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Dancer: Elektrobusse aus Litauen

Der innovative E-Bus Dancer aus Litauen fällt durch ein außergewöhnliches Außendesign auf I © Pressefoto Dancer

Seit dem 14. April (dem Dienstag nach Ostern) laufen auf Linie 8 in Litauens drittgrößter Stadt Klaipeda drei Prototypen eines ganz neuen Elektrobusses. Dessen Hersteller ist nicht minder neu und heißt „Dancer“, seine Werkshallen stehen in Klaipeda. (Möglicherweise erklärt das, warum die drei Prototypen gerade in dieser Stadt im Linieneinsatz auf Herz und Nieren getestet werden.)

Erste Überlegungen zum Dancer

Alles begann damit, dass Alvydas Naujekas, heute CEO des Herstellers „Vejo projektai“, sich im Jahr 2012 mit ersten Gedanken zum Bau eines Elektrobusses mit besonders niedrigem Eigengewicht beschäftigte. Seine Überlegungen dabei waren absolut einleuchtend: ein Elektrobus ist ausgesprochen umweltfreundlich. Und je leichter ein Elektrobus ist, desto weniger Strom verbraucht er während der Fahrt, desto weniger Speicherkapazität für Strom braucht er, desto kleiner können seine Batterien sein …

Zusammengefasst spiegelt sich die Philosophie von Ramanauskas im heutigen Wahlspruch der Marke Dancer wider: „Make cities a better place to live.“

So begann Naujekas die Entwicklung eines neuen, voll-elektrischen Stadtbusses mit „super-niedrigem“ (Zitat Dancer) Eigengewicht. Wobei die Universität Klaipeda diese Entwicklung von Anfang an begleitet hat. Dancer spricht von einem „visionären Projekt in der Automobil-Industrie“. Öffentlicher Verkehr werde mit dem Dancer als Teil einer lebens- und liebenswerten Stadt verstanden, weil er mit dem alternativen Kraftstoff Strom – gerne aus Windenergie – unterwegs sei. Um möglichst wenig Energie zu verbrauchen, bestehe der Wagenkasten aus neuen, betont leichten Materialien. Und ein neues, originelles Design-Konzept könne – so die Überlegungen – dem Wagen auch nicht schaden …

Am Ende dieser Überlegungen steht ein Bus mit einem Leergewicht von nur 9,8 Tonnen. Dancer erreicht das, indem der Wagenkasten des Busses nicht aus Stahl, sondern aus dem Kunststoff „Composite“ besteht. Und Composite zeichnet sich ganz wesentlich nicht nur dadurch aus, dass es besonders leicht ist, sondern auch dadurch, das es aus recycelten Materialen gewonnen wird. Sie haben eine Getränke-Flasche aus PET leer getrunken? Hervorragend! Ihr Leergut ist ein idealer Ausgangsstoff für Composite!

Neben dem betont niedrigen Eigengewicht war vorgegeben, dass der komplette Antrieb durch „grüne“ Energie erfolgen sollte. Und dass der Dancer sich durch eine Nachladungszeit von nur wenigen Minuten auszeichnen sollte.

Die Heckansicht | © Pressefoto Dancer


2015: ein Skoda 14 Tr wird leichter

Das Jahr 2015 markiert einen wesentlichen Entwicklungsschritt auf dem Weg zum Dancer. Man besorgte einen älteren Trolleybus des Typs Skoda 14 Tr, demontierte ihn und baute ihn wieder auf als Batterie-Elektrobus mit einer Karosserie aus Composite. Das Ergebnis war mehr als ermutigend: das Eigengewicht des „renovierten“ Wagens lag um 57 % unter seinem Leergewicht im Ursprungszustand.

2016: der erste Prototyp des Dancer

Nach den guten Ergebnissen des Umbaus dieses Skoda 14 Tr entstand 2016 der erste Prototyp des Dancer E-Busses. Mit ihm erhielt man 2019 die EU-weite Zulassung für den Einsatz des Busses im ÖPNV.

2019: Nachladesystem über Pantograph

Im Jahr 2019 entschied Dancer sich für die Nachladung seines E-Busses via „opportunity charging“, also über einen Pantographen, der vom Dach des Busses zur Ladestation aufsteigt. Dabei wird der Wagen in weniger als zehn Minuten mit 500 kW nachgeladen. Dancer betont, dass eine übliche „Wendezeit“ an der Endhaltestelle einer Elektrobus-Linie damit zum Nachladen völlig ausreicht.

Zur Technik des Dancer

Neben dem besonders niedrigen Eigengewicht aufgrund der Karosserie aus Composite kennzeichnet den Dancer eine nur einfach bereifte Hinterachse – sie hat eben nicht so viel zu tragen. Der Hersteller betont, dass der Wagen im Einsatz fast vibrationsfrei und besonders leise unterwegs ist. Statt herkömmlicher Rückspiegel hat er Kameras für den Blick hinter den Wagen, und die sind so programmiert, dass sie das Bild, das sie übermitteln, bei Dunkelheit dank „night vision“ automatisch aufhellen.

Der Wagen kann 93 Fahrgäste mitnehmen. Das ist zurzeit für einen Elektrobus ein sehr guter Wert. 32 Sitz- stehen 61 Stehplätze gegenüber. Im Wageninneren ist ein Rollstuhlplatz vorgesehen, der über eine Rollstuhlrampe erreicht werden kann. Für den Komfort der Fahrgäste bringt der Dancer eine Klimaanlage und USB-Ladeports mit.

Zum Lieferumfang, den Dancer anbietet, gehören auch Unterhalt und Wartung der Busse. Außerdem bietet Dancer auch an, die notwendige Nachlade-Infrastruktur zu liefern. Dancer resümiert: „Wir werden wird oft mit Tesla verglichen. Beide Unternehmen haben das Automobil neu gedacht. Aber ein Dancer-Bus lässt sich 15 mal schneller aufladen als ein Tesla. Dabei transportiert er 20 mal mehr Fahrgäste als der Tesla. Und er verbraucht nur drei mal so viel Strom wie ein Tesla.“ An Selbstbewusstsein also fehlt es dem Newcomer aus Litauen nicht.

Der Bushersteller Dancer gehört zur „Véjo Projektai“-Gruppe. 80 Arbeitsplätze – noch reicht das aus – sind geschaffen worden: für Elektriker, Elektro-Ingenieure, Software-Entwickler und Mechaniker.

„Véjo Projektai“ betont, dass die Mehrzahl der europäischen Städte inzwischen Elektrobusse beschafft. „Das Marktpotential ist immens. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen wir an der Spitze dabei sein und leichtere, wirtschaftlichere und einfacher zu wartende Busse bauen.“ 

Dancer’s Entwicklungsziele

Für seine zukünftigen Elektrobusse strebt Dancer eine weitere Gewichtsreduzierung an. Zudem soll der Energieverbrauch der Wagen weiter reduziert werden. Und schließlich soll das Handling des Dancer weiter verbessert werden.

Klaipeda Bus Company

Wie oben schon gesagt, sind die drei Wagen für die Stadt Klaipeda durch den städtischen Verkehrsbetrieb beschafft worden. Seit dem 14. April sind sie nun auf Linie 8 im Einsatz. Klaipedas Oberbürgermeister Vitautas Grubliauskas: „Der 14. April 2020 wird in die Stadtgeschichte Klaipedas eingehen“. Und Vaidotas Ramanauskas, Chef des Verkehrsbetriebs von Klaipeda (Klaipedos autobusu parkas) ergänzt: „Mit dem Start in die Ära der Elektrobusse schlagen wir eine neue Seite in der Geschichte unseres Verkehrsbetriebs auf.“

Noch ein Wort zur Optik des Dancer

An das Aussehen des Dancer wird man sich etwas gewöhnen müssen. Denn es ist ungewöhnlich. Nicht nur die betont runde Front, auch das am unteren Rand nach innen gezogene Heck weicht deutlich von dem ab, was bei unseren Bussen sonst so üblich ist. Und auch die leicht ansteigende untere Kante der Seitenfenster unterscheidet sich klar von dem, was wir hier von allen anderen Bussen kennen. Vielleicht wird der Dancer ja zum Trendsetter …

Energieeffizient und ein Hingucker – der neue Dancer aus Litauen I © Pressefoto Dancer
27.04.2020
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