Der traditionsreiche belgische Omnibushersteller Van Hool stellte im März 2024 einen Antrag auf Gläubigerschutz, den schon bald folgenden Konkursantrag bestätigte das zuständige Amtsgericht am 11. April. Grund genug, einen zusammenfassenden Blick auf die Entwicklung zu werfen.
Ein Blick zurück
Im Jahr 1947 wurde Bernard van Hool (05.03.1902 bis 06.03.1974) zum Gründer eines Unternehmens, das einmal zu den Großen im Busbau werden sollte.
Er war ein vielseitig begabter Mann. Sein Lebensmotto lautete: „Vooruit is onze weg“ (vorwärts ist unser Weg). 1947 war er Landwirt im Dorf Koningshooikt in der belgischen Provinz Antwerpen (heute ein Stadtteil von Lier), er hatte aber auch schon sein Geld als Diamantenschleifer in Antwerpen verdient.
In diesem Jahr suchte er ein Fahrzeug, mit dem er seine Landarbeiter auf die Felder bringen konnte. Und da er so etwas nicht fertig fand, strickte er sich seinen Bus selber.
Seine Landwirtskollegen sahen den Bus, fanden die Idee gut, und baten Bernard van Hool: „Mach uns doch so was auch.“ Was van Hool tat. So entsteht schon mal ein großer Busbauer.
Der siebte Bus aus dem Haus Van Hool war dann schon so etwas wie ein richtiger Bus. Ein Busunternehmer aus der Region hatte van Hools Busse entdeckt und gab einen Reisewagen in Auftrag. Der bekam den Namen „de Liefde“ (die Liebe), mit ihm setzte jener Busunternehmer seiner Tochter ein Denkmal.
In Belgien gab es damals noch viele Busbauer. Genannt seien (in alphabetischer Reihenfolge) Brossel, Denolf & Depla, Jonckheere, Ragheno … Van Hool setzte sich neben ihnen durch. Es gab zum Beispiel Brossel mit Aufbauten von Van Hool.
Van Hool startete als Aufbauer auf fremden Fahrgestellen. Das änderte sich, als Van Hool eigene selbsttragende (Integral-)Busse entwickelte und auf den Markt brachte. Die hatten anfangs gerne Motoren von Fiat, aber bald arbeitete Van Hool beim Antriebsstrang mit fast allen Herstellern zusammen, bei Linienbussen gerne mit MAN.
An Linienbussen wurden während der Blütezeit von Van Hool vor allem die Baureihen „A 120“ und „A 300“ bekannt. Das „A“ stand dabei für „Autobus“, die „120“ beim A 120 für seine Länge von zwölf Metern, die „300“ beim A 300 für die gerundete Fußbodenhöhe über der Fahrbahn. Zu beiden Grundtypen gab es zahlreiche Varianten, so zum Beispiel auch einen „A 600“ mit einer Fußbodenhöhe von 60 Zentimetern … Und natürlich auch Gelenkbusse, die Typenbezeichnungen mit „AG“ hatten (Autobus Gelede). Das ging bis zum Doppelgelenkbus „AGG“ (Autobus Gelede Gelede).
Erst im vergangenen Jahr präsentierte Van Hool als Nachfolgerin der Baureihe „A 300“ seine neue Baureihe A12. Es sollte sie nur noch als Elektrobus geben, sei es als Batterie-, sei es als Wasserstoffbus, beim Batteriebus lagen die „flachgeklopften“ Batterien unter dem Fußboden, um die Höhe des Busses zu reduzieren. Und der Aufbau bestand nicht mehr aus schwerem Stahl, sondern aus „Composite“ (Faserverbundstoff). Merke: Gewicht, das ich nicht mit mir herum schleppe, kostet auch keine Energie. Ein paar Exemplare des A 12 sind noch gebaut worden. Schade, dass das Ende des Linienbusbaus bei Van Hool diesem Auto voller ausgezeichneter Ideen „das Genick bricht“.
Van Hool war auch immer ein sehr erfolgreicher Hersteller von Reisebussen. Die hatten Typenbezeichnungen, die mit „T“ begannen (für Tourisme). Bekannt geworden sind Baureihen wie „Alizée“, „Alicron“, „Astron“, „Astronef“ (mit von vorne nach hinten ansteigender Theaterbestuhlung), der Hochdecker „Altano“ (alto (Italienisch) = hoch), aber auch der legendäre Reisedoppeldecker „Astromega“.
Die Nachfrage nach Bussen aus dem Haus Van Hool wurde so groß, dass man mit den Produktionskapazitäten in Koningshooikt nicht mehr auskam. Man eröffnete ein Zweigwerk in Skopje, der Hauptstadt von Nordmakedonien. Hier wurde auch eine neue Typenfamilie aus der Taufe gehoben, die Baureihe „E“. Das waren und sind sogenannte Kombis oder etwas einfachere Reisebusse.
Die jüngste Entwicklung
Das Unternehmen Van Hool war traditionell familiengeführt, verschiedene Generationen der kinderreichen Familie waren und sind am Unternehmen beteiligt und hier beschäftigt. Es gab Zeiten, da sagte man: wer immer bei Van Hool eine verantwortliche Position innehat, heißt mit Nachnamen van Hool.
Über Erbstreitigkeiten hat die Familie sich zerstritten, was der Unternehmensentwicklung nicht zuträglich war. Anfang des Jahres, da sich eine wirtschaftliche Schieflage des Unternehmens abzeichnete, holte man als Co-Chef noch den familienfremden Marc Zwaaneveld an Bord, der Van Hool noch retten sollte. Und Zwaaneveld legte auch einen Sanierungsplan vor. Auf den die Familie sich nicht einigen konnte. Zwaaneveld heute: „Mit meinem Sanierungsplan hätten wir Van Hool retten können.“
Am 8. April 2024 bestätigte das zuständige Gericht im belgischen Mechelen den Konkurs des Unternehmens Van Hool. Schade um dieses innovative Unternehmen, dessen Gründer Bernard van Hool mal sagte: „Vooruit is onze weg.“ Vorbei.
Das belgische Fernsehen berichtet, welche gravierenden Folgen die Van Hool-Pleite für die Stadt Lier und vor allem für ihren Stadtteil Koningshooikt hat.
Wie geht es weiter?
Und was jetzt? Van Hool hatte sich schon sehr bald diversifiziert, neben die Produktion von Bussen war der Bau von Sattelaufliegern für Lastwagen getreten. Jetzt wird das Unternehmen aus dem Konkurs heraus zerschlagen. Es gab zwei Interessenten, die weitermachen wollen: die deutsche „Schmitz Cargobull“, die den Bau der Sattelauflieger fortführen (und damit ihre eigenen Kapazitäten ausweiten) will, und die niederländische VDL-Groep, die den Busbau fortsetzen will. Wobei beide auf eine deutliche Reduzierung des Personals setzen.
Schmitz Cargobull will am Standort Koningshooikt weitermachen, nicht aber VDL. VDL möchte das Buswerk in Skopje übernehmen und sich hier darauf konzentrieren, das Reisebus-Portfolio von Van Hool fortzuführen. So das denn so kommt, war’s das mit Linienbussen aus diesem Haus. Adieu „A 12“. Wer da (wie Esslingen) Batterie-Oberleitungs-Busse bestellt hatte, wird sich einen anderen Lieferanten suchen müssen. Anmerkung: die Entwicklungsabteilung will auch VDL in Lier(-Koningshooikt) lassen.
Allerdings hat auch der belgische Unternehmer Dumarey ein Angebot vorgelegt, zusammen mit der US-amerikanischen „ABC-Companies“-Gruppe, dem Unternehmen, das Van Hool-Busse nach Nordamerika importiert hat. Sie wollen den Busbau bei Van Hool fortführen. Dumarey hat Erfahrung mit der Rettung von Unternehmen, die in Schieflage geraten sind, und er sagt zu, mehr Arbeitplätze zu erhalten.
Und dann ist da auch noch Marc van Hool. Er ist ein Spross der Familie, hat sich aber vor zehn Jahren aus dem „Familienclan“ zurückgezogen und in Antwerpen seine eigene Investmentfirma CIM gegründet. Auch er würde gerne mit Van Hool weitermachen. Allerdings nur mit den Sattelaufliegern für Lkw.
Am 11. April 2024 gegen Mittag meldet die deutschsprachige belgische Tagesszeitung „Grenz-Echo“ (Erscheinungort Eupen), dass Van Hools Konkurs-Verwalter sich entschieden hätten, den Zuschlag für die Übernahme an VDL und Schmitz Cargobull zu erteilen. Sie haben ein triftiges Argument: eine monatelange Hängepartie um die Übernahme werde Van Hool endgültig und vollständig zu Grunde richten. Noch gebe es eine Chance, in zwar verkleinertem Rahmen Arbeitsplätze bei Van Hool doch noch zu erhalten.
Die Frage, wer den Zuschlag bekommen wird, ist also entschieden. Mit dem einheitlichen Unternehmen Van Hool ist es mithin vorbei. Und mit dem Bau von Linienbussen wohl auch. Denn in einem sind (und waren) sich alle Anbieter einig: eine Zukunft für das einheitliche Unternehmen Van Hool (Busse und Sattelauflieger) kann es nicht geben. Und Linienbusse von der Qualität eines Van Hool zu bauen ist so teuer, dass sich unter dem Wettbewerbsdruck am Markt keine Preise erzielen lassen, mit denen man Gewinn erwirtschaften könnte. Und Linienbusse bauen nur um Linienbusse zu bauen …?