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Sinnvoll oder nicht? Kostenloser öffentlicher Nahverkehr – jetzt auch in Montpellier

Bus & Tram in Montpellier | © UTM/b

Die französische Stadt Montpellier in der Mittelmeerregion Occitaine ist die jüngste europäische Metropole, in der alle Einwohner die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos nutzen können.

Seit dem 21. Dezember 2023 können die rund 500.000 Einwohner von Montpellier und seinem nahen Umland kostenlos mit Straßenbahnen und Bussen in der Stadt fahren, sie benötigen lediglich einen speziellen Pass, der von der öffentlichen Verwaltung kostenlos ausgestellt wird. Besucher und Touristen müssen weiterhin 1,60 Euro pro Fahrt bezahlen.

Der sozialistische Bürgermeister der Stadt, Michael Delafosse, versprach bei seiner Wahl im Jahr 2020 die Einführung der kostenlosen Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel. Die Idee dahinter war (und ist immer noch), die Zahl der Fahrten im ÖPNV deutlich zu erhöhen und damit dazu beizutragen, den Autoverkehr in Montpellier zu reduzieren. Im Laufe der Zeit wurden parallel schrittweise Beschränkungen für den Individualverkehr im Stadtgebiet ausgeweitet.

Erfahrungen an anderen Orten

Vor der Einführung wurden Studien durchgeführt, um die Situation in Montpellier mit der in anderen europäischen Städten zu vergleichen, in denen der kostenlose öffentliche Nahverkehr bereits eingeführt worden war. Das gesamte Land Luxemburg einschließlich seiner Hauptstadt ist seit 2020 eines der prominentesten Beispiele, während die estnische Hauptstadt Tallinn schon 2013 Pionierarbeit mit der Einführung des kostenlosen Fahrens im Stadtgebiet geleistet hatte. Das Feedback bei Besuchen von Experten vor Ort waren jedoch keineswegs nur enthusiastisch. Tallinn will zur Fahrpreiserhebung zurückkehren, da die beobachteten Auswirkungen hinsichtlich Reduzierung des Individualverkehrs, Erhöhung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und auf die Stadtentwicklung ganz generell nicht den Erwartungen entsprechen und damit aus Sicht der aktuell Verantwortlichen die zusätzliche Belastung der Steuerzahler auf keinen Fall rechtfertigen. Ursächlich für diese Entwicklung dürfte in Tallinn vor allem sein, dass die Attraktivität des ÖPNV-Angebots sich nicht so entscheidend verbessert hat und auch sonstige begleitende Maßnahmen nicht in der erhofften Form umgesetzt wurden.

Tallinn in Estland: Künftig keine Freifahrt mehr im ÖPNV – der Autoverkehr ist nicht wie erwartet zurückgegangen | © UTM/b

Die Einführung in Montpellier

Montpellier hingegen verfolgt seine eigene Strategie: Noch im Jahr 2020 wurden Freifahrten am Wochenende eingeführt, seit 2021 werden sie auf alle unter 18-Jährigen und über 65-Jährigen ganztägig und nun unterschiedslos auf alle Einwohner ausgeweitet.

Um die 35 Millionen Euro an Fahrpreisen, die in den vergangenen Jahren von den Einwohnern gezahlt wurden, teilweise auszugleichen, hat die Stadt eine neue Verkehrssteuer für Unternehmen mit mehr als 11 Beschäftigten eingeführt.

Bevor die Initiative zur kostenlosen Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel in Montpellier eingeführt wurde, hatten nur 86.000 Personen ein bezahltes Abonnement für den ÖPNV. In den letzten Wochen haben sich 260 000 Abonnenten für den kostenlosen Pass registriert, der als Karte oder als Smartphone-App erhältlich ist. Das sieht vielversprechend aus, auch wenn die Ergebnisse und Auswirkungen natürlich sorgfältig beobachtet und längerfristig analysiert werden müssen.

Montpellier Tram Linie 2 | © UTM/b
22.01.2024
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