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Hannover: Erste eCitaro im Linienbetrieb

Vorstellung am "Niedersachsenstadion": ÜSTRA 9504, 9505, 9503 und 9501 | © Renate Marquordt

Schon im Sommer 2019 berichtete UTM, dass Hannovers städtischer Verkehrsbetrieb ÜSTRA bis Ende 2022 die Buslinien im Bereich der Innenstadt komplett auf den Betrieb mit Elektrobussen umstellen will. Im einzelnen geht es um die Linien 100 und 200 (gegenläufige Ringlinien zwischen Innenstadt und August-Holweg-Platz), 120 von Ahlem zum Aegidientorplatz, 121 (von der Haltenhoffstraße zum Altenbekener Damm), 128 (vom Nordring zur Peiner Straße) und 134 (mit abweichendem Fahrweg ebenfalls vom Nordring zur Peiner Straße).

Im August 2019 schloss die ÜSTRA einen Vertrag mit Mercedes-Benz über die Lieferung von 48 Elektrobussen für diese sechs Linien: 30 zwölf Meter lange Wagen und 18 Gelenkbusse. (https://www.urban-transport-magazine.com/hannover-48-ecitaro-fuer-die-uestra/)

Schon im Januar lieferte Mercedes mit den Wagen 9501 bis 9504 die ersten vier eCitaro an die ÜSTRA aus. Sie wurden zunächst für Testfahrten und Schulungen eingesetzt. Und sie sollten nicht gleich erkannt werden: zur Tarnung wurden sie mit Folien so beklebt, dass sie so aussahen, als sei ein „ÜSTRA-Sonderling“ aus früheren Zeiten, der „Irvine-Citaro“, wieder auferstanden. (Der britische Designer James Irvine hatte den Citaro der ÜSTRA ein Blechkleid geschneidert, das sie durchaus ungewöhnlich aussehen ließ – und das es, abgesehen von ein paar Wagen für Hannovers Partnerstadt Leipzig, nur in Hannover gegeben hat. Der Verfasser war damals bei der Präsentation der ersten „Irvine-Citaro“ dabei, und James Irvine fragte ihn: „Do you like the bus?“ Der Verfasser sagte brav ja, wiewohl er nicht so recht den Sinn hinter dieser Sonderanfertigung zu erkennen vermochte …)

Üstra 9501 getarnt im „Irvine-Look“ | © Achim Uhlenhut

Original Irvine-Citar der ÜSTRA | © Christian Marquordt
Wagen 9501 fährt zur Präsentation am Stadion vor | © Christian Marquordt

Am 11. September wurden jetzt mit den Wagen 9501 und 9503 bis 9505 die ersten eCitaro der ÜSTRA an Hannovers Fußballstadion (das hieß mal „Niedersachsenstadion“) in ihrem endgültigen Outfit öffentlich vorgestellt. Sie zeigen sich wie heute bei der ÜSTRA üblich in grün mit silber, lediglich die orangefarbene „Fußbinde“ am unteren Karosserierand ist durch eine solche in grau ersetzt worden. Na gut, das sieht vielleicht etwas „vornehmer“ aus …

Den Abschluss der Präsentation bildete eine Vorführfahrt vom Stadion zum August-Holweg-Platz (und zurück), und am August-Holweg-Platz wurde auch nachgeladen. Der Verfasser war mit Wagen 9501 unterwegs, und der wusste durchaus zu gefallen. Er war leise und flott unterwegs.

Seit dem 14. September sind die neuen eCitaro der ÜSTRA jetzt im Linieneinsatz. Sie drehen ihre Runden auf den Linien 100 und 200. Dabei werden sie jeweils am August-Holweg-Platz über einen Pantographen, der auf dem Dach des Busses montiert ist und zur Ladestation aufsteigt, nachgeladen. Mercedes setzt für seine Elektrobusse zwar eigentlich eher auf „over-night-charging“ via Combo-Stecker  auf dem Betriebshof, hat aber immer gesagt, wenn ein Kunde Nachladung auch auf der Linie wünsche (opportunity charging), werde man auch das ermöglichen. Und warum will die ÜSTRA unterwegs nachladen? Na ja, schon seit 2016 sind drei Solaris Urbino 12 electric im Einsatz, die die Nachladung auf der Linie unbedingt brauchen, und für sie wurden am August-Holweg-Platz zwei Nachladestationen aufgebaut. Und wenn die nun schon mal da sind, dann können sie ja auch für die neuen eCitaro genutzt werden.  

Bis Ende 2020 sollen die ersten 15 Solo-eCitaro und die ersten vier Gelenkwagen bei der ÜSTRA eingetroffen sein. Die Solowagen gehen auf Linie, die Gelenkwagen werden erst einmal für Test- und Schulungsfahrten eingesetzt werden. Sie sollen ab 2021 auf Linie 121 unterwegs sein, die im Moment noch mit Hybridbussen bedient wird.

2021 werden zwei weitere Solowagen und sieben weitere Gelenkwagen folgen. Damit wird es möglich sein, die Linien 100 und 200, die insgesamt 13 Kurse haben,  komplett mit den eCitaro zu bedienen. Zudem werden erste Elektro-Solowagen auf die Linien 120, 128 und 134 kommen, die ersten Gelenkwagen werden nach und nach auf Linie 121 gehen.

Im Jahr 2022 werden schließlich die letzten 13 Solo-eCitaro und sieben Gelenkwagen aus diesem Liefervertrag folgen. Damit wird es möglich sein, die sechs „Innenstadtlinien“ komplett mit Elektrobussen zu bedienen. Womit – dies sei am Rande angemerkt – die ÜSTRA sich dann um die Elektrifizierung ihrer restlichen Buslinien wird kümmern kann.

ÜSTRA-Chef Dr. Volkhardt Klöppner sagte bei seiner Rede bei der Vorstellung der neuen Busse: „Bis 2023 bauen wir mit insgesamt 48 Elektrofahrzeugen auf insgesamt sechs Innenstadtlinien den Umweltvorsprung des ÖPNV in der Region Hannover weiter aus. Wir wollen die erste deutsche Großstadt sein, die im kompletten Innenstadtbereich den ÖPNV elektrisch betreibt – und das mit CO2-freier Energie.“

ÜSTRA-Chef Dr. Volkhardt Klöppner und Vorständin Denise Hahn bei den Ansprachen | © Christian Marquordt

Die beiden Nachladestationen am August-Holweg-Platz sind für die neuen Busse umfassend modernisiert worden. „Die Ladung erfolgt mit maximal 150 kW,“ sagt Elke van Zadel, im Vorstand der ÜSTRA  zuständig für Technik, IT und Infrastruktur.  Interessant ist, dass die beiden Stationen aus unterschiedlichen Quellen versorgt werden. Der eine Lademast ist an das Netz der Stadtbahn angeschlossen. Das habe, so sagt die ÜSTRA, den Vorteil, dass so von der Stadtbahn beim Bremsen rückgespeister Strom zum Laden der Busse verwendet werden könne. Den Strom für den anderen Lademast speist der  kommunale Energieversorger „enercity“ ein. Und das, so die ÜSTRA, habe den Vorteil, dass man am August-Holweg-Platz einen Lademast habe, der unabhängig vom eigenen Stromsystem zuverlässig funktioniere.

Mitte 2021 sollen Lademasten an den beiden Endhaltestellen von Linie 121, Haltenhoffstraße und Altenbekener Damm, in Betrieb gehen. Ende 2021 wird die Ladestation an der Endhaltestelle Peiner Straße von Linie 128 und 134 folgen, am entgegengesetzten Ende Nordring soll ab Mitte 2022 geladen werden können. Und Ende 2022 werden die beiden Endstationen von Linie 120, Ahlem und Aegidientorplatz, mit Lademasten ausgestattet werden.

ÜSTRA 9503 unter der Ladestation am August-Holweg-Platz | © Christian Marquordt

Die Elektrobusse werden auf den beiden Betriebshöfen Mittelfeld und Vahrenwald stationiert. Und auch hier wird die notwendige Ladeinfrastruktur auf dem neuesten Stand der Technik installiert, was auch Umbauten auf den Betriebshöfen erfordert.

Elektrobusse stellen die Werkstatt eines Verkehrsbetriebs vor neue, bislang unbekannte Aufgaben. So muss zum Beispiel auch auf dem Dach des Busses an der Elektrik gearbeitet werden, und das ist auch nicht nur Elektrik, sondern Starkstromelektrik. Aber kein Problem: Denise Hahn, Vorständin Betrieb und Personal (den hübschen, gendergerechten Begriff „Vorständin“ fand der Verfasser im Wortschatz der ÜSTRA) sagt: „Schon mit der Einführung unserer ersten Hybridbusse haben wir damit begonnen, unser Werkstattpersonal zur Elektrofachkraft weiterzubilden.“

Wenden wir uns zum Abschluss noch den Förderungen von Bund und Land Niedersachsen zu, die die ÜSTRA für die neuen Elektrobusse bekommen hat. Insgesamt belaufen sich die Investitionen für das „Zukunftsprojekt E-Bus“ in Hannover auf 50 Millionen Euro. Dazu gaben  das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit 22,7 Millionen Euro und die niedersächsische Landes-Nahverkehrsgesellschaft 2,9 Millionen Euro.

Technische Daten Mercedes-Benz eCitaro Hannover

Mercedes-Benz eCitaro Dreitürer

Länge:  12.135 mm

Breite:  2.550 mm

Höhe:   3.400 mm

Radstand: 5.900 mm

Wendekreis:     21.214 mm

Fahrgastkapazität:   88 Fahrgäste, davon: 27 Sitzplätze, 61 Stehplätze

Vorderachse:    ZF 82 RL mit Einzelradaufhängung

Antriebsachse: Z/F AVE 130 mit radnahen Elektro-Motoren

Nennspannung: 400 Volt

Batterien:        10 Module

                        2 Module im Heck, restliche Module auf dem Dach

                        NMC (Nickel-Mangan-Kobalt)

Kapazität pro Modul: 63 kWh

Nachladung:    
a) over-night-charging (auf dem Betriebshof): Combo-Stecker, rechts über der Vorderachse

b) auf der Linie (opportunity charging) : Pantograph, vom Bus aufsteigend zur Ladestation

Ladekapaziät:   243 bis 330 kWh

Reichweite ohne Nachladung:   120 Kilometer

aktiver Bremsassistent (ABA)

Abbiege-Assistent:       verhindert Unfälle (zum Beispiel mit Radfahrern und Fu8gängern) beim Abbiegen

Klimaanlage mit Wärmepumpe, Kältemittel CO2

Heizung rein elektrisch (also schadstoffrei)

Fahrerarbeitsplatz mit Sicherheitsscheibe (Stichwort „Corona“) abgeteilt

Rollstuhlrampe

Kostenfreies WLAN und USB-Steckdosen für die Fahrgäste

Informations-Monitore im Innenraum

Fußboden in Holz-Optik

zul. Gesamtgewicht: 20.000 kg

Innenraum | © Christian Marquordt
23.10.2020
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