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Die Standseil-Straßenbahn von Viseu

Außer Betrieb: Die Bahn abgestellt in der Talstation | © Dirk Budach

Standseilbahnen im öffentlichen Straßenraum sind nur wenig verbreitet, da sie ein hohes Konfliktpotential mit den übrigen Verkehrsteilnehmern bieten. Zu den bekanntesten dürften die drei derartigen Bahnen in Nebenstraßen der portugiesischen Hauptstadt Lissabon gehören, die alle schon weit über 100 Jahre alt sind.

Seit 130 Jahren fährt in Lissabon der Elevador da Bica auf öffentlichen Straßen | © Dirk Budach

Um so überraschender erscheint es, dass erst rund 15 Jahren eine solche Bahn in einer Kleinstadt weiter nördlich im Land bei entstand. Am 25. September 2009 ging die rund 400m lange, schnurgerade Strecke in Viseu in Betrieb, mit der Intention, die hoch gelegene Altstadt mit einem großen Parkplatz am Fuß des Altstadthügels zu verbinden und so den Autoverkehr in den engen Gassen zu reduzieren – P&R im besten Sinne also.

Die schweizerische Firma Gangloff lieferte zwei Wagen, die portugiesische Firma Liftech errichtete die Anlage mit Unterstützung lokaler Partner. Die Gleise verlaufen eingepflastert in Seitenlage einer Ortsstraße, aber durch kleine Pfeiler abgetrennt. In Streckenmitte gibt es eine Ausweiche. An drei Stellen werden Querstraßen berührt. Das Zugseil wird unterirdisch durch einen Führungskanal unter dem Fahrbahnbelag geführt.

Kreuzung in der Ausweiche – gut zu sehen der Kanal der unterirdischen Seilführung | © Liftech
An der oberen Endstelle | © Liftech

Die Nutzung blieb hinter den Erwartungen zurück, auch nach Einführung der Gratis-Beförderung, doch die Bahn erfüllte zweifellos ihren Zweck. Die Betriebskosten von rund 350.000 EUR pro Jahr boten dann in 2018 den Anlass, über ein fahrerloses System als Alternative nachzudenken. Ein Fahrzeug in Form einer Art Minibus sollte das Angebot der Funicular ersetzen. Tatsächlich kam es aber bislang nicht zur Einführung – es blieb still um diese vermeintlich günstige Lösung. Der Betrieb der Standseilbahnen wurde seit 2019 mehrfach unterbrochen, im Zuge der Corona-Krise und auch als Vorbereitung auf die angekündigte Umstellung. Seit mehreren Monaten ruht aktuell schon wieder der Verkehr, ohne dass eine Alternative angeboten wird. Die Anlagen, für die seinerzeit 5,2 Mio. EUR investiert worden waren, verwahrlosen derweil.

Ein Wechsel in der Stadtregierung scheint nun ein Umdenken eingeleitet zu haben: der Bürgermeister setzt sich nach öffentlichen Bekundigungen für die WiederAufnahme der Bahn ein, dass wenig realistische minibus Projekt ist damit vorerst vom Tisch.

Schon mit Blick auf die erheblichen, getätigten Investitionen sollte die Aufgabe einer solchen Anlage bei nüchterner Betrachtung ohnehin gar nicht in Frage kommen – eine rasche wieder Inbetriebnahme wird die Stadt auch für die diversen Besucher um eine touristische Attraktion reicher machen, die sowieso schon jetzt in allen Reiseführern erwähnt wird.

13.06.2022
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