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São Paulo: So geht der Ausbau des Schienennetzes voran

von Erik Buch
Metro Linie 1 - Jabaquara | © Budach

Mit mehr als 20 Millionen Einwohnern im Großraum ist die brasilianische Metropole São Paulo der größte zusammenhängende Ballungsraum Südamerikas und zugleich einer der größten der Welt. So wundert es nicht, dass sich hier, anders als in manch anderer Millionenstadt in Lateinamerika, in den letzten Jahrzehnten ein vergleichsweise leistungsfähiges Schienennahverkehrsnetz entwickeln konnte, auch wenn noch immer deutlicher Bedarf zum Ausbau erkennbar ist und diverse Stadtbezirke nicht ausreichend an dieses Netz angeschlossen sind.

Metro, S-Bahn und Monorail als integriertes Angebot

Trotzdem: São Paulo verfügt aktuell über 5 Metrolinien, eine Einschienenbahn und 7 nach S-Bahn-Standard ausgebaute, elektrifizierte Vorortbahnlinien, die auf insgesamt 340 km Netzlänge werktäglich mehr als 4.000.000 Fahrgäste transportieren.

Dabei hatte das alles erst 1975 mit Eröffnung der ersten Metrolinie 1 begonnen, 1979 folgte die Linie 3, 1991 die heutige Linie 2, 2002 die Linie 5 und 2010 die 4. Die Modernisierung der heruntergekommenen oder zum Teil ungenutzten Eisenbahnstrecken und der Aufbau eines modernen, zuverlässigen S-Bahn-Systems mit dichtem Taktverkehr lief mit ersten ernsthaften Bemühungen erst 1992 in vollem Umfang an, obwohl elektrischer Vorortverkehr selbst schon mehrere Jahrzehnte zuvor begonnen hatte, allerdings mit keinem dem heutigen System vergleichbaren Standards. In 2008 wurden die bis dahin existierenden Linien A bis F in 7 bis 12 umbenannt. Die Linie 13 als Zubringer zum Großflughafen Guarulhos nahm 2018 ihren Betrieb auf, Expresszüge fahren auf ihr seit 1. September 2023 weiter bis Palmeiras-Barra Funda im Zentrum auf den Gleisen der kombinierten Linien 7 und 10.

Flughafenzubringer aufgeständert – Linha 13 – Guarulhos Cecap | © Budach

Zuvor war schon die erste Monorail-Strecke eröffnet worden, nämlich in 2015. Die Linien aller drei Systeme sind dabei fortlaufend nummeriert und machen dabei keine Systemunterscheidung. Für die Fahrgäste ist dies ohnehin von untergeordneter Bedeutung, sie wollen möglichst rasch und mit einem Mindestmaß an Komfort befördert werden. Die Verknüpfung der verschiedenen Linien und Systeme ist dabei essentiell.


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Die Ausbaupläne

Die Ausbaupläne für das Netz sind groß und werden immer wieder modifiziert und laufend angepasst, in Abhängigkeit von neuen Siedlungs- und Erschließungsprojekten, insbesondere aber auch von den finanziellen Möglichkeiten und den jeweiligen Vorgaben der politischen Agenda der wechselnden Verantwortlichen.

Bis 2034 soll das Netz an zahlreichen Stellen so ausgebaut und erweitert werden, dass dann insgesamt 20 Linien zur Verfügung stehen – dazu kommen diverse Ausbauvorhaben bei den bestehenden Linien. Vorrangig ist aktuell der Bau der Metrolinie 6, die ähnlich der 2010 in Betrieb genommenen Linie 4 als Public-Private-Partnership finanziert wird. Damit soll sich die privatwirtschaftliche Beteiligung an ÖPNV-Projekten endgültig durchsetzen. Die Linie verläuft von São Joaquim über 14 Haltestellen bis nach Brasilandia, ist 14 km lang und wird vollautomatisch fahrerlos betrieben werden, ebenfalls wie schon die Linie 4.

Sie sollte ursprünglich schon 2016 in Betrieb gehen, Verzögerungen wegen Streitigkeiten über die Gesamtfinanzierung, steigende Baupreise u.a. ließen die Bauarbeiten ein Zeit lang weitgehend ruhen, inzwischen wird aber wieder fleißig gebaut. 2025 soll nach derzeitigem Stand nun die ersten Fahrgäste die neue Linie benutzen können.

Um die hohen Kosten des Metrobaus zu umgehen und trotzdem zeitnah weitere Bezirke an das Netz anschließen zu können, entschied man sich vor über zehn Jahren zum Bau von aufgeständerten Einschienenbahn-Linien, international als Monorail bezeichnet. Die erste Linie 15 ging 2015 zwischen Vila Prudente und São Mateus in Betrieb – 54 siebenteilige Züge lieferte Bombardier. Eine Verlängerung um einen Station bis Jardim Colonial fährt seit 2021, im Bau und zum Teil Bauvorbereitung befinden sich aber Verlängerungen an beiden Enden. Die Verlängerung um eine Station von Vila Prudente bis Ipiranga an der S-Bahn-Linie 10 ist bereits sehr weit fortgeschritten, gebaut wird auch an 3 km weiterer Strecke mit zwei Haltestellen von Jardim Colonial bis Jacu Pêssego.


Eine zweite Linie ist unter der Nummer 17 seit 2016 im Bau, sie bindet künftig auch São Paulos zweiten, stadtnahen Flughafen Conganhas an das Schienennetz an. Auch hier gab es verschiedentliche Verzögerungen, nun wird als Eröffnungsdatum für den ersten Abschnitt 2025 genannt. Die Bahn wird vorerst von Morumbi über sechs Stationen bis zum Flughafen führen, dazu kommt ein Abzweig mit einer Station bis Jardim Aeroporto. Von hier aus geht es künftig weiter über fünf Haltestellen bis zur geplanten großen Umsteigestation Terminal Jabaquara, die auch Endstelle der Metrolinie 1 und des langen BRT-Trolleybusnetzes der EMTU in den südlichen Vororten ist. Auch am anderen Streckenende ist eine Verlängerung über weitere fünf Stationen in Vorbereitung.

Allerdings sind an verschiedenen Stellen noch wenig Bauaktivitäten zu sehen, auch entlang der ersten Teilstrecke. Wann es also tatsächlich zur Eröffnung kommt, wird mit Spannung zu beobachten sein.

Die neue Linie wird ebenfalls durch ein privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen betrieben werden. Zum Einsatz kommen werden zunächst 14 fünfteilige Züge des chinesischen Herstellers BYD vom Typ „SkyRail“, von denen der erste im Herstellerwerk im März 2022 vorgestellt worden war. BYD ist auch für die gesamte elektrische Ausrüstung der Strecke und die Signalisierung verantwortlich.

Aktuell im Bau bzw. abschnittsweise in Bauvorbereitung ist außerdem die Verlängerung der Metrolinie 2 von Vila Prudente über acht Station bis Penha an der Metrolinie 3. Weitere Ausbauten sehen die Verlängerung der Linie 4 von Vila Sonia zum Largo do Taboão, der Linie 5 von Capão Redondo bis Jardim Àngela und eine neue Linie 20 (Lapa – Moema) vor. Insgesamt sind dies rund 39 km neue Strecken. Die längere Zeit als Monorail geplante Linie 18 wird dagegen als Bus-Rapid-Transit (BRT) mit Elektrobussen verwirklicht; eine Teilelektrifizierung und Anbindung an das Trolleybusnetz der EMTU auf dem sogenannten ABD Korridor in den südlichen und südöstlichen Vororten São Paulos ist eine Option. Auch an anderer Stelle sollen durch zusätzliche BRT-Linien, als Buslinien weitgehend auf reservierter Trasse, ergänzend weitere Schnellverbindungen geschaffen werden. Buspriorität auf vielen Achsen in der Stadt bereits heute weit verbreitet, Ausbauten finden punktuell immer wieder statt.  

Neueste Planungen sehen den Bau eines 12 km langen, oberirdischen Straßenbahnnetzes mit Fahrzeugen in zeitgemäßer Niederflurbauart vor. Zwei ringförmig verlaufende Linien sollen entstehen, die am Largo do Paiçandu miteinander verknüpft werden. Konkrete Baubeschlüsse dazu stehen jedoch noch aus.

Ausblick

Die Prioritäten beim Ausbau des ÖPNV-Angebots werden sicherlich weiterhin immer mal wieder wechseln, aber trotz aller Überfüllungen auf bestimmten Achsen zur Hauptverkehrzeit hat São Paulo ohne Zweifel schon jetzt ein sehr brauchbares Angebot vorzuweisen, nicht zuletzt im Vergleich mit anderen Ballungsräumen in Lateinamerika.

Ausführliche Informationen über den Schienennahverkehrs im Großraum São Paulo und auch über die Ausbaupläne finden sich u.a. hier:
https://www.urbanrail.net/am/spau/sao-paulo.htm

© Secretaria dos Transportes Metropolitanos
16.04.2024