Mit rund 390.000 Einwohner im Stadtgebiet zählt Bologna zu den größten italienischen Städten ohne innerstädtischen Schienennnahverkehr. Seit 1963 die letzten Trams fuhren, setzte Bologna lange Jahre auf den Bus, zum Teil als elektrischen Trolleybus. Doch schon seit langem war klar, dass die Rückkehr der Straßenbahn in moderner Form eine wichtige Rolle bei den Bemühungen zur Verbesserung des ÖPNV und zur Verbesserung der Verkehrssituation insgesamt spielen soll.
Ausgearbeitet auf dem Tisch und von wichtigen Gremien abgesegnet liegt die Planung für ein Netz aus 4 Linien, die vor allem dichtbesiedelte Stadtteile besser erschließen sollen. Lange politische Diskussionen kreisten um die Alternativen der Streckenführung, die Akzeptanz jahrelanger Bauarbeiten bei der Bevölkerung und natürlich nicht zuletzt um das Geld – wer kann und soll‘s bezahlen? Im März 2019 verkündete der Bürgermeister den Beschluss zum Bau des neuen Netzes, bestehend aus vier Linien:
- Rot: Terminal Emilio Lepido-Capolinea Nord Michelino- Pilastro CAAB/Facoltà di Agraria
- Grün: Corticella-Due Madonne
- Gelb: Rastignano-Casteldebole
- Blau: Casalecchio-San Lazzaro
Das als Teil des Wiederaufbaufonds nach der COVID-Pandemie beschlossene Maßnahmenpaket der italienischen Zentralregierung zum Ausbau der Nahverkehrssysteme im Land hat auch das Tramprojekt in Bologna beschleunigt. Nachdem die Finanzierung der ersten („roten“) Linie gesichert war, begannen im April 2023 die Bauarbeiten. Sie führt von Borgo Paginale über den Hauptbahnhof bis nach Pilastro/Facoltà di Agraria. Gut 2 km der 16 km langen Strecke sollen fahrdrahtlos verlaufen. Die Eröffnung der ersten Teilstrecke ist für 2026 vorgesehen, ehrgeizig, aber vorgegebene Bedingung für den Abruf der Fördermittel.
Die 6,2 km lange, nördliche Strecke der künftigen Linie 2 („grün“) zum Bahnhof Corticella befindet sich im fortgeschrittenen Planungsstadium und ist ebenfalls zur Realisierung im gleichen Zeitraum vorgesehen und durchfinanziert, einzelne Vorarbeiten haben auch hier begonnen. Bleibt abzuwarten, wieviel bis 2026 tatsächlich fertiggestellt werden kann.
Die neue Tram ersetzt auf dem Teilstück nach Borgo Panigale ein anderes elektrisches Verkehrsmittel, das seinerzeit die alte Tram in Teilen abgelöst hatte, aber selbst etliche Jahre dem Niedergang geweiht war: Der elektrische Trolleybus. Eingeführt zum Ersatz der früheren Trambahn 1955 (nach einem kurzen Intermezzo 1940-45), ersetzten in den siebziger Jahren mehr und mehr Dieselbusse den Filobus, wie er in Italien genannt wird – zwischen September 1982 und Januar 1991 fuhren gar keine Oberleitungsbusse mehr. Langsam entstanden in den Jahren danach wieder neue Linien (zum Teil auf alter Strecke) – die letzte (15) sogar erst 2020 – doch nimmt das Verkehrsmittel auch heute noch eine eher nebengeordnete Rolle im Nahverkehrsangebot der Stadt ein. Betrieben werden aktuell die Linie 13, 14, 15 und 32/33 (gegenläufige Ringlinien), doch sind auch hier immer wieder Dieselbusse als Verstärker im Einsatz. Auf den Ringlinien fahren elf Solaris Trollino 18/Cegelec Gelenkwagen (Nr. 1056-66) vom Baujahr 2010, auf den übrigen Linien 49 Iveco/Cegelec Gelenkwagen vom Typ Crealis (Nr. 1101-1149) aus den Jahren 2015/6. Für Fahrten abseits der Fahrleitung haben sie einen Dieselmotor an Bord, der allerdings recht geräuschvoll seine Arbeit verrichtet – besonders unangenehm in den engen Straßen der historischen Altstadt. Einige ältere MAN-Bassotto/Autodromo Gelenkwagen aus den neunziger Jahren sind noch als Reserve abgestellt vorhanden.
Nachdem der Versuch zur Einführung von BRT wenig erfolgreich vor einigen Jahren abgebrochen wurde und schließlich in der Beschaffung der 49 Iveco Crealis mündete, wird nun ein Ausbau auf anderen Wegen verfolgt. Die seinerzeit bestellten 49 Irisbus CIVIS waren übrigens alle fertiggestellt, Bologna nahm sie jedoch nach langem Rechtsstreit mit dem Hersteller nie ab.
Das neue Projekt, als Teil des ÖPNV-Ausbauprogramms Progretto integrato della mobilità bolognese (PIMBO), sieht die Elektrizierung von Teil bisheriger Omnibuslinien vor. Dazu gehören die aktuellen Linien 11, 19W, 25 und der Südostast der Linie 27. Zum Einsatz werden 70 neu zu beschaffende Batterie-Gelenk-Trolleybusse mit IMC kommen, die noch in 2024 ausgeschrieben werden.
Außerdem werden weitere 19 zweiachsige Batterie-Elektrobusse bestellt, von denen aktuell bereits eine Anzahl von 13 Solowagen vom niederländischen Hersteller VDL bei der TPER Bologna, der Betreibergesellschaft des Nahverkehrs in der Stadt und in anderen Teilen der Emilia-Romagna, im Einsatz ist. Bestellt wurden darüber hinaus beim türkischen Hersteller Karsan 24 (+ 7 Option) Elektro-Gelenkbusse mit Pantographen auf dem Dach für das Nachladen im Linienverlauf an fest installierten Lademasten, von denen die ersten im November 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Mit Hilfe von EU-Fördergelder wird die TPER in Bologna außerdem bis 2026 insgesamt 127 Solaris-Wasserstoffbusse (+3 in Ferrara) in Dienst stellen – für bis zu weitere 140 bestehend darüber hinaus eine Option. Bis zur Überbrückung der Lieferung weiterer Neuwagen hat die TPER gebrauchte Omnibusse aus Schweden und Deutschland erworben.
Die Zukunft des Nahverkehrs sollte also auch in Bologna auf Sicht rein elektrisch sein!
Aus der Historie von Bolognas Nahverkehr: