der Stadt mit Deutschlands kürzestem Fluss – die Pader ist nur vier Kilometer lang und mündet dann in die Lippe – im Einsatz blieb. Er bewährte sich in der Domstadt.
Und am 9. November 2023 stellte der PaderSprinter jetzt eine Weltpremiere in Dienst: der Welt ersten Mercedes-Benz eCitaro-Gelenk, der nicht nur aus seinen Batterien fahren kann, sondern auch eine Brennstoffzelle als Range-Extender hat – Typenbezeichnung: Mercedes-Benz eCitaro G REX, REX für Range EXtender. Er ist der weltweit erste Bus dieser Bauart, der in den Linienverkehr geht. Bei der Präsentation des Wagens sagte der Vertreter von Daimler Buses, dass zurzeit vier weitere Busse dieses Typs im Bau sind: je zwei für Stuttgarts SSB und für Hamburgs HHA. Aber: Paderborn ist der erste!
Der Gedanke hinter dieser technischen Lösung ist ebenso einfach wie einleuchtend. Während Mercedes die Reichweite eines eCitaro-Gelenk, der nur über Batterien verfügt, vorsichtshalber (!, besser nicht zu viel versprechen) mit gut 200 Kilometern angibt, kann der Wagen mit dem Brennstoffzellen-Range-Extender schon bis zu 400 Kilometer – und mithin das Doppelte – schaffen. Wie sagte man von Seiten des PaderSprinters bei der Präsentation? „Damit kann dieser Wagen schon fast jeden Kurs in unserem Netz fahren, ohne dass wir Sorge haben müssten, dass er plötzlich ohne Strom stehen bleibt.“
Die Batterien des Wagens arbeiten mit der Zellchemie NMC (Nickel-Mangan-Kobalt) und haben ihren Platz im Heck des Busses (da, wo der Dieselbus seinen Motorraum hat) und auf dem Dach gefunden. Sie haben eine Kapazität von 396 kWh. Die Brennstoffzelle stammt vom japanischen Hersteller Toyota, sie leistet 60 kW und hat ihren Platz auf dem Dach des Hinterwagens gefunden. Der Wasserstofftank des Busses fasst 30 Kilogramm Wasserstoff; er besteht aus sechs Druckflaschen (à 5 Kilogramm) aus dem Kunststoff Composite und findet sich auf dem Dach des Vorderwagens über der Vorderachse.
Getankt wird ausschließlich auf dem Betriebshof. Und zwar gleichzeitig. Der Bus fährt an seinen Ladeplatz und wird links an das Kabel zur elektrischen Nachladung und rechts an die Wasserstofftankstelle angeschlossen. Und weil die elektrische Nachladung doch ein bisschen Zeit braucht, muss auch der Wasserstoff nicht mit hohem Druck in den Bus „gepresst“ werden.
Übrigens muss der Wasserstoffbus sich seinen Ladeplatz auf dem Betriebshof des PaderSprinters mit einem Wasserstoff-Müllwagen der städtischen Müllabfuhr teilen, der zum Tanken auch auf den Hof des PaderSprinters kommt. Terminkonflikte? „Der Bus kommt erst dran.“
Und wie fährt der Range-Extender-Bus sich? Eine Demonstrationsrunde durch die Stadt zeigte es: Er fährt sich gut, und vor allem vorbildlich leise!
Mercedes hat sich gedacht, dass der Wagen zunächst einmal mit dem Strom aus seinen Batterien fahren soll. Erst wenn der zur Neige geht, soll die Brennstoffzelle die Versorgung mit Strom übernehmen. Aber wenn es denn gewünscht sein sollte, geht es auch anders: man könnte auch erst die Wasserstoffflaschen leer fahren und dann auf die Batterien umstellen, Und es gibt auch die dritte Möglichkeit: man fährt von Anfang an mit beiden Antriebssystemen parallel. Wichtig ist allein, dass der Bus seine 400 Kilometer schafft.
Was fehlt noch? Richtig: der Wagen kann 138 Fahrgäste befördern.
22.11.2023