• de
  • en

Ruhrbahn und noch mehr: Aufträge für Solaris Wasserstoffbusse in ganz Europa

Solaris Urbino 18 hydrogen Vorführwagen | © Christian Marquordt

Zur Geschichte von Solaris

Solaris ist Omnibusbauer aus dem polnischen Bolechowo bei Poznan. Gegründet wurde das Unternehmen unmittelbar nach der „Wende“ von Dipl.-Ing Krzysztof Olszewski, der Werkleiter bei Neoplan in deren Fabrik in Berlin gewesen ist und nun die Gelegenheit wahrnahm, in seine Heimat zurückzukehren. Er kaufte ein bisheriges Militärgelände und begann unverzüglich damit, in Lizenz Busse seines bisherigen Arbeitgebers unter dem Markennamen „Neoplan Polska“ nachzubauen. Mit ihnen war er auch sehr schnell auf dem polnischen Markt erfolgreich, viele „Neoplan Polska“ gingen insbesondere in Bolechowos Nachbarstadt Poznan.

Auf der Industriemesse in Poznan Anfang 1996 zeigte der junge Busbauer dann sein erstes eigenes „Kind“. Unter dem „sonnigen“ Markennamen „Solaris“ präsentierte man einen 12 Meter langen Niederflurbus, der den Typennamen „Urbino 12“ erhielt. Von „urbs“ (lateinisch) = Stadt, die 12 gab (und gibt bis heute) die Länge in Metern an. Dieses Erstlingswerk ist bis heute im Werksmuseum erhalten, unterdessen liebevoll restauriert, und der Verfasser hatte die Freude, den Wagen 2016 beim zwanzigjährigen Jubiläum der Marke selber fahren zu können (seine Frau war als „Fahrgast“ dabei). Das relativ weich gefederte Auto lief munter.

Firmengründer Krzysztof Olszewski erkrankte leider schwer, und so verkaufte Familie Olszewski ihr Unternehmen an die spanische CAF (Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles). CAF ist durchaus erfolgreich im Bau von Schienenfahrzeugen, und man strebte auch auf den Busmarkt … da kam die Offerte von Familie Olszewski gewissermaßen wie gerufen

Solaris war mit seinem neuen Bus sehr schnell sehr erfolgreich, und dementsprechend folgten bald Wagen in anderen Längen (wie 8,5 Metern – etwas schmaler und unter dem Typnamen „Alpino – aber auch 9, 10, 13 und 15 Metern sowie Gelenkwagen in 18 und in 18,75 Metern. Und ebenfall sehr schnell brachte Solaris seinen Bus auch als Oberleitungsbus, an die Stelle des Typnamens Urbino trat bei dieser Version „Trollino“ (von Trolleybus).

Alternative Antriebe – batterie-elektrische Busse

Schon früh stand für Krzysztof Olszewski fest, dass der Bus der Zukunft nicht mehr mit Diesel, sondern elektrisch fahren wird. So begann er schon vor mehr als 15 Jahren mit der Entwicklung eines Busses, der als Antriebsenergie Strom aus Batterien verwendet. Relativ frühe Exemplare mit dieser Antriebstechnik, die Solaris auslieferte, waren die Wagen 1401 und 1412 bis 1415 vom Jahrgang 2014 für Braunschweigs BSVG. Sie rollten auf Braunschweigs Straßen, als der Verfasser bei anderen Busbauern noch hörte: „Wir haben so gute Dieselbusse, so was wie Elektrobusse brauchen wir nicht.“ Die Batteriebusse von Solaris hören auf Namen wie „Solaris Urbino 12 electric“ oder „Urbino 18 electric“.

Der Wasserstoffbus

Jüngstes Kind in der Familie der Solaris-Busse ist der „Hydrogen-Bus“, erste Wagen mit dieser Antriebstechnik lieferte der Busbauer aus Bolechowo schon im Jahr 2019 aus. Der Wasserstoffbus tankt weder Diesel noch lädt er Strom in seine Batterien, sondern er fährt mit Wasserstoff. Der strömt aus den Druckflaschen, die den Wasserstofftank darstellen, in eine Brennstoffzelle, in der der Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft reagiert. Und dabei entsteht Strom, der auf die elektrischen Fahrmotoren des Busses geleitet wird – und schon fährt der los …

Obwohl die Wasserstofftechnik noch relativ neu ist, gehörte Solaris auch hier zu den Vorreitern, die als erste diese Antriebstechnik anboten. Wie sich das für eine neue Technik gehört, warteten viele Kunden erst einmal ab: sollen andere doch ausprobieren, ob das funktioniert. Als „Eisbrecher“ fungierte die Regionalverkehr Köln aus dem Großraum Köln / Bonn, die zurzeit Europas größte Flotte an Wasserstoffbussen betreibt („Solaris Urbino 12 hydrogen“) und so dafür sorgt, dass andere sehen, dass man so was ja tatsächlich mit gutem Erfolg einsetzen kann! Der Vorteil des Wasserstoffbusses liegt darin, dass er im Anschaffungspreis auf vergleichbarem Niveau mit dem Batteriebus liegt, aber eine deutlich größere Reichweite hat und zum Tanken etwa genau so lange braucht wie ein Diesel – und nicht ein paar Stunden wie ein Batteriebus. Eine Frage allerdings stellt sich bei ihm: wo nimmt man den Wasserstoff als Kraftstoff her? Ist der schon da, ist alles ebenso gut wie preiswert, muss man den Wasserstoff erst durch Elektrolyse herstellen, wird es zum einen komplizierter und zum anderen auch teuerer. Ideal ist in der Nähe des Busbetriebs eine chemische Fabrik, bei deren normaler Produktion Wasserstoff als Abfall (!) entsteht, mit dem man gar nichts anzufangen weiß. Da kann man ihn jetzt sinnvoll als Kraftstoff für Busse nutzen und muss ihn nicht sinnlos vernichten.

Wasserstoffbusse von Solaris schon heute im Einsatz in Deutschland

Schon heute gibt es Wasserstoffbusse von Solaris im Linienverkehr in Deutschland. So laufen sie (in alphabetischer Reihenfolge der Betriebssitze) bei Firma Geldhauser in Brunnthal (südöstlich von München), Firma Winzenhöler im Großraum Frankfurt / Rhein-Main, bei der Regionalverkehr Köln in im Großraum Köln / Bonn, beim Verkehrsbetrieb Weimar und bei den Wuppertaler Stadtwerken (WSW). Wobei die Regionalverkehr Köln und Wuppertals WSW schon wiederholt Wasserstoffbusse beschafft haben und also sichtlich zufrieden mit dieser Antriebstechnik sind. Wuppertals WSW nennen zurzeit 20 Hydrogen-Busse ihr eigen, bei der Regionalverkehr Köln werden es schon im Frühjahr diesen Jahres über 100 sein.   

Solaris Urbino 12 hydrogen der WSW aus Wuppertal | © Christian Marquordt
Solaris Urbino 12 hydrogen der RVK Köln – mehr dazu hier: https://www.urban-transport-magazine.com/rvk-koeln-die-lange-geschichte-ihrer-wasserstoffbusse/ | © Christian Marquordt

Bestellte Wasserstoffbusse von Solaris für Deutschland

Wesentlich beeindruckender sind die Zahlen der bestellten Wasserstoffbusse. So erwarten die Stadtwerke Aschaffenburg 12 Solaris Hydrogen-Busse (10 Solo- und zwei Gelenkwagen), die Rheinbahn aus Düsseldorf 10 Wagen, Duisburgs DVG ebenfalls 10 Wagen, Essens Ruhrbahn die hier besprochenen 19 Wasserstoffbusse (9 Solo- und 10 Gelenkwagen) und Krefelds SWK ebenfalls 10 Solaris Urbino hydrogen. Weitere 23 Wasserstoffbusse (davon 8 Gelenkwagen) haben die Lokale Nahverkehrsgesellschaft mbH Kreis Groß-Gerau (LNVG), 52 REBUS aus Güstrow in Mecklenburg-Vorpommern und 5 die Hamburger Hochbahn geordert.

Die Regionalverkehr Köln hat erstmals 18 Wasserstoff-Gelenkbusse bei Solaris bestellt.

Künftiger Solaris Urbino 12 hydrogen für die DVG Duisburg | © Solaris / DVG

Seit man bei Solaris mit dem Bau und der Auslieferung von Bussen mit Antrieb durch Wasserstoff begonnen hat, verzeichneten die Auftragsbücher in Bolechowo schon mehr als 710 Wagen mit dieser Technik für Europa. Rund 200 von ihnen stehen schon heute im täglichen Linieneinsatz (eine große Gruppe von ihnen bei der Regionalverkehr Köln), 2023 schloss Solaris allerdings mit der TPER (Trasporti Pubblicci Emilia Romagna) im italienischen Bologna einen Kaufvertrag über 130 12-Meter-Wagen. Das ist die bislang größte Order über Solaris Wasserstoffbusse. Auch die „Azienda Veneziana della Mobilitá“ hat 90 Urbino-Wasserstoffbusse in Auftrag gegeben, und zwar 75 Solo- und 15 Gelenkwagen.

Insgesamt liegen in Bolechowo zurzeit Bestellungen über Wasserstoff-Busse aus Deutschland, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Polen, der Schweiz, Schweden, der Slowakei und Spanien vor.

530 Hydrogen-Busse sind derzeit im Werk im Bau oder warten darauf, dass mit ihrem Bau begonnen wird.

Solaris Urbino 12 hydrogen in Frankfurt | © Christian Marquordt

Die Wagen für die Ruhrbahn im Detail

Schon vor einiger Zeit beschloss man bei der Ruhrbahn, dem gemeinsamen Verkehrsbetrieb der beiden Nachbarstädte Essen und Mülheim, ab dem Jahr 2033 nur noch Busse mit Wasserstoffantrieb einzusetzen. Eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung angesichts des Umstands, dass man Wasserstoff problemlos von der chemischen Industrie des Ruhrgebiets bekommen kann. Auch Bielefelds moBiel betankt ihre Brennstoffzellen-Busse mit Wasserstoff, den sie sich aus dem Ruhrgebiet bringen lässt.

Bis heute kennt der Busbetrieb der Ruhrbahn nur Dieselbusse – alternative Antriebe sind hier noch völlig unbekannt. Na gut, man hat sich mal einen batterie-elektrischen Gelenkwagen des spanischen Herstellers Irizar angesehen.

Will man das Ziel 2033 noch erreichen, wird es langsam Zeit, mit der Anschaffung von Wasserstoffbussen zu beginnen. Das sagte sich wohl auch die Ruhrbahn, denn gerade in diesen Tagen hat sie 19 derartige Wagen bei Solaris bestellt, neun Wagen des Typs „Urbino 12 hydrogen“ und zehn Gelenkwagen vom Typ „Urbino 18 hydrogen“, die ab Jahresende 2024 und in 2025 geliefert werden sollen. Stolz weist Solaris darauf hin: „Dies ist der erste Auftrag, den wir aus Essen und Mülheim bekommen haben.“ Olivier Michard, Vorstandsmitglied bei Solaris für Vertrieb und Marketing, sagt: „Ruhrbahn und Solaris zusammen machen einen wichtigen Schritt in Richtung auf eine umweltfreundliche Zukunft. Und wir fördern die Zustimmung der Menschen zu Technologie und Ökologie.“

Die 12-Meter-Wagen werden eine Brennstoffzelle mit einer Leistung von 70 kW haben, die Gelenkwagen eine solche mit einer Leistung von 100 kW. Angetrieben werden sie alle von einem elektrischen Zentralmotor. Und zur Unterstützung der Brennstoffzelle bei starker Beanspruchung speichern sie Strom in „Solaris High Power Batterien“.

Für die Sicherheit von Fahrgästen und Fahrer wird es diverse Fahrer-Assistenzsysteme geben. Solaris weist besonders auf den Brems- und den Abbiege-Assistenten hin. Außerdem werden sie ausgerüstet mit “eSConnect“, einem System, das Solaris selber entwickelt hat und das es erlaubt, das technische Wohlbefinden des Wagens (auch von Leitstelle und Werkstatt aus) ständig im Blick zu behalten. Die Klimaanlagen der Busse werden mit Wärmepumpen arbeiten und CO2 als Kühlmittel verwenden. Und für die Fahrgäste wird es USB-Stecker geben,

Abschließend weist Solaris darauf hin, dass nicht nur das Interesse an Wasserstoff als Antriebsenergie für Busse ständig zunehme – auch und gerade in Deutschland – sondern dass auch die Zahl der Wasserstoff-Tankstellen ständig wachse.

Weitere Berichte über Solaris Wasserstoffbusse:

29.01.2024
4.7 3 Stimmen
Artikelbewertung
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all comments