Die Argumente für vergünstigte Fahrten
Im Bereich der städtischen Mobilität ist eine stille Revolution im Gange. Im Jahr 2022 ergab eine Umfrage von Expressway, dass 72 % der 19- bis 23-Jährigen in Dublin mehr öffentliche Verkehrsmittel nutzen als noch vor drei Jahren – ein deutlicher Anstieg der Zahl junger Erwachsener, die öffentliche Verkehrsmittel dem eigenen Auto vorziehen. In einer Reihe von europäischen Ländern wird derweil der kostenfreiem Nahverkehr eingeführt, was ein Bild von autofreien Stadtzentren in naher Zukunft zeichnet.
Das wirft die Frage auf: Sollte das Vereinigte Königreich nicht in diese Fußstapfen treten und die Einführung von Vergünstigungen für junge Menschen in Erwägung ziehen? Eine solche Initiative würde nicht nur einen gerechteren Zugang zu Mobilitätsdienstleistungen bieten, sondern auch als Katalysator für einen Wandel dienen, der zu einer Generation führt, für die der öffentliche Verkehr das bevorzugte Verkehrsmittel ist.
Die kostenlose Nutzung der Bahn für junge Fahrgäste unter 18 Jahren ist ein Vorschlag, der letztlich einen beträchtlichen Mehrwert für den Steuerzahler schaffen und das BIP des Vereinigten Königreichs insgesamt steigern würde, da der Zugang zu Bildung und künftiger Beschäftigung für Schulabgänger auf dem Weg ins Erwachsenenleben einfach und kostengünstig wäre.
Warum die Bahn?
Der Schienenverkehr hat die während der Pandemie verloren gegangenen Fahrgäste und Frachtkunden nach und nach wiedergewonnen, wobei es noch ein weiter Weg ist, bis das Niveau von vor der COVID-Krise wieder erreicht ist. Öffentliche Verkehrssysteme, deren Finanzierung in hohem Maße von den Fahrpreisen abhängt, wurden während der Pandemie erheblich belastet, und die weit verbreitete Einführung der Hybridarbeit hat dazu geführt, dass viele globale Netze immer noch Probleme haben.
Was das Vereinigte Königreich betrifft, gibt es jedoch genügend Anhaltspunkte dafür, dass die Bahn nach wie vor das beliebteste öffentliche Verkehrsmittel für Pendler ist. Nach den von GOV.UK veröffentlichten Verkehrsstatistiken waren mehr als die Hälfte (51 %) aller Bahnfahrten in Großbritannien im Jahr 2021 entweder für Pendler oder für geschäftliche Zwecke bestimmt. Von den 5,1 Milliarden Fahrgastfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln wurden 1,7 Milliarden Fahrten mit der Bahn unternommen.
Die Menschen kehren weiterhin auf die Schiene zurück, aber nicht in ausreichender Zahl, um ihr einen Aufschwung zu ermöglichen, und auch nicht in den Reisemustern des Fünf-Tage-Pendelns pro Woche, auf denen viele Planungen beruhten. Dies ist also nur ein Teil eines größeren Panoramas. Damit der Schienenverkehr florieren kann, müssen wir eine ganz neue Generation schaffen und fördern, für die die Bahn die erste Wahl ist – nicht nur aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen, sondern auch, weil sie schlicht lieber mit der Bahn reisen.
Die „Generation Bahn“ finden
Laut Statista sind über 15 Millionen Menschen im Vereinigten Königreich unter 18 Jahre alt (22 % der Bevölkerung). Stellen Sie sich nun eine neue Generation junger Kunden vor, für die die Bahn das Verkehrsmittel ihrer Wahl ist.
Ermäßigte Bahnfahrten für unter 18-Jährige würden den Grundstein für eine solche Zukunft legen. Da Studenten mit zunehmendem Alter immer unabhängiger werden, wird die Verfügbarkeit erschwinglicher Reisemöglichkeiten ihre Präferenzen für öffentliche Verkehrsmittel beeinflussen. Das Ergebnis? Eine junge Bevölkerung, die sich nach Mobilität sehnt und die Züge nicht nur als die zugänglichste und kostengünstigste, sondern auch als die umweltfreundlichste Transportmöglichkeit ansieht.
Da wir zunehmend zu einer umweltbewussten Gesellschaft werden, wird die Beliebtheit des Bahnfahrens noch weiter zunehmen, da ein Teil seiner Anziehungskraft in seiner Nachhaltigkeit liegt. Es lohnt sich, die Aufmerksamkeit auf diese Umweltvorteile zu lenken, insbesondere im Vergleich zum Straßenverkehr. Der Straßenverkehr ist für 15 % der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich, während der Schienenverkehr nur 1 % ausmacht. Tatsächlich stößt die Bahn 66-75 % weniger Kohlendioxid aus als andere Verkehrsmittel, was sie neben dem Radfahren und Zufußgehen zur umweltfreundlichsten Option macht.
Eine Initiative für vergünstigte Fahrten würde daher junge Menschen dazu ermutigen, einen umweltbewussten Weg einzuschlagen, und einer neuen Generation dabei helfen, einen umweltbewussten Lebensstil zu entwickeln.
Neue Wege zu Bildung und Beschäftigung eröffnen
Bei den vergünstigten Bahnfahrten geht es nicht nur darum, von A nach B zu kommen, sondern auch darum, sich damit bessere Chancen zu ermöglichen. Für Jugendliche unter 18 Jahren würde eine solche Initiative nicht nur mehr Möglichkeiten für die Ausbildung, sondern auch für die künftige Beschäftigung eröffnen.
Nehmen wir zum Beispiel einen jungen Studenten aus einem ländlichen Gebiet, für den ein Studium oder eine Arbeitsstelle in einer Stadt aus finanziellen und geografischen Gründen nicht in Frage kommt. Mit einem erschwinglichen Zugang zum Schienennetz lassen sich diese Hindernisse leichter überwinden, so dass die Studierenden eine größere Vielfalt an akademischen und beruflichen Möglichkeiten wahrnehmen können, ohne sich um exorbitante Pendlerkosten sorgen zu müssen.
Die Kluft zwischen Stadt und Land schrumpft, und eine Initiative für ermäßigte Fahrten spielt bei diesem Wandel eine entscheidende Rolle. Sie ermöglicht es den Studierenden, ihren Lebensweg selbst in die Hand zu nehmen, unabhängig davon, wo sie wohnen.
Mobilität als Dienstleistung: die Verbindung herstellen
Mobility as a Service (MaaS) wurde bereits in einigen Teilen Europas eingeführt und gewinnt als Konzept im Vereinigten Königreich zunehmend an Bedeutung, wobei eine nahtlose Integration mit dem konzessionierten Bahnverkehr möglich ist.
MaaS bietet ein integriertes, benutzerfreundliches Transport-Ökosystem, das Komfort und Zugänglichkeit in den Vordergrund stellt. Mit der richtigen MaaS-Plattform kann ein junger Mensch mit einer einzigen App nicht nur das Beste aus dem vergünstigten Bahnverkehr machen, sondern auch schnell auf andere Verkehrsmittel wie Busse und Straßenbahnen umsteigen.
MaaS hat vor allem die Fähigkeit, das Reisen zu einem attraktiven Nutzererlebnis zu machen, das mit den rationalisierten und hoch integrierten Diensten von Apple, Google, Amazon, Netflix und Spotify vergleichbar ist. Für die digital bewanderte jüngere Generation ist dies ein zu gutes Verkaufsargument, um es zu ignorieren. Durch die Bereitstellung von Echtzeit-Informationen und Reiseplanung an einem Ort wäre MaaS ein zusätzlicher, überzeugender Grund für Studenten, ihre Vergünstigungen in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen.
Die fiskalischen Auswirkungen von Vergünstigungen
Aber wie könnten wir es uns leisten, Vergünstigungen für unter 18-Jährige einzuführen? Am besten lässt sich das Konzept rechtfertigen, wenn wir den öffentlichen Verkehr auf die gleiche Weise angehen wie das Gesundheitswesen, die Bibliotheken und die Schulen – alles Dienstleistungen, für die wir zahlen.
Derzeit machen ermäßigte Bahnfahrten für alle unter 25-Jährigen im Vereinigten Königreich etwa 10 % der 8,6 Mrd. £ an Fahrgeldeinnahmen aus, die im GJ 2022/23 erzielt werden. Die überwiegende Mehrheit dieser Transaktionen findet online statt, und die Zahl der Transaktionen nimmt insgesamt jedes Jahr zu.
Ermäßigte Fahrten wären nicht nur ein Segen für Studenten, sondern kämen auch den Steuerzahlern zugute, die sie finanzieren. Indem sie jungen Menschen neue Möglichkeiten eröffnen, können vergünstigte Bahnfahrten zu einer höheren Produktivität und langfristig zu höheren Steuereinnahmen beitragen. Es wäre eine Investition in die zukünftigen Arbeitskräfte, die sich über Jahre hinweg auszahlen könnte.
Gut ausgebildete, motivierte und qualifizierte Arbeitskräfte sind die Grundlage einer starken Wirtschaft. Wenn Schüler und Studenten ohne Reisekosten Zugang zu den von ihnen benötigten Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen haben, ist es wahrscheinlicher, dass sie einen effektiven Beitrag zur Erwerbsbevölkerung leisten.
Letztendlich überwiegen die wirtschaftlichen Vorteile von Investitionen in die Bildung und die freie Mobilität junger Menschen möglicherweise die Kosten. Aus dieser Sicht wird deutlich, dass die Steuerzahler nicht nur eine Reiseerleichterung finanzieren, sondern auch in den künftigen Wohlstand des Landes investieren würden.
Nächster Halt
Es gibt genügend Anhaltspunkte dafür, dass vergünstigte Bahnfahrten für Schüler unter 18 Jahren den öffentlichen Nahverkehr im Vereinigten Königreich verändern könnten, aber es liegen noch Herausforderungen vor uns.
Die Sicherstellung der finanziellen Tragfähigkeit einer solchen Initiative, der Bedarf an höheren Kapazitäten und die Integration mit noch einzuführenden MaaS-Plattformen sind nur einige der zu überwindenden Hürden. Der Erfolg der Initiative hängt von der Zusammenarbeit zahlreicher Interessengruppen wie politischen Entscheidungsträgern, öffentlichen Verkehrsbehörden, Verkehrsbetrieben, Mobilitätsdienstleistern und Technologieinnovatoren ab, wobei auch die Akzeptanz der britischen Öffentlichkeit sichergestellt werden muss.
Ein guter Ansatzpunkt ist die Behandlung des Themas auf Parteitagen, die eine wertvolle Plattform für die Festlegung von Politiken und Tagesordnungen bieten. Je mehr die höchsten Entscheidungsgremien von den Vorteilen der Initiative überzeugt sind, desto leichter wird es sein, die verbleibenden Herausforderungen zu meistern.
Der Weg ist vorgezeichnet
Die Einführung von ermäßigten Bahnfahrkarten für Schüler unter 18 Jahren im Vereinigten Königreich hat das Potenzial, die Zukunft zu gestalten. Sie würde eine Generation umweltbewusster Bahnfans heranziehen, Schülern Zugang zu Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten verschaffen und einen greifbaren Mehrwert für den Steuerzahler schaffen. Es ist ein Weg zu einer nachhaltigeren, wohlhabenderen und integrativeren Zukunft – eine Zukunft, in der die Bahn die erste Wahl für die nächste Generation von Fachleuten und Wirtschaftsführern ist.
Die ‚Generation Rail‘ wird eine große Rolle beim Wachstum der britischen Wirtschaft spielen. Es wäre die erste Generation, die Schienenverkehrsdienste auf Abruf und die Kompatibilität multimodaler Dienste fördert, um die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel weiter zu steigern. Die Regelung zur Gewährung von Fahrvergünstigungen muss sorgfältig umgesetzt werden, um sicherzustellen, dass die Inklusivität der Bahn weder beeinträchtigt noch weiter verkompliziert wird. Es muss durch die Erhebung von Echtzeitdaten über die Fahrten junger Menschen unterstützt werden, um sicherzustellen, dass die Kapazitäten der Nachfrage entsprechen und dass das System den durch Missbrauch entstehenden Einnahmenbetrug minimiert.
Noch wichtiger ist jedoch, dass die „Generation Bahn“ der gesamten Bevölkerung einen erheblichen Nutzen für die Umwelt bringt, die durch innerstädtische Staus verursachten Belastungen verringert und dazu beiträgt, künftige Generationen von den Vorteilen des Bahnfahrens zu überzeugen. Jetzt ist es an der Zeit, dass die Branche handelt und den zusätzlichen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Druck nutzt, um künftige Regierungen davon zu überzeugen, dass der vergünstigte Bahnverkehr ganz oben auf der Tagesordnung stehen muss.
Martin Howell ist Direktor – Verkehrsmärkte für UK & Irland bei Worldline.
