
Bei der Zillertalbahn wurde 2014 der Holztransport mittels Rollwagen und damit der letzte verbliebene kommerzielle Güterverkehr eingestellt. Tausende zusätzliche Lkw-Fahrten wurden daher zusätzlich im Tal notwendig. Ich berichtete in meinem Buch über diese unliebsame Entwicklung [1].
Erfreulicherweise wurden diese Holztransporte zwischen Jenbach und dem Binder-Sägewerk in Fügen im Mai 2021 wieder aufgenommen. Vorausgegangen waren:
- Umbau von Rollwagen (Hersteller Jenbacher Werke – Nutzungsprinzip siehe Bild 2 und 3) zu Rungenwagen. Das erfolgte durch einen neuen Aufsatz. Im Bild 4 sieht man auch, dass die für die Rollwagenzüge unentbehrlichen Kuppelstangen wieder Verwendung finden.
- Bau eines Umladeterminals mit elf neuen Weichen, 2800 m Gleis [2] und einer ausreichenden Fahrfläche für den Verladebagger (Bild 5) und für Lkws. Ein moderner Verladebagger ist offensichtlich wesentlich billiger als die aufwendigen Rangierarbeiten beim Rollwagenverkehr.
- Vorübergehende Anmietung von zwei Diesellokomotiven (Bild 4), bis die eigenen Lokomotiven (Hersteller Gmeinder) durch die Inbetriebnahme der neuen Wasserstofftriebwagen im Personenverkehr frei werden.

Die nun täglich dreimal verkehrenden Güterzüge bestehen aus acht bis zehn Waggons und transportieren bis zu 400 t Rundholz. Damit entfallen jährlich 20.000 Lkw-Fahrten [2].
Neben den direkten Geschäftspartnern Zillertaler Verkehrsbetriebe AG und Binderholz GmbH waren das Bundesland Tirol, die ÖBB, die Innofright Solutions GmbH Bruck an der Mur und die österreichische Schienen-Infrastruktur Gesellschaft an dem Projekt beteiligt. In der Perspektive sollen die Rückfahrten durch den Transport von Schnittholz von Fügen nach Jenbach effektiver genutzt werden.

Voraussetzung für den Bahnverkehr ist eine kostenintensive Infrastruktur. Deshalb ist deren möglichst breite Nutzung ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft. Ich sorge mich um Nebenbahnen, deren Verkehr in einem Stundentakt, im Extremfall mit einem einteiligen Triebwagen, besteht. Für diesen beispielhaft genannten Extremfall geht auch der eigentliche große Vorteil des schienengebundenen Verkehrs verloren – die Zugbildung. Bei jeder teuren, aber notwendigen Maßnahme an der Infrastruktur wird die Klärung der ökonomischen und umwelttechnischen Sinnhaftigkeit stehen, und damit auch die Frage, ob das „kleine bisschen“ Schienenverkehr nicht auch auf das sowieso bestehende Straßennetz verlagert werden kann. Auch eine Prüfung unter den Gesichtspunkten des Umweltschutzes könnte negativ ausfallen, weil man bei baulichen Maßnahmen unbedingt die so genannte „graue oder gegenständliche“ Energie einbeziehen muss [3] .

Ein Beispiel für solche breitere Nutzungen von vorhandenen Nebenbahnen ist der Einsatz von Schlepptriebwagen, an die man auch einige Güterwagen (Bild 6) oder Verstärkungswagen anhängen kann. Bei den Bergbahnen in der Schweiz ist die Einbeziehung des Güterverkehrs bei den Zahnradbahnen zu den autofreien Ferienorten wie Wengen oder Mürren eine Notwendigkeit. Auch auf anderen meterspurigen Gebirgsstrecken, z.B. bei der Rhätischen Bahn, verkehren etliche Güterzüge, es werden aber auch Güterwagen an reguläre Personenzüge angehangen [1] .
Die Zillertalbahn nutzt ihr Gleisnetz für den öffentlichen Nahverkehr, für die Traditionspflege in Form der beliebten Dampfzüge und nun auch wieder für den Güterverkehr.
Bildergalerie (zum Öffnen bitte Anklicken):
Bild 4: Lokomotive mit leeren Rungenwagen, verbunden mit einer Kuppelstange. Auch die Wagen untereinander werden mit Kuppelstangen verbunden I © Dagmar Iwainsky
Bild 5: Der Verladebagger erledigt zügig das Umladen I © Heinz Iwainsky
Bild 6: Ein im fahrplanmäßigen Personenverkehr fahrender Triebwagen steht 2015 in Schruns (Montafoner Bahn, Österreich) abfahrbereit. Bei den mitgeführten Güterwagen geht es wieder um Holztransporte I © 32-Fuß-Freak, Wikipedia 2015
Güterstraßenbahnen
Es gibt bei Wikipedia einen interessanten Beitrag zu Güter-Straßenbahnen [4]. Straßenbahn-Betriebe haben früher ihre Gleise für die Zustellung von Güterwagen zur Verfügung gestellt. Bei Schmalspur-Netzen kamen dabei auch Rollwagen oder Rollböcke zum Einsatz, z.B. Gera und Hagen [4]. Die Rangierfahrten waren generell aufwendig, es kam immer wieder zu Störungen des Fahrplanes, so dass diese Vorgehensweise bald nach dem zweiten Weltkrieg eingestellt wurde. Bild 7 zeigt dazu eine historische Postkarte aus der rumänischen Stadt Arad.

Die unbefriedigende Verkehrs- und Luft-Situation in den Innenstädten hat in den letzten Jahren und Jahrzehnten Überlegungen wiederbelebt, die Strassenbahn in die innerstädtische Güter-Logistik mit einzubeziehen. Es wird dabei zwischen den Ansätzen „Last Mile“ – direkt zu den Endkunden und „Middle Mile“ unterschieden. Beim Letzteren übernimmt die Strassenbahn Güter am Stadtrand oder am Güterbahnhof und bringt sie zu innerstädtischen Verteilzentren, wo die Übergabe an E-Autos, Lastfahrräder o.d.gl. erfolgt (Beispiel City Cargo Tram Amsterdam).Die Einordnung in die beiden Kategorien ist manchmal schwierig und wird nicht unbedingt einheitlich gehandhabt.
Ein Forschungsbericht [5] präsentiert in seinem Kapitel 3.1. einen umfassender Überblick über Versuche und Studien, bei denen es um eine derartige Nutzung der Infrastruktur von Straßenbahnen geht. Leider konnten sich viele gute, öffentlich geförderte Projekte nicht langfristig durchsetzen und wurden meist aus finanziellen Gründen aufgegeben, (z.B. Güter Bim Wien und City Cargo Tram Amsterdam). Im Kapitel 5.2. werden verschiedene Arten des Transportes verglichen: Separate Güter-Tram, Teilnutzung der Straßenbahnen für Güter in der verkehrsarmen Zeit und Regelstassenbahn mit Anhänger. Vor- und Nachteile werden gegenübergestellt, die letzten beiden Varianten benötigen kein zusätzliches Fahrpersonal. Damit besteht eine Ähnlichkeit mit den früher auf den Nebenbahnen oft gebräuchlichen Personenzügen mit Güterbeförderung (PmG).

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), das FZI Forschungszentrum Informatik und weitere Partner entwickeln ein fahrzeugtechnisches und logistisches Konzept für eine „Gütertram“ auf der Basis einer Karlsruher Zweisystem-Stadtbahn und untersuchen die Auswirkungen auf den Straßen- und Schienenverkehr. Vom Tramtrain sollen Verteilzentren angesteuert werden. Somit wird ein Middle Mile-Konzept verfolgt. Das Projekt startete im Jahr 2020 und wurde im März 2021 mit einem weiteren Projekt, der LogIKTram, erweitert. LogIKTram ist Teil der Gesamtinitiative regioKArgo, deren Partner neue Formen des Verkehrsträger-übergreifenden Warenladungs- und Lieferverkehrs erforschen und umsetzen wollen.
Das Verbundvorhaben LogIKTram, an dem sowohl die AVG als auch das KIT neben mehreren weiteren Partnern federführend beteiligt sind, hat die Entwicklung eines Logistikkonzepts sowie einer Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)-Plattform für einen zukünftigen Gütertransport in Straßenbahn- und Stadtbahnwagen zum Ziel.

Von 2001 bis 2020 folgte der Materialfluss zu dem „Gläsernen VW – Werk am Großen Garten in Dresden mittels einer Güterstaßenbahn CARGO Tram (Hersteller Schalke GmbH-Bild 8). Damit sollte die Innenstadt von zusätzlichen Lkw-Transporten entlastet werden. Eine Produktumstellung bei VW beendete diesen Güterverkehr.
In Zürich gibt es seit 2003 die unter dem saloppen Namen Kehricht-Tram bekannte Sammelaktion, bei der bestimmte Haltestellen des Netzes turnusmäßig von der CARGO und der E-TRAM angefahren werden. Dort hat die Bevölkerung die Möglichkeit, Sperrmüll und Elektroschrott direkt auf die angehangenen Wagen zu entsorgen. Es ist nach meinen Recherchen die einzige, gegenwärtig praktizierte innerstädtische Güterverkehrslösung. Sie folgt dem Prinzip „First Mile“, was aber wegen dem unmittelbaren Kundenkontakt demjenigen der „Last Mile“ sehr nahe kommt.

Bild 9: Kehricht Tram Zürich I © Sunil 060902 , 2009 Wikipedia CC-BY-SA 3.0
Zusammenfassung:
Der Transport von Baumstämmen erfolgt im Zillertal wieder auf der Bahn! Anknüpfend an diesen Erfolg wird die Wichtigkeit dargelegt, Bahninfrastruktur möglichts vielfältig, also möglichst auch für den Güterverkehr zu nutzen. Dieser Gedanke führt auch zur Güterstraßenbahn. In einigen großen Städten Europas werden Grenzwerte der Luftverschmutzung permanent überschritten – man wird also nicht umhin kommen, auf verschiedenen Wegen dagegen vorzugehen. Das kann auch die Übernahme von Gütervekehr durch die Straßenbahnen erfolgen.
Das Urban Transport Magazin bietet die Möglichkeit, durch Komentare das angesprochene Thema zu diskutieren. Gern würden wir auf diesem Wege Anregungen erhalten oder/und weitere Anwendungsbeispiele und Plänekennen lernen.
Literatur
[1] Iwainsky, H.: Von der Kunst, einen Zug zu bauen. Eigenverlag, Jenbach 2018
[2] Zwicknagel;W. : Zillertalbahn wickelt Holztransport ab/ Neuer Terminal für Holztransport; Tiroler Tageszeitung, 23.4.21/ 17.5.21
[3] Iwainsky, H.: Zu einigen Aspekten der Energieeffizienz und des Umweltschutzes. ZEV rail 144(2020) S.19-25
[4] Güter-Straßenbahnen- Wikipedia 2021
[5] Schocke,K.O.; Schäfer,P.; Höhl,S.; Gilbert, A.: Last Mile Tram – Empirische Forschung zum Einsatz einer Güter-Straßenbahn am Beispiel Frankfurt am Main. Forschungsbericht der Frankfurt university of Applied Science 3/2020 – abgelegt im Internet.
03.09.2021
Sehr interessanter Bericht!
Bei der Rhätischen Bahn ist es so, dass dass diese in die Logistikkette der beiden Grossverteiler eingebunden ist. Einzig die Bahn bietet eine wintersichere zuverlässige Verbindung ins Engadin. Container werden gemäss einem Fahrplan entweder in Güterzügen, oder aber als Zusatzlast an RE-Zügen transportiert.
Bei der Berninalinie besteht reger Güterverkehr in Form von Holz und Heizöl. Züge werden (mit Ausnahme des BerninaExpress) bei Bedarf bis zur zulässigen Anhängelast mit Güterwagen aufgefüllt. Die Führung von reinen Güterzügen ist fahrplanbedingt nur in Ausnahmefällen möglich.
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