Jahrelang wird schon darüber diskutiert, immer wieder unterschiedliche Ideen und Pläne wurden auf den Tisch gebracht und verschwanden wieder in den Schubladen, doch nun besteht Hoffnung, dass der Anschub des Projektes gelingt: Ein Tram-Train System im Umfeld der Großstadt Tarragona und in der Region Katalonien im Nordosten Spaniens gelegen. Der Großraum selbst wird auch als „Camp de Tarrogona“ bezeichnet.
Für die ca. 137.000 Einwohnern in der Stadt selbst und etwa 325.000 im näheren Umfeld stellt sich der ÖPNV bislang recht rudimentär dar: Lediglich einige S-Bahn-ähnliche Verbindungen, die auch 95 km entfernte Landeshauptstadt Barcelona anbinden, erschließen den Raum, ansonsten dominiert der Bus und noch mehr der Individualverkehr. Wenig überraschend, liegt die ÖPNV-Nutzung entsprechend deutlich unter der anderer, vergleichbarer Provinzen im Land.
Neuen Auftrieb bekam das Projekt vor geraumer Zeit, als die Bahnstrecke zwischen Valencia und Tarragona entlang der Küste im Januar 2020 aus dem unmittelbaren Siedlungsraum der Küstengemeinden Cambrils und Salou auf eine weiter nördlich gelegene Trasse verlegt wurde. Das geht für den Fernverkehr mit einer deutlichen Beschleunigung und Entlastung der Ortschaften einher, bedeutet aber für beide Gemeinden den Verlust einer schnellen Direktverbindung u.a. nach Tarragona, Reus und in einige andere Zentren der Region. Entsprechende Proteste ließen nicht lange auf sich warten und forcierten letztlich die Umsetzung der Planungen des Tram-Train Projektes, in Spanien auf Tren-Tranvía oder Tren-Tram genannt. Auch die in Aussicht gestellten EU-Fördermittel sollten zur Beschleunigung bei der Umsetzung beitragen.
Das Projekt TramCamp
Geplant ist längerfristig die Verwirklichung eines 46 km langen Netzes mit 34 Haltestellen zwischen den Eckpunkten Tarragona, Cambrils und Reus unter dem Namen „TramCamp“. Dabei handelt es sich sowohl um völlig neu gebaute Strecken im städtischen Umfeld als auch um die Nutzung bestehender, z.T. aufgegebener Eisenbahntrassen. Deshalb stand auch lange Zeit die Umsetzung in 1.668 mm iberischer Breitspur im Raum, um die Option der Mitnutzung aktueller Bahnstrecken der Staatsbahn offenzuhalten.
Als erste Strecke – die sogenannte Phase 1 – soll nun möglichst rasch die ungenutzte Trasse zwischen Cambrils und Salou mit einer Weiterführung auf neu zu bauender Strecke bis nach Vila-seca realisiert werden. Zwischen den künftigen Stationen Cambrils Horta de Santa María und Port Aventura wird dabei die bestehende Trasse der stillgelegten Eisenbahn genutzt werden, bei den anschließenden Abschnitten innerhalb von Cambrils bis zum Bahnhof Nord und von Port Aventura bis zum Bahnhof Vila-seca wird es sich um Neubauabschnitte handeln. Die Bauausführung ist hier überwiegend zweigleisig vorgesehen, um einen 10-Minuten-Takt zu erlauben. Längerfristig werden 9 Mio. Fahrgäste erwartet. Die in Aussicht gestellten EU-Fördermittel für das Land beflügeln das Projekt, und so stellen die Projektverantwortlichen der katalanischen Landesregierung einen Baubeginn schon für 2023 in Aussicht. Ob es wirklich so schnell geht, bleibt abzuwarten – auf alle Fälle ist man in der gegenwärtigen Situation der Realisierung ein deutliches Stück nähergekommen. Aktuell ausgeschrieben wird die Detailplanung des Projekts, die noch in diesem Jahr abgeschlossen werden soll.
Die Kosten für Phase 1 werden mit 145 Mio. EUR angegeben, einschließlich Fahrzeugbeschaffung und Depotanlagen. Für das Gesamtprojekt werden aktuell rund 550 Mio. EUR angesetzt.
Fahrzeugbeschaffung
Durch den geplanten Betreiber Ferrocarrils de la Generalitat de Catalunya (FGC), die katalanische Landesbahn, wurde außerdem die zeitnahe Ausschreibung für eine erste Serie künftig benötigter Tram-Train-Züge angekündigt. Die genauen Spezifikationen werden aktuell ausgearbeitet. Fotos der Tram-Train Züge in Alicante waren auf Projektstudien zu zu sehen. Welche Anforderungen an die Fahrzeuge gestellt werden, ist schon deshalb erst jetzt genau zu definieren, weil aktuell auch die Umsetzung des Systems in europäischer Normalspur angekündigt wurde, was längerfristig eine direkte Anbindung an bestehende, weiter zu betreibende Eisenbahnstrecken kaum realistisch erscheinen lässt. Die geringere Spurweite wird u.a. mit leichterer städtebaulicher Integration und einfacherer Fahrzeugbeschaffung begründet – auf den ersten Blick zumindest nur schwer nachzuvollziehen.
Phasenweise
Nach der ersten Phase Cambrils – Salou – Vila-seca sollen in mehreren weiteren Phasen zunächst die An- und Einbindung in das Stadtgebiet der Großstadt Tarragona erfolgen und auf zwei verschiedenen Strecken auch der Anschluss der Nachbarstadt Reus (106.000 Einwohner). Auch ein Abzweig zum Flughafen ist geplant. Zwischen den beiden großen Städten Tarragona und Reus bestehen seit jeher enge Verkehrsbeziehungen. Bis 1973 wurde diese Verbindung u.a. durch eine Trolleybuslinie hergestellt, in Tarragona selbst fuhren Straßenbahnen zuvor nur als Pferdebahnen zwischen 1883 und 1896. Zu erwähnen ist außerdem eine meterspurige Kleinbahnlinie, die Reus bis 1975 mit Salou verband und zuletzt mit Dieseltriebwagen betrieben wurde.
Ein konkreter Zeitplan für die Realisierung der verschiedenen Phasen des Tram-Train Projekts TramCamp wurde bislang noch nicht genannt. Das erste wirkliche solche Anlage in Form der Verknüpfung einer Eisenbahnstrecke mit Straßenbahntrassen im Stadtgebiet befindet sich seit vielen Jahren im Raum Cádiz-San Fernando-Chiclana im Bau und soll nunmehr endlich im Sommer 2022 eröffnet werden. Vielleicht beflügelt ja auch das die Pläne in Katalonien noch einmal.
16.02.2022