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Freifahrt und die nötige Kapazitätserhöhung: Das Beispiel Luxemburg

Sauber, modern und leise - Luxemburgs neue Tram auf dem Kirchberg-Plateau | UTM

Luxemburg setzt auf Freifahrt im ganzen Land und baut die Infrastruktur kräftig aus, um die Inanspruchnahme des ÖPNV zu verbessern. Eine neue Niederflur-Straßenbahn gehört dazu.

Sie werden zwar nicht die allerersten, trotzdem kann man den Luxemburgern eine Vorreiterrolle bei ihrem Plan nicht absprechen:

Ab 1. März 2020 sind landesweit die Bus- und Bahnlinien gratis zu benutzen, der Fahrkartenverkauf wird eingestellt. Auf den Staat kommen damit zusätzliche Kosten von etwa EUR 41 Mio. pro Jahr zu – so hoch sind die jährlichen Fahrgeldeinnahmen der Verkehrsunternehmen bisher. Den Rest der knapp EUR 500 Mio. Kosten trägt ohnehin schon jetzt der Staat. Der auf den ersten Blick recht radikale Vorstoß wird vor allem damit begründet, den bisherigen Modal Split von gerade einmal 19% ÖPNV-Nutzern im ausgeprägten Pendlerverkehr zu den Luxemburger Arbeitsstellen vor allem zu Lasten der 60% Pkw-Nutzer deutlich zu verringern. Aber auch sozialpolitische Motive werden angeführt, um gerade den sozial Benachteiligten angesichts der hohen Lebenshaltungskosten im kleinen Großherzogtum Vergünstigungen zu schaffen. Luxemburg ist europaweit das Land mit der größten Pkw-Dichte pro Einwohner, und das Pendleraufkommen ist mit werktäglichen rund 175.000 Personen bei gerade einmal 602.000 Einwohnern im Land enorm hoch. Die kostenfreie ÖPNV-Mitfahrt soll hier zusätzliche Anreize schaffen, doch wie einzelne Beispiele aus anderen Orten zeigen, reicht dies allein nicht aus: In Tallinn besteht ein ähnliches Modell seit einigen Jahren, doch hat sich die Zahl der Fahrgäste nicht im erhofften Umfang und wenn überhaupt, in erster Linie bei Kurzstreckenfahrern unter 2 km Länge erhöht – und dabei handelt es sich in den meisten Fällen gar nicht um Umsteiger vom Pkw. Hauptkritikpunkt in Estland ist der Qualitätsstandard des Nahverkehrsangebots, und nicht zuletzt deswegen unternimmt Luxemburg auch hier deutliche Anstrengungen.

Höhere Kapazitätsanforderungen

Lange hatte Luxemburg diskutiert, wie man den Anforderungen an Qualitätsverbesserungen am besten gerecht werden könne. Nachdem schon seit den neunziger Jahren im Grunde klar war, dass die bestehenden Verkehrssysteme allein auf Dauer keine attraktive Alternative zum Motorisierten Individual-Verkehr bieten konnten, diskutierte und probierte vor Ort diverse Optionen. Das Modell Tram-Train gehörte längere Zeit dazu, wurde aber schließlich doch verworfen: Zu groß schien die Hürde einer stadtbildverträglichen Eingliederung in die bestehende Infrastruktur. Omnibusse auf Eigentrassen mit hoher Fahrgastkapazität waren ebenfalls eine denkbare Variante. Nachdem einzelne Omnibusanhänger-Züge vor allem im Vorortverkehr eingeführt wurden, kommen seit einigen Jahren verschiedene Modelle von Doppelgelenkbussen zum Einsatz, u.a. auf der stark belasteten Linie 16 vom Flughafen über das Kirchberg-Plateau durch das Zentrum, vorbei am Hauptbahnhof und bis in den Süden der Hauptstadt:

  • 5 Van Hool AGG 300 Diesel Baujahr 2006
  • 2 Hess DG Hybrid mit Cummins-Diesel und Kirsch-Generator
  • 5 Van Hool „ExquiCity 24“ Hybrid mit Cummins-Diesel mit Siemens-Generator
  • 3 Hess „LightTram“ Plug-In Hybrid mit Mercedes-Benz-Diesel und Vossloh-Kiepe/Ziehl-Abegg-Generator

Die neuesten drei Fahrzeuge gehören zum sogenannten UREVO Projekt („Urban Revolution“), das auf innovative Techniklösungen für abschnittweise, lokal emissionsfreie Fahrt in der Innenstadt setzt.

Die neue Straßenbahn

Die Busse bewährten sich durchaus, doch für einen konsequenten weiteren Kapazitätsausbau kam schließlich nur der Schienenverkehr in Frage. Der Beschluss zum Bau einer modernen Niederflurtram fiel schließlich im Jahr 2014. Bereits ein Jahr später begannen die Bauarbeiten an der Strecke. Die Baukosten werden mit 565 Mio. € angegeben. Es wurden 32 Urbos Niederflurstraßenbahnen beim spanischen Schienenfahrzeughersteller CAF bestellt und seit dem 10. Dezember 2017 ist sind die neuen Bahnen auch für die Bevölkerung „real“ und damit täglich benutzbar.


Die erste Teilstrecke entstand auf dem sogenannten Kirchberg-Plateau, auf dem nahezu alle wichtigen internationalen Institutionen, einige Kultureinrichtungen, das Messegelände sowie die Universität angesiedelt sind. An der ersten, vorläufigen Endstelle Pafendall schließen zwei neue, parallele Standseilbahnen an, die im Minutentakt eine rasche Verbindung zum 40 Meter tiefer gelegenen, ebenfalls neuen Bahnhof Pfaffenthal-Kirchberg an der Eisenbahnstrecke Luxembourg-Ettelbruck herstellen – zweifellos eine ganz bemerkenswerte Konstruktion.

Seit dem 27. Juli 2018 überqueren die neuen Trams die anschließende Brücke Rout Breck/Ponte Rouge über den Taleinschnitt hinweg und erreichen nach weiteren drei Haltestellen den Rand der Oberstadt. Derzeitige Endstelle ist der Staereplaz/Place de l’Etoile. Der Weiterbau und damit auch eine bessere Anbindung der Innenstadt hat begonnen, 2020 soll der Hauptbahnhof erreicht werden und schon im darauffolgenden Jahr ist eine Verlängerung der Strecke an beiden Enden vorgesehen: Von Luxexpo zum Flughafen Findel und vom Hauptbahnhof bis Cloche d’Or im Südwesten. 16 km lang wird die Straßenbahnstrecke dann sein.

Hohe Akzeptanz der neuen Niederflurtram

Die Luxemburger sind vom Erfolg ihrer neuen Tram überzeugt – und die Auslastung gibt ihnen offenbar recht: schon vor Erreichen der Innenstadt waren auf der ersten Teilstrecke auf dem Kirchberg mit 17.000 werktäglichen Fahrgästen fast doppelt so viele unterwegs wie erwartet. Die siebenteiligen, 42 Meter langen Niederflurtrams vom Typ Urbos des Herstellers CAF zeichnen sich durch zeitgemäßes Design aus. Das Außendesign wirkt eher schlicht, während sie im Innern dagegen auffällig farbig gehalten und mit einigen interessanten Designfeatures ausgestattet sind.

Die integrierte Trasse mit überwiegend Rasengleis fügt sich harmonisch in das Ambiente des internationalen Viertels aber auch in die anderen Stadtbereiche ein. Ab Pafendall fahren die Züge in Richtung Zentrum auf einer 3,6 km langen Strecke oberleitungsfrei, gespeist aus Supercaps, die auf der Fahrleitungsstrecke wieder aufgeladen werden. Die fehlende Oberleitung wird die Akzeptanz der Bahninfrastruktur besonders auf Abschnitten wie der Av. Liberté weiter erhöhen.

Mit Inbetriebnahme der vollständigen Strecke wird die stark belastete Buslinie 16 teilweise ersetzt und ihr Verlauf geändert. Aber auch dann werden Doppelgelenkbusse mit ihrer hohen Fahrgastkapazität auch auf anderen Strecken gefragt sein – immerhin kann man sie und die anderen Stadtbusse ja künftig kostenfrei benutzen!

Eine Streckenübersicht findet sich unter:
http://www.luxtram.lu/fr/la-ligne/un-trace-multimodal/

12.06.2019